Teures, nutzloses Stück Gummi im Schuh
Spezielle Einlegesohlen sollen die Körperhaltung verbessern. Die Kosten: satte 500 Franken. Doch Experten kritisieren: «Die Sohlen sind wirkungslos.»
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saldo 10/2008
27.05.2008
Ines Vogel
Monique Hitz aus Zürich sorgte sich um ihre Tochter Jessica: Die Zehnjährige hatte eine schlechte Körperhaltung und einen Hohlrücken. Der Arzt verschrieb ihr Physiotherapie. Dort hörte Monique Hitz erstmals von Prozeptor-Sohlen. «Die Physiotherapeutin erzählte mir, diese speziellen Einlegesohlen könnten die Haltung verbessern», erinnert sich Monique Hitz.
Sohlen sollen Sehnen und Bänder stimulieren
Monique Hitz aus Zürich sorgte sich um ihre Tochter Jessica: Die Zehnjährige hatte eine schlechte Körperhaltung und einen Hohlrücken. Der Arzt verschrieb ihr Physiotherapie. Dort hörte Monique Hitz erstmals von Prozeptor-Sohlen. «Die Physiotherapeutin erzählte mir, diese speziellen Einlegesohlen könnten die Haltung verbessern», erinnert sich Monique Hitz.
Sohlen sollen Sehnen und Bänder stimulieren
Die Therapeutin verwies sie an den Einlagentechniker Ernst Blättler aus Ebmatingen ZH. Er arbeitet mit der Behandlungsmethode der Orthostatik, die den Körper aufrichten soll. Auf Blättlers Website heisst es, die Sohlen stimulierten Muskelketten und damit verbundene Sehnen und Bänder, was die Körperstatik normalisiere.
Im Juli 2007 suchte Monique Hitz mit Jessica den Techniker auf. «Blättler liess Jessica einmal hin und her laufen und auf Schaumgummi stehen.» Die Mutter war enttäuscht: «Für mich war das noch keine Untersuchung.»
Als sie die Sohlen erstmals sah, war sie überrascht: «Sie waren wie die dünnen Gummi-Einlegesohlen, die sowieso im Schuh sind. Nur hatten sie an einigen Stellen leichte Erhöhungen.» Monique Hitz zeigte die Einlagen den Kinder-Orthopäden an der Zürcher Schulthess-Klinik. Die kinder-orthopädische Abteilung schreibt saldo: «Diese Einlegesohlen sind für die Körperhaltung wirkungslos. Sie haben keinen bewiesenen Einfluss auf die Statik in den Beinen, in den Hüften und im Rücken und können die Haltung nicht verbessern.»
Kundin schickte dem Techniker die Sohlen zurück
Auch Reinald Brunner kennt keine Studie, die bestätigen würde, dass die Einlegesohlen wirkten. Er ist Professor am Universitäts-Kinderspital in Basel und beschäftigt sich mit Neuro-Orthopädie. «Die Erklärung, wie die Einlagen auf den Fuss wirken sollen, ist hypothetisch», sagt er.
Nicht genug: Jessica brauchte gar keine Einlagen. Dies stellte ihr Orthopäde fest. Monique Hitz ärgert sich über den Einlagentechniker: «Er will mit den Sorgen der Eltern Geld machen.» Sie schickte ihm die Sohlen zurück. Doch Blättler bleibt hart. Er droht, eine Betreibung einzuleiten.
saldo konfrontierte Ernst Blättler mit der Kritik. «Ich habe das Mädchen eine Stunde untersucht», sagt er. Dabei habe er die Methoden der Orthostatik angewandt. «Die Untersuchung enthält eine elektronische Analyse im Stehen und Gehen, barfuss sowie in Schuhen. Hinzu kommt eine Messung der Körperstatik von Fuss bis Kopf», sagt Blättler. Jessicas Muskeln, die den Körper aufrichten, seien schwach gewesen. «Daraus folgte eine Fehlstatik.» Über die Messergebnisse sowie über Funktion und Wert der Korrektur habe er der Kundin schriftliche Informationen gegeben.
Den Preis von fast 500 Franken für die Sohlen habe er nach den Richtlinien des Orthopädie-Techniker-Verbandes abgerechnet.
So wissen Sie, ob Einlagen nötig sind
- Lassen Sie von einem Arzt prüfen, ob Ihr Kind Einlagen braucht. Sie sind meist nur bei Schmerzen oder starken Fehlstellungen der Füsse nötig.
- Kaufen Sie nur Einlagen, die der Arzt verschrieben hat.
- Verwechseln sie einen Orthopädie-Techniker nicht mit einem Arzt (Orthopäde). Das Schild «Orthopädie» an einem Laden weist auf ein Fachgeschäft hin, nicht auf eine Arztpraxis.