Radio- und TV-Gebühren / Die Billag schlägt zurück
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saldo 19/2000
22.11.2000
Das Bundesamt für Kommunikation geht neuerdings gegen vermeintliche Konzessionssünder vor. Treibende Kraft ist die Billag.
Die Schweizerische Inkassostelle für Radio- und TV-Gebühren (Billag) sorgt weiterhin für Unruhe. Dieses Jahr wurden Tausende von Schweizern wegen Nichtbezahlung der Konzessionsgebühr betrieben, Zehntausende erhielten eine zweite Mahnung (saldo 17/00). Oft zu Unrecht, denn die Firma hatte riesige EDV-Probleme. Jetzt folgt der zweite Streich: Die Billag ve...
Das Bundesamt für Kommunikation geht neuerdings gegen vermeintliche Konzessionssünder vor. Treibende Kraft ist die Billag.
Die Schweizerische Inkassostelle für Radio- und TV-Gebühren (Billag) sorgt weiterhin für Unruhe. Dieses Jahr wurden Tausende von Schweizern wegen Nichtbezahlung der Konzessionsgebühr betrieben, Zehntausende erhielten eine zweite Mahnung (saldo 17/00). Oft zu Unrecht, denn die Firma hatte riesige EDV-Probleme. Jetzt folgt der zweite Streich: Die Billag verpfeift ihre Kunden beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom), das jetzt Bussen wegen Verstosses gegen das Radio- und Fernsehgesetz verschickt. Dabei kommt es immer wieder vor, dass die Bussen ungerechtfertigt oder zumindest fragwürdig sind.
200 Franken Busse für eine verspätete Anmeldung
Susanne Strebel und Hans Meier (Namen geändert) hatten nach langer Suche endlich eine Wohnung gefunden. Anfang Juni bezogen sie ihr neues Heim, das sie im Verlauf der nächsten Wochen einrichteten. Weil die Zeit zum Fernsehen fehlte, stellten sie das Gerät samt Verpackung in den Keller. Anfang Juli holte das junge Paar den TV-Apparat in die Wohnung und schloss ihn ans Kabelnetz an.
Am 18. Juli meldeten sie sich bei der Billag an. Doch eine Rechnung für die Konzessionsgebühren erhielten die beiden bis heute nicht. Dafür kam am 3. November 2000 per Einschreiben Post vom Bakom: "Mit Ihrer Anmeldung vom 18. Juli 2000, welche uns die Billag zugestellt hat, ist offensichtlich, dass Sie vom 1. Juli 2000 bis und mit 17. Juli 2000 ein Radio- und Fernsehempfangsgerät zum Betrieb vorbereitet oder betrieben haben, ohne dies vorgängig der Behörde gemeldet zu haben", hiess es im Schreiben. Die Konsequenz: 200 Franken Busse plus 10 Franken Gebühr wegen "Widerhandlung gegen Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe 1 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG)". In besonderen Fällen werden Fehlbare mit bis zu 5000 Franken gebüsst.
Susanne Strebel und Hans Meier sind perplex. Weil sie sich bei der Billag nicht bereits vor dem Anschliessen der TV- und Radiogeräte angemeldet hatten, wurde ihre verspätete Anmeldung ans Bakom weitergeleitet. Hans Meier: "Das Ganze war ein Versehen. Wir wussten nicht, dass man sich bei der Billag anmelden muss, bevor die Geräte in Betrieb genommen werden. Und jetzt sollen wir 200 Franken Busse für einen Zeitraum von etwas mehr als 14 Tagen bezahlen? Das ist unverhältnismässig."
Daniel Büttler, Sektionschef Markt und Recht beim Bakom, pocht aufs Gesetz: "Wer Radio- und Fernsehprogramme empfangen will, muss dies der zuständigen Behörde vorgängig melden. Dies ist klar im Bundesgesetz über Radio und Fernsehen, Art. 55, Empfangsgebühren, festgehalten." Es sei nicht so, dass die Billag Leute anzeige, die ihrer Meldepflicht rechtzeitig nachgekommen sind.
Notfalls sucht die Billag nachts nach Gebührensündern
"Bevor das Bakom einschreitet, muss die Billag schon mehrere Male versucht haben, die Kunden zu akquirieren. Erst wenn die schriftliche, telefonische oder persönliche Kontaktnahme mit einem neuen Kunden erfolglos war und ersichtlich ist, dass eine Konzessionsverletzung vorliegt, werden wir eingeschaltet", behauptet Büttler. Susanne Strebel und Hans Meier haben eine andere Erfahrung gemacht: "Es stimmt nicht, dass die Billag je mit uns Kontakt aufgenommen hat."
Wer in der Schweiz Fernseh- oder Radioprogramme empfangen will, muss Gebühren zahlen. Das sind rund 2,75 Millionen Haushalte mit einem Gebührenvolumen von rund 1,2 Milliarden Franken. Die Billag vermutet, dass in der Schweiz rund 300 000 Haushalte nicht angemeldet sind. Hier will man den Hebel ansetzen: Notfalls schleichen die Kontrolleure der Billag des Nachts um die Häuser, um auf Grund des blau flimmernden TV-Lichts Sünder zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen.
saldo wollte von der Billag wissen, ob jetzt mit einer neuen Welle von Verzeigungen gerechnet werden muss. Doch Pressesprecher Bernhard Marchand gibt sich zugeknöpft: "Wir möchten über die neusten Pläne und Zahlen keine Auskunft geben", meint er kurz. Es sei ihre Pflicht, Unregelmässigkeiten bei der Anmeldung dem Bakom weiterzugeben.
Nach Reklamation Busse um die Hälfte gekürzt
Im letzten Jahr leitete das Bakom 3598 Verfahren ein, 2409 endeten in einem Strafbescheid. Und in diesem Jahr wurden bis Ende September 1508 neue Verfahren eröffnet. 1818, darunter viele aus dem Vorjahr, konnten abgeschlossen werden. In 1598 Fällen kam das abgekürzte Verfahren zur Anwendung (Busse ohne Gebühren).
Für Susanne Strebel und Hans Meier hat es sich gelohnt, dass sie sich zur Wehr setzten. Einige Tage nach dem ersten Strafbescheid reduzierte das Bakom die Busse um 100 Franken. Begründung: Eine böswillige Nichtbeachtung des Gesetzes könne nicht nachgewiesen werden.
Susanne Strebel und Hans Meier sind um eine Erfahrung reicher, vor allem was den Verkehr mit der Billag betrifft. Das haben sie mit andern verärgerten Schweizern gemeinsam.
Max Fässler