Viele Apotheken kranken bei der Beratung
Apotheker verkaufen Generika praktisch nur auf Nachfrage hin. Dies ergab eine saldo-Stichprobe. Und: Wer nicht aufpasst, zahlt für die gängigsten Mittel zu viel.
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saldo 1/2005
19.01.2005
Markus Kick
Trotz des Angebots an meist günstigeren und ebenso wirkungsvollen Generika stieg der Umsatz an Originalpräparaten in den letzten vier Jahren von 3 auf 4 Milliarden Franken. Daran sind die Apotheker offenbar nicht ganz unschuldig: Nur eine von 15 Apotheken in der Deutschschweiz gab einem saldo-Testeinkäufer von sich aus bewusst Nachahmerpräparate ab.
Der Tester fragte nach rezeptfreien Produkten, mit denen sich die «Volkskrankheiten» Kopfweh, Schlafprobleme und Erkältung kur...
Trotz des Angebots an meist günstigeren und ebenso wirkungsvollen Generika stieg der Umsatz an Originalpräparaten in den letzten vier Jahren von 3 auf 4 Milliarden Franken. Daran sind die Apotheker offenbar nicht ganz unschuldig: Nur eine von 15 Apotheken in der Deutschschweiz gab einem saldo-Testeinkäufer von sich aus bewusst Nachahmerpräparate ab.
Der Tester fragte nach rezeptfreien Produkten, mit denen sich die «Volkskrankheiten» Kopfweh, Schlafprobleme und Erkältung kurieren lassen. Drei Punkte wurden bewertet:
- Erhält der Kunde ein Originalmedikament oder ein Nachahmerprodukt - ein sogenanntes Generikum? Wird ein homöopathisches Mittel oder ein kombiniertes Präparat abgegeben?
- Fragt die Verkäuferin nach den Symptomen - erkundigen sich die Angestellten nach bestehenden Krankheiten mit Medikamenteneinnahme?
- Fühlt sich der Kunde ernst genommen oder wird er möglichst rasch abgefertigt?
Das Resultat stellt den getesteten Apotheken bezüglich Abgabe von Generika ein mageres Zeugnis aus (siehe Tabelle): Nur die Angestellte der Apotheke Ischi in Bern machte von sich aus auf Generika aufmerksam; alle anderen Geschäfte rückten diese nur auf Anfrage heraus oder gaben gar an, ein entsprechendes Arzneimittel sei nicht verfügbar. Pikant: Einige Apotheken legten zwar ein Generikum-Schmerzmittel auf die Theke, wussten aber nicht, dass es sich um ein Nachahmerprodukt handelt.
Bahnhof-Apotheke in Zürich: Höchster Gesamtpreis
Zusätzlich prüfte Markus Fritz, Apotheker und Leiter der Schweizerischen Medikamenten-Informationsstelle (SMI) in Basel die Qualität der Einkäufe - unabhängig vom Preis. Sein positives Urteil: «Die Medikamentenreform vom letzten Jahr scheint zu greifen, denn es wurden keine kombinierten Schmerzmittel angeboten. Und die verkauften Präparate gegen Schlafstörungen sind zu zwei Dritteln pflanzlicher Art.»
Vier Apotheken boten eine tadellose Beratungsleistung - allen voran die Internationale Apotheke in Bern, die zudem auch beim Gesamtverkaufspreis am besten abschnitt: Die Verkäuferin fragte intensiv nach den möglichen Ursachen der Kopfschmerzen und half beim Schlafproblem zusätzlich mit Stress- und Lebensberatung. Gegen die Erkältung empfahl sie Hustentropfen, gab Gratismuster eines Erkältungsbads ab und wies darauf hin, dass die Tabletten gegen Kopfweh auch bei einer Grippe schmerzlindernd wirken.
Ebenfalls einen Spitzenplatz in der saldo-Stichprobe belegt die Apotheke im Bahnhof in Winterthur: Die Verkäuferin im dritten Lehrjahr fragte umfassend nach den verschiedenen Symptomen und wies sowohl beim Einsatz eines Schlafmittels als auch beim längeren Gebrauch von Nasentropfen auf die Gefahr einer möglichen Abhängigkeit hin. Ausserdem wägte sie im Kundengespräch sorgfältig zwischen pflanzlichen und chemischen Produkten ab.
Die elf Apotheken mit den Noten «gut» und «genügend» erhielten Abstriche, weil die Angestellten Auskünfte unterliessen oder nicht exakt nachfragten. So versäumte es etwa die Verkäuferin der Rathaus-Apotheke in St. Gallen, sich nach bestehenden Krankheiten und der Einnahme anderer Medikamente zu erkundigen.
Sun Store-Apotheke: Wenig Interesse an der Kundenberatung
Mangelndes Kostenbewusstsein zeigte die Bahnhof-Apotheke in Zürich: Mit über 60 Franken zahlte der Tester für den Medikamenteneinkauf am meisten. Geradezu einen Discountpreis bot da die Gallus-Apotheke in St. Gallen: Nur rund 24 Franken kosteten die verkauften Medikamente.
Offensichtlich keinen guten Tag hatte die Verkäuferin der Sun Store-Apotheke in Biel: Das Verkaufsgespräch fiel rudimentär aus - die Angestellte fragte weder nach genauen Symptomen noch nach sonstiger Medikamenteneinnahme. Zusätzlichen Erläuterungen beschränkten sich auf den Hinweis, täglich nicht mehr als vier Schmerztabletten einzunehmen. Mit dem gewählten Kombinationspräparat gegen die Erkältung fiel auch die Auswahl der verkauften Medikamente nur durchschnittlich aus. Die Sun Store-Apotheke in Biel wollte das schlechte Abschneiden in der saldo-Stichprobe nicht kommentieren.
In vier Fällen boten Apotheken hauseigene Medikamente an. Für den Medikamentenfachmann Fritz ist eine solche Häufung «eher heikel, weil die Mitarbeiter vermutlich angehalten werden, solche Medikamente zu verkaufen».
Und im Fall des Hustensafts Antitussivum, der in der Zürcher Bahnhof-Apotheke angeboten wurde, bezweifelt der Experte die Zweckmässigkeit: «Dieser Sirup enthält einen eigentlichen Cocktail von Wirkstoffen. Das ist gegen den Husten nicht nötig.»
Gesundheit dank Offenheit
Wer zum Apotheker oder zum Arzt geht, sollte folgende Punkte ansprechen:
- Regelmässig eingenommene Medikamente - auch solche, die in der Drogerie, im Versandhandel oder von Naturärzten bezogen wurden
- Schwangerschaft oder Stillen
- Bekannte allergische Reaktionen oder andere Nebenwirkungen bei eingenommenen Medikamenten
- Aktuelle oder überwundene Abhängigkeiten von Medikamenten und Alkohol
- Deklaration folgender Beschwerden und Krankheiten: Asthma, erhöhter Blutdruck, Verstopfung, Nieren- oder Leberfunktionsstörungen, Schwindel, Magen- oder Darmgeschwüre, Harnverhalten, Zuckerkrankheit, Immunschwäche
- Angabe, ob das Medikament für eine andere Person besorgt wird.