Sunrise: Unzufriedene Kunden, unzufriedene Mitarbeiter
Das Telekomunternehmen Sunrise ist in Sachen Reklamationen spitze. So die Erfahrungen der saldo-Rechtsberater. Die Sunrise-Mitarbeiter sind überzeugt: Es wird am falschen Ort gespart.
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saldo 06/2013
03.04.2013
Mirjam Fonti
Der saldo-Rechtsberatungsleiter Stephan Heiniger sagt: «Wir erhalten seit dem letzten Jahr klar am meisten Reklamationen zu Sunrise.» Die Unzufriedenheit der Kunden hat Sunrise aber finanziell offenbar nicht geschadet: Dem Unternehmen geht es nach eigenen Angaben so gut wie noch nie. Letztes Jahr betrug der Gewinn vor Steuern 631,1 Millionen Franken.
Sunrise-Chef Libor Voncina weiss um den Handlungsbedarf. In einer internen Mitteilung an die Mitarbeiter schrieb er: &laq...
Der saldo-Rechtsberatungsleiter Stephan Heiniger sagt: «Wir erhalten seit dem letzten Jahr klar am meisten Reklamationen zu Sunrise.» Die Unzufriedenheit der Kunden hat Sunrise aber finanziell offenbar nicht geschadet: Dem Unternehmen geht es nach eigenen Angaben so gut wie noch nie. Letztes Jahr betrug der Gewinn vor Steuern 631,1 Millionen Franken.
Sunrise-Chef Libor Voncina weiss um den Handlungsbedarf. In einer internen Mitteilung an die Mitarbeiter schrieb er: «Unsere selbstgesetzten Ziele, insbesondere im Bereich der Kundenzufriedenheit, haben wir nicht erreicht.»
Das verärgert viele Sunrise-Angestellte, mit denen saldo sprach. Sie sind überzeugt: Die Kundenzufriedenheit lässt sich nicht verbessern – egal wie stark sie sich Mühe geben. Denn Sunrise spare am falschen Ort. Beispiele:
- Sunrise gibt an, 80 Prozent der Hotline-Anrufe würden von externen Callcentern in der Schweiz, Deutschland, Österreich und Rumänien bearbeitet. Die Angestellten im Ausland verstehen oft kein Schweizerdeutsch und sind schlecht informiert. Laut Sunrise-Sprecher Tobias Kistner werden sie geschult. Man erwarte von den Mitarbeitern der Partner im Ausland, dass sie Schweizerdeutsch verstehen. Beratungsintensive Themen würden von der Schweiz aus bearbeitet.
- Die internen Regeln verunmöglichen oft eine schnelle Abwicklung der Kundenanliegen. Der Support ist so organisiert, dass Kunden immer zuerst mit sogenannten First-Level-Agenten verbunden werden. Seit Anfang 2012 dürfen diese bei Unklarheiten nicht mehr bei den Spezialisten im Haus rückfragen. Erst wenn ein Kunde innert 14 Tagen mehr als einmal anruft, gelangt sein Anliegen ans Expertenteam. Dieses ist jedoch überlastet. Sunrise begründet das Vorgehen damit, dass Kunden mit komplexen Anliegen Hilfe von ausgewiesenen Experten erhalten sollen.
- Den First-Level-Agenten fehlen Berechtigungen. Ruft etwa eine Person an, deren Abo Sunrise gesperrt hat, können sie die Rechnung kontrollieren, nicht aber das Abo reaktivieren. Es ist ihnen auch nicht erlaubt, die Kunden auf ein günstigeres Abo wechseln zu lassen oder eine Bestellung zu annullieren. Es gibt kaum Spielraum für kulante Angebote. Kistner sagt dazu, First-Level-Agenten hätten genügend Berechtigungen, um 90 Prozent der Kundenanliegen direkt zu lösen.
- Zu kämpfen haben die Mitarbeiter auch damit, dass sie gegenüber den Kunden immer wieder kundenfeindliche Änderungen rechtfertigen müssen. Etwa die neue Gebühr für eine Papierrechnung von 2 Franken (saldo 1/13), die Umstellung der Abrechnung auf Minutentakt oder die Temporeduktion beim mobilen Internet, sobald mehr als 300 MB pro Tag verbraucht werden. Hinzu kommt, dass Sunrise laut Tests des Telekommunikationsmagazins «connect» über das schlechteste Netz in der Schweiz verfügt.
Kaum Verbesserungen – ausser der Musikauswahl in der Warteschlaufe
Sunrise sagt, man investiere viel in den Kundendienst. Konkrete Zahlen gibt das Unternehmen nicht bekannt. Das Budget für den Kundendienst umfasse aber einen hohen zweistelligen Millionenbetrag.
Sunrise-Angestellte kritisieren zudem, dass ihre Änderungsvorschläge regelmässig versanden. Ausnahme: «Die Musik in der Warteschlaufe wurde geändert. Kunden hören nun verschiedene Lieder statt immer die gleiche Melodie. Damit will man erreichen, dass dem Kunden die Wartezeit nicht mehr so lange vorkommt», so eine Hotline-Mitarbeiterin zu saldo.
Beratung: «Kunden wollen eine schnelle Lösung ihres Problems»
saldo: Was macht einen guten Kundendienst aus?
Bartholomäus Wissmath: Kunden wollen keine Standardantworten, sondern die schnelle Lösung ihres Problems. Ein Kundendienst ist gut, wenn der Kunde mehr bekommt, als er erwartet. Darum ist es wichtig, dass Mitarbeiter einen Entscheidungsspielraum haben.
Wie wichtig sind zufriedene Angestellte?
Sehr wichtig. Werden die Angestellten nicht gut behandelt, ist ein guter Kundendienst schwierig, weil die Verbundenheit mit dem Unternehmen fehlt. Das Gleiche gilt, wenn Kundendienstaufgaben an externe Firmen delegiert werden.
Was wirkt sich negativ auf den Kundendienst aus?
Der Kundendienst ist chancenlos, wenn das Produkt nicht gut ist. In Branchen, in denen eine Konkurrenzsituation herrscht, wandern Kunden früher oder später einfach ab. Schwierig ist es auch, wenn die Distanz zwischen dem Management und der Basis zu gross ist. Wenn Manager die Probleme nicht erkennen, wird sich nichts ändern.
Bartholomäus Wissmath, Scians GmbH, Bern, berät Unternehmen im Bereich Kundenzufriedenheit und arbeitet am Institut für Psychologie der Uni Bern