Vor den drei Richtern des Kreisgerichts in Rorschach SG stehen sich die Anwälte der beiden Parteien gegenüber. Die Betroffenen selbst sind nicht erschienen. Kläger ist ein Architekturprofessor aus Wien. Er klagt gegen ein Rorschacher Unternehmen. Dieses schulde ihm für den Vorentwurf einer Klinik für Reproduktionsmedizin in Palma de Mallorca ein Honorar von total Fr. 81 881.80.
Sein Anwalt begründet die Forderung: Am 19. April 2011 habe der Architekturprofessor vom Verwaltungsratspräsidenten des Rorschacher Unternehmens telefonisch den Auftrag erhalten, einen Vorentwurf für den Bau der Klinik zu machen. In der Folge habe sein Mandant mit der Planung begonnen und diese auch teilweise fertiggestellt.
Verwaltungsratpräsident auch Geschäftsführer einer anderen Firma
Der Anwalt der Rorschacher Firma widerspricht. Den Auftrag an den Architekten habe nicht sie, sondern ihre Tochterfirma mit Sitz in Palma erteilt. Zufälligerweise sei der Verwaltungsratspräsident der Rorschacher Firma damals auch Geschäftsführer der Tochter in Palma gewesen. Und in dieser Funktion habe er auch den Auftrag erteilt. Der Architekt habe die Rechnung an die falsche Adresse geschickt.
Der Anwalt der beklagten Firma spricht immer schneller, bis ihn die Gerichtsschreiberin bittet, etwas langsamer zu reden: «Die Geschichte ist ja kompliziert genug.» Er nickt verständnisvoll und fährt fort: Mit einem E-Mail habe sich der Professor im August 2011 beim damaligen VR-Präsidenten in Rorschach erkundigt, wohin er die erste Teilrechnung schicken soll. Dieser habe ihm am gleichen Tag geantwortet: «An das Unternehmen in Palma.» Das zeige klar, dass die Firma in Rorschach den Auftrag nicht erteilt habe.
Dazu komme: Geschäftsleitung und Verwaltungsrat des Rorschacher Unternehmens hätten ihrem damaligen VR-Präsidenten bereits im April 2011 mitgeteilt, dass der Entscheid, dem Professor einen Auftrag zu erteilen, zurückgezogen werde. «Trotzdem arbeitete der VR-Präsident mit dem Kläger weiter», rügt der Anwalt der beklagten Firma.
«Der Ex-VR-Präsident wollte sich der Forderung entledigen»
Im April 2012 schliesslich übernahm der VR-Präsident des Rorschacher Unternehmens die Tochtergesellschaft in Palma persönlich. Kurz darauf schied er aus der Muttergesellschaft aus.
Laut dem Anwalt der Rorschacher Beklagten stellte der Architekt die Rechnung rund ein halbes Jahr, nachdem dieser Wechsel im Verwaltungsrat stattgefunden hatte. Es sei zwar richtig, dass der ausgeschiedene VR-Präsident dem Architekten mitgeteilt habe, dass Rorschach für die Rechnung zuständig sei. «Doch zu diesem Zeitpunkt war er bereits aus dem Verwaltungsrat der Rorschacher Firma ausgeschieden und Inhaber des Unternehmens in Palma.» Dies lasse nur einen Schluss zu: «Der ehemalige VR-Präsident hat sich der Forderung des Klägers gegenüber seiner Firma in Palma entledigen wollen.»
«Aus E-Mail-Verkehr geht der Auftraggeber klar hervor»
Die Richter sehen das gleich und geben dem Anwalt des beklagten Rorschacher Unternehmens recht: Dieses sei nicht Vertragspartner des Architekten gewesen. Die Firma in Rorschach habe keinen Auftrag für die Klinik in Palma erteilt. Aus dem E-Mail-Verkehr gehe klar hervor, dass der Auftraggeber stets als Direktor des spanischen Unternehmens geschrieben habe – und nicht als VR-Präsident der St. Galler Firma.
Der Wiener Architekturprofessor muss die Gerichtskosten von 4000 Franken übernehmen und darüber hinaus dem beklagten St. Galler Unternehmen eine Prozessentschädigung von Fr. 12 136.85 zahlen – und das nur deshalb, weil er nicht rechtzeitig genau abgeklärt hatte, für wen der Verwaltungsrat sprach, der ihm den mündlichen Planungsauftrag erteilt hatte.
Prozessieren
Im Zweifel beide möglichen Schuldner einklagen
Wer die falsche Partei einklagt, verliert immer – selbst wenn die Forderung an sich berechtigt ist. Denn die Gerichte prüfen nur, ob die eingeklagte Partei dem Kläger etwas schuldet. Entsprechend gilt ein Urteil jeweils nur für die am Verfahren beteiligten Parteien. Auf andere hat das Urteil keine Auswirkungen.
Das hat Folgen: Klagt jemand wie im beschrie-benen Fall in Rorschach gegen ein Schweizer Unternehmen und kommt das Gericht zum Schluss, dass eigentlich die Tochterfirma in Mallorca das Geld schuldet, hat das schweizerische Urteil auf die spanische Firma keine Auswirkungen. Der Architekt müsste in Palma nochmals klagen. Dabei wäre es möglich, dass das Gericht in Mallorca zu einem andern Ergebnis kommt als das in Rorschach und die Mutterfirma für zahlungspflichtig hält. In solchen Fällen hilft nur: Möglichst beide Parteien am gleichen Gericht einklagen – mit einer Entweder-oder-Klage.