Vitaminpräparat Juice Plus - Teures
Inhalt
saldo 12/2001
20.06.2001
Letzte Aktualisierung:
06.09.2010
Juice Plus wird mit imposanten Gesundheitsversprechen verkauft. 320 Franken kostet das Paket und wirkt etwa gleich wie ein Gemüse- oder Fruchtsaft.
Der letzte Bissen des saftigen Hamburgers hat den Magen noch nicht erreicht, da schleicht sich das schlechte Gewissen hinterhältig an. Hätte man nicht besser in einen knackigen Broccoli gebissen? Oder statt der fetttriefenden Pommes nicht besser den Salat gewählt? Genau aus diesem schlechten Gewissen...
Juice Plus wird mit imposanten Gesundheitsversprechen verkauft. 320 Franken kostet das Paket und wirkt etwa gleich wie ein Gemüse- oder Fruchtsaft.
Der letzte Bissen des saftigen Hamburgers hat den Magen noch nicht erreicht, da schleicht sich das schlechte Gewissen hinterhältig an. Hätte man nicht besser in einen knackigen Broccoli gebissen? Oder statt der fetttriefenden Pommes nicht besser den Salat gewählt? Genau aus diesem schlechten Gewissen versucht die amerikanische Firma National Safety Associates (NSA) Profit zu schlagen. Neben diversen Filtern und Alarmgeräten verkauft die Firma den Gemüse- und Obstextrakt Juice Plus.
Die Verkäufer hoffen auf das grosse Geld
Juice Plus wird nicht im Laden, sondern ausschliesslich von Vertretern unter die Leute gebracht. Diese Händler kaufen der NSA das Produkt ab und verkaufen es mit einer Gewinnmarge weiter.
Laut einer Basler NSA-Verkäuferin winkt dabei das grosse Geld. Für ein Paket von Juice-Plus-Kapseln, das für vier Monate reicht, bezahlt der Händler 215 Franken an die NSA. Im Einzelverkauf wird das Paket dann zu 320 Franken weiterverkauft, im Abonnement zum «Vorzugspreis» von 276 Franken. Ist der Vertragshändler erfolgreich, erhält er zusätzlich zur Gewinnmarge Provisionen, die sich erhöhen, wenn er weitere Händler anwerben kann. So lässt sich laut der Basler Händlerin bei 39 angeworbenen Mitverkäufern ein Jahreseinkommen von über 100 000 Franken erzielen.
Werbung für Juice Plus verstösst gegen Gesetz
Um dieses fantastische Ziel zu erreichen, sind dem Einfallsreichtum der Hobbyverkäufer keine Grenzen gesetzt, Hauptsache, das teure Produkt findet Absatz und der Gewinn mehrt sich. Von erholten Gesichtszügen bis hin zur Genesung von Gebrechen reicht die Palette der Anpreisung der Wunderkapseln. Und ist ein Kunde nicht willig, werden Schreckgespenste wie oxidativer Stress, der den Körper wie Radioaktivität belaste, DNA-Schäden, Krebs und Schlaganfälle an die Wand gemalt. Eine Flut von Studien, Prospekten und CD-Roms unterstützt das Verkaufsgespräch.
In den Prospekten etwa werden neben einem Potpourri von medizinischen Fachausdrücken verblüffend schlichte Rechnungen gemacht: «Pro drei Portionen Obst- und Gemüseextrakt täglich sinkt das Schlaganfallrisiko um 22 Prozent. Das heisst, dass bei neun Portionen täglich das Risiko bereits um 66 Prozent tiefer liegt.» Nach Adam Riese und der NSA sollte also bei 14 Portionen das Herzinfarktrisiko gleich null sein.
Dem Bundesamt für Gesundheit sind Verkaufsmethoden wie die der NSA schon lange ein Dorn im Auge. «Die Werbung für Juice Plus und der Verkaufskanal im Multi-Level-System sind unglaublich», betont Elisabeth Nellen von der Abteilung Vollzug Lebensmittelrecht. «Die Werbung kann man fast nicht kontrollieren, da sie vielfach nur verbal zwischen Verkäufer und Kunde abläuft.»
Überprüft werden können hingegen die Werbeunterlagen, die von den Vertragshändlern abgegeben werden. Und dort verstösst die NSA gleich mehrfach klar gegen die Lebensmittelverordnung. «Aussagen zur Krankheitsvorbeugung oder prophylaktische Anpreisungen, die auf die Senkung eines Krankheitsrisikos hinweisen, sind verboten», betont Nellen.
Verbotene Werbung ist der NSA schwer nachzuweisen
Dan Holzmann, Geschäftsführer der NSA-Filiale in Basel, wehrt sich gegen die Vorwürfe. Die vom BAG kritisierten Unterlagen seien keine offizielle Werbung von NSA. Die fraglichen Aussagen in den Werbeprospekten seien von Vertragshändlern zusammengebastelt worden. «Bei der mehrstündigen Schulung unserer Vertragshändler sagen wir ganz klar, welche Art von Werbung erlaubt ist und welche nicht», betont Holzmann. «Fehlbare Händler werden sofort aus ihrem Vertrag entlassen.»
Diese Drohung schüchtert die NSA-Jünger offensichtlich nicht ein. saldo liegt umfangreiches Werbematerial vor, das beweist, wie viele Händler ihre Unterlagen im Do-it-yourself-System fabrizieren, ohne Rücksicht auf gesetzliche Schranken. Inwieweit es sich dabei noch um offizielles Werbematerial der NSA handelt, ist der Firma schwer nachzuweisen.
Zugefügte Vitamine sind nicht dem Bedarf angepasst
Nachgewiesen werden muss hingegen der Inhalt des Wundermittels, das in verschiedenen Variationen gehandelt wird. Die vom BAG zugelassenen Kapseln beinhalten neben dem Frucht- oder Gemüseextrakt diverse künstlich zugefügte Vitamine.
«Man sieht schon auf den ersten Blick, dass die Zusammensetzung der Vitamine willkürlich und nicht dem Bedarf des Menschen angepasst ist», urteilt Sabine Liniger, Apothekerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Schweizerischen Apothekerverbandes über den Inhalt. «Die angepriesenen Pflanzenwirkstoffe der Extrakte findet man ebenso in Gemüse- oder Fruchtsäften.»
Wer also nach einem Hamburger Gewissensbisse hat, sollte einfach ein Glas Tomatensaft trinken und ein paar Früchte geniessen. Das ist gesund und schont das Portemonnaie.
Monika Balmer