Spitäler: Geld sparen mit Einzelzimmern für alle
Studien zeigen, dass Spitäler mit Einzelzimmern günstiger fahren und das Infektionsrisiko sinkt. Das Kantonsspital Winterthur prüft, ob es auch für Grundversicherte auf Einzelzimmer setzen soll.
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saldo 06/2011
27.03.2011
Letzte Aktualisierung:
29.03.2011
Thomas Lattmann
Heute gilt es nicht mehr als adäquat, Spitäler mit Mehrbettzimmern zu bauen. Man braucht nur noch Einzelzimmer», sagte kürzlich Thomas Zeltner, früherer Direktor des Bundesamtes für Gesundheit.
Laut Zeltner kostet der Bau eines Spitals mit Einzelzimmern zwar 10 Prozent mehr, aber der Betrieb sei dann deutlich billiger. Denn die Zimmerauslastung steigt, die Patiententransporte verringern sich, das Ansteckungsrisiko sinkt, Angehörige halten sich m...
Heute gilt es nicht mehr als adäquat, Spitäler mit Mehrbettzimmern zu bauen. Man braucht nur noch Einzelzimmer», sagte kürzlich Thomas Zeltner, früherer Direktor des Bundesamtes für Gesundheit.
Laut Zeltner kostet der Bau eines Spitals mit Einzelzimmern zwar 10 Prozent mehr, aber der Betrieb sei dann deutlich billiger. Denn die Zimmerauslastung steigt, die Patiententransporte verringern sich, das Ansteckungsrisiko sinkt, Angehörige halten sich mehr im Zimmer auf und können so das Pflegepersonal entlasten.
In Schweizer Akutspitälern müssen Allgemeinpatienten bisher meist mit Drei- oder Vierbettzimmern vorliebnehmen, halbprivat Versicherte liegen in Zweierzimmern und privat Versicherte in Einerzimmern.
Zeltner beruft sich bei seinen Behauptungen auf Erfahrungen, die in den USA gemacht wurden. Dort gehören Einzelzimmer in Akutspitälern zum Standard.
Auch eine Sammelstudie der kanadischen Simon-Fraser-Universität in Vancouver von 2005 stellte tiefere Betriebskosten für Einzelzimmer fest, kürzere Spitalaufenthalte, weniger Falschmedikationen, reduzierte Infektionsraten, mehr Privatsphäre und weniger Stress für die Patienten. Als nachteilig beurteilen die Autoren Einsamkeitsgefühle der Patienten wegen fehlender sozialer Kontakte.
Holland hat jetzt schon ein erfolgreiches Einbettzimmer-Spital
Auch in Europa setzen einige Spitäler voll auf Einzelzimmer. Seit Frühling 2009 existiert in der holländischen Stadt Sittard das hochmoderne Orbis Medical Centre. Die Betreiber bemühen sich, dieses Zentrum rund 10 Prozent günstiger zu führen als andere Spitäler.
Ein Mittel, um Kosten zu sparen, ist ein konsequentes Einbettzimmer-System. Ein langjähriger Befürworter von Einerzimmern für alle Spitalpatienten ist Werner Widmer, Vorsitzender der Spitalkommission Zollikerberg ZH.
Er machte sich schon vor sieben Jahren beim Neubau des Zürcher Stadtspitals Triemli für Einerzimmer stark – fand aber kein Gehör. Der Ökonom ist überzeugt, dass die bessere Auslastung von Einzelzimmern die höheren Investitionen bei weitem aufwiegt.
Eine Differenzierung zwischen Grund- und Zusatzversicherten erfolge besser über Grösse und Ausbaustandard der Zimmer, sagt Widmer. Zudem werde die Generation der heute 20- bis 50-Jährigen die zurzeit geplanten Spitäler nutzen.
Diese Leute würden Mehrbettzimmer aber nur noch aus dem Militärdienst oder von SAC-Hütten her kennen. «Es ist nicht kundenfreundlich und hemmt die Genesung, diese Patienten mit wildfremden Menschen in ein Zimmer zu stecken.»
Das Kantonsspital Winterthur könnte als erstes öffentliches Krankenhaus in der Schweiz Einzelzimmer für alle Patienten einführen. In den kommenden Jahren ersetzt das Spital ein veraltetes Hochhaus durch einen rund 200 Millionen Franken teuren Neubau.
Laut Gesamtprojektleiter Thomas Stegmaier von der Planergemeinschaft Rapp Arcoplan diskutiert zurzeit eine Arbeitsgruppe, ob man in den neuen Trakt ausschliesslich Einzelzimmer einbauen soll.
Kanton Zürich steht dem Projekt skeptisch gegenüber
Beim Kanton Zürich, der den Winterthurer Spitalneubau finanziert, ist man gegenüber einem reinen Einzelzimmersystem skeptisch. Christoph Franck, Leiter Planung und Investitionen Gesundheitsdirektion, sieht neben Vorteilen auch Nachteile: etwa zusätzliche Investitionskosten für mehr Nasszellen, grösserer Reinigungsaufwand und schlechtere Übersicht für das Personal.
Zudem bezweifelt er, dass Infektionen vorwiegend von Patient zu Patient übertragen werden. Oft laufe der Übertragungsweg auch über das Spitalpersonal, was Einzelzimmer nicht verhindern könnten.