Per Mausklick aus der persönlichen Krise
Ob Angst, Depression oder Essstörung: Psychotherapien via Internet wirken vor allem bei leichten Störungen. Doch nicht alle Methoden helfen gleich gut.
Inhalt
saldo 02/2013
06.02.2013
Gabriela Braun
Sie sitzt daheim, den Laptop auf dem Tisch. 30 Minuten schon schreibt Marion über ihre Gefühle, ihre Essanfälle und die verfahrene Situation daheim und in der Schule. «Niemand versteht mich», berichtet die 18-Jährige per E-Mail dem Therapeuten. «Am allerwenigsten ich mich selbst.»
Die junge Frau will sich endlich ihren Problemen stellen. Nun macht sie eine Psychotherapie übers Internet – anonym, von ihrem Zimmer aus. «An...
Sie sitzt daheim, den Laptop auf dem Tisch. 30 Minuten schon schreibt Marion über ihre Gefühle, ihre Essanfälle und die verfahrene Situation daheim und in der Schule. «Niemand versteht mich», berichtet die 18-Jährige per E-Mail dem Therapeuten. «Am allerwenigsten ich mich selbst.»
Die junge Frau will sich endlich ihren Problemen stellen. Nun macht sie eine Psychotherapie übers Internet – anonym, von ihrem Zimmer aus. «Anders hätte ich es nicht geschafft.»
Marion ist kein Einzelfall. Das zeigt die Zunahme an Online-Angeboten. Die Patienten gehen nicht in eine Praxis, sondern machen eine Internettherapie. Der Vorteil: Der Kontakt zwischen Therapeut und Patient findet am Feierabend statt – und der Patient bleibt anonym, sofern er das wünscht.
Anonymität des Internets wirkt sich positiv aus
Der Berner Psychologe Herbert Kubat bietet zusammen mit Fachkollegen seit drei Jahren psychologische Beratungen über das Internet an. Die Patienten zahlen im Voraus per Kreditkarte und füllen einen Fragebogen aus. Kubats Erfahrungen sind positiv. Häufig gäben Patienten per E-Mail gar mehr Informationen preis als im persönlichen Gespräch. «Kommt hinzu, dass sie beim Schreiben ihre Gedanken ordnen.»
Psychologe Thomas Berger von der Uni Bern hat sich auf Online-Therapien spezialisiert. Für ihn wirken Internettherapien bei leichten psychischen Störungen genauso gut wie Therapien in der Praxis. Das bestätigt Rolf-Dieter Stieglitz, leitender Psychologe an den Psychiatrischen Kliniken Basel. Therapien übers Internet wirken bei leichten Depressionen, sozialen Phobien, Angststörungen oder traumatischen Erlebnissen.
Krankenkassen beteiligen sich nicht an den Kosten
Ungeeignet sind solche Therapien bei schweren psychischen Krankheiten, akuten Krisen, Selbstmordgedanken, Schizophrenie, schweren Depressionen, Alkohol- und Drogenmissbrauch oder starken Essstörungen. Erika Toman vom Zentrum für Essstörungen und Adipositas in Zürich: «Bei schwereren Essstörungen braucht es intensivere Unterstützung beim Therapeuten.»
Entscheidend ist auch, um welche Art von Internettherapie es sich handelt. Es gibt verschiedene Methoden:
- Patient und Therapeut schreiben sich E-Mails, kommunizieren per Video oder tauschen sich in einem Chat-Raum aus.
- Der Patient beantwortet im Internet während zweier Monate Fragen eines speziellen Programms, das auf seine Krankheit zugeschnitten ist. Ein Therapeut gibt ihm telefonisch oder per E-Mail Rückmeldungen.
- Der Patient beantwortet Fragen des Programms ohne Therapeuten.
Am besten schneiden begleitete Internettherapien ab (siehe Tabelle). Besonders bei Angststörungen ist die Erfolgsquote gut. Rund sechs von zehn Patienten gelten nach einer solchen Therapie als geheilt. Das zeigen europäische Meta-Analysen. Dabei untersuchten Forscher zahlreiche Studien zur Wirksamkeit internetbasierter Therapien.
Allerdings hat das System Schwachpunkte: So verlangen viele elektronische Programme eine Diagnose – doch diese stellt ein Psychologe lediglich aufgrund eines telefonischen Gesprächs oder nach Auswertung eines Fragebogens.
Rolf-Dieter Stieglitz befürchtet, dass Diagnosen häufig zu wenig differenziert ausfallen: «Angst zum Beispiel tritt nicht als eigene Störung auf, sondern kann bei einer Vielzahl von Störungen auftreten.»
Ebenfalls schwer einzuschätzen ist für Patienten, welche Therapien seriös sind. Empfehlenswert sind nur Therapeuten, die transparent machen, wer sie sind (siehe Kasten). Wichtig: Die Krankenkassen beteiligen sich nicht an den Kosten von Internettherapien.
Tipps: Darauf sollten Sie achten
Seriöse Therapeuten:
- geben Zeitrahmen, Kosten und Zahlungsmodus an;
- informieren Sie über ihre Ausbildung und geben eine Adresse an;
- bieten passwortgeschützten E-Mail-Verkehr an;
- sagen, dass Internetberatung bei akuten Krisen ungeeignet ist;
- nennen eine Notnummer, falls eine seelische Krise eintritt.
Weitere Informationen und Adressen: