Der Sitz von Swisscom Re befindet sich 750 Meter hinter der Schweizer Grenze in Vaduz. Briefe werden von ­einem liechtensteinischen Treuhänder in Empfang genommen. Im selben Gebäude sind Firmen registriert, die Namen tragen wie Allied Finance Trust, Royal Crown Anstalt oder Orthinvest. 

Swisscom Re ist die konzerninterne Rückversicherung des Swisscom-Konzerns. Viele Schweizer Unternehmen unterhalten solche Tochterfirmen in Steuerparadiesen. Roche etwa auf den Bermudas, die Swatch Group in Luxemburg oder Alpiq auf der englischen Kanalinsel Guernsey. 

Auch die schweizerische Post und die SBB, beide zu 100 Prozent im Besitz der Eidgenossenschaft, unterhalten solche Konstrukte: Die SBB gründeten 2002 in Liechtenstein die SBB Insurance AG. Die Post folgte 2008 mit der Swiss Post Insurance AG. Swisscom, die heute noch zu 51 Prozent dem Bund gehört, ist bereits seit 1998 vor Ort. Zweck der Sache: Die Bundesunter­nehmen wollten die Gewinnsteuern der Schweiz umgehen. 

Die Gründung der Gesellschaften sorgte damals für Kritik. Bundesrat Pascal Couchepin nannte das Vorgehen der SBB «gefährlich». Zu weit könnten die SBB nicht gehen, sonst würden sie das Vertrauen von Parlament und Volk verlieren, sagte er in einem Interview. Finanzminister Kaspar Villiger meinte, die Gründung der Swisscom-Tochter in Liechtenstein hätte ein «Gschmäckli». «Das war legal. Aber es war nicht hochelegant und hat mich verärgert», sagte er 2001 dem ­«Tages-Anzeiger».

Laut Bundesrat pro Jahr bis 10 Millionen Franken Steuern gespart 

Laut Antwort des Bundesrats auf eine parlamentarische Anfrage zahlte Swisscom dank dem Konstrukt pro Jahr rund 5 bis 10 Millionen Franken weniger Steuern. Das heisst: Swisscom sparte zwischen 1998 und 2010 mit der liechtensteinischen Tochter zwischen 65 und 130 Millionen Franken Steuern. Swisscom sagt, die tatsächlich erzielte Steuereinsparung in dieser Periode liege «deutlich» unter 65 Millionen Franken. Eine Summe nennt sie jedoch nicht.

Nach dem Beitritt Liechtensteins zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR geriet die Steuerdumpingpolitik des Fürstentums unter die Räder. Die EWR-Überwachungsbehörde urteilte am 24. März 2010, dass die enorm tiefen Steuersätze für Rückversicherungsgesellschaften gegen den EWR-Vertrag verstossen. Sie verdonnerte Liechtenstein unter anderem dazu, den Profiteuren des Steuerdumpings Steuernachforderungen zuzustellen. 

In Liechtenstein fordert die Finanzaufsicht weniger Transparenz

Die Swisscom focht das Urteil an – erfolglos: Sie musste 2010 erhebliche Steuernachzahlungen leisten. Wie hoch die Summe war, sagt die Swisscom nicht. Die liechtensteinische SBB-Tochter habe 320 408 Franken nach­zahlen müssen, sagen die SBB. Laut Angaben der Post hat ihre Rückversicherungsgesellschaft nichts nachzahlen müssen, da sie keine Gewinne ausgewiesen habe.

Liechtenstein erhöhte ab 2011 aufgrund des Urteils die Steuersätze für solche Unternehmen. Deshalb sagen Swisscom, Post und SBB, dass sie heute in Liechtenstein keine Steuern mehr sparen würden. Die Steuersätze seien nun fast gleich hoch wie in der Schweiz. Deshalb seien liechtensteinische Konzerntöchter völlig unproblematisch. 

Das stimmt nicht ganz: Im Vergleich zu Zug oder Zürich ergibt sich heute noch eine Steuerersparnis. Die Swisscom sagt, in Kantonen wie Nidwalden sei der ­Steuerfuss gleich hoch wie in Liechtenstein. Post und SBB argumentieren ähnlich. 

Von Nutzen ist den Unternehmen zudem die Intransparenz, die das Fürstentum ermöglicht. In der Schweiz würde die Finanzmarktaufsicht detaillierte Zahlen zu den Konstrukten offenlegen. Liechtenstein macht das nicht. In den Geschäftsberichten der drei staats­nahen Unternehmen werden die liechtensteinischen Töchter bestmöglich verschwiegen. Sie tauchen nur im Beteiligungsverzeichnis des Finanzberichts auf. 

Swisscom und Post legen auch auf Nachfrage von ­saldo keine Zahlen offen. ­Bekannt ist nur das Grundkapital. Die Swisscom Re ist mit 5 Millionen Franken dotiert, die Swiss Post Insurance mit 30 Millionen Franken. In Zug oder Zürich müssten die Swisscom und die Post dieses Grundkapital sowie zusätzliche Reserven ver­steuern – in Liechtenstein nicht. 

SBB Insurance AG zahlt weder Gewinn- noch Kapitalsteuer 

Die SBB liefern saldo die Eckdaten der liechtensteinischen Gesellschaft. Die SBB Insurance AG kassierte 2014 von den SBB Nettoprämien in Höhe von 17,5 Millionen Franken und erwirtschaftete damit einen Gewinn von 940 000 Franken. Dieser Gewinn wurde den Schwankungsreserven zugeschlagen, die nun 6,6 Millionen Franken betragen. Dazu kommen Gewinn­reserven von 31,4 Millionen und Rückstellungen von 23,9 Millionen Franken. Das Grundkapital beträgt 12,5 Millionen Franken. 

Insgesamt bunkern folglich allein die SBB 74,4 Millionen Franken in Liechtenstein. Kapitalsteuern kennt das Ländle nicht. Und da die SBB-Gesellschaft keinen Gewinn ausweisen, sind die Millionen steuerfrei. Die liechtensteinische Steuerverwaltung verlangt lediglich eine Mindeststeuer von 1200 Franken. 

Die drei Unternehmen sagen, es gebe keine steuerlichen Gründe für den liechtensteinischen Sitz der Töchter. Die Post sagt, dass sie bis 2011 als Bundesanstalt steuerbefreit gewesen sei, weshalb sie bis dahin gar keine Steuern hätte sparen können. Alle drei Firmen begründen die Ansiedlung mit der EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins. So könne man Risiken sowohl in der Schweiz wie auch in der EU einfach versichern. Nur: Dies wäre auch mit einem Schweizer Sitz möglich, wie die Rückversicherungen von Nestlé oder Liebherr beweisen. 

Praktisch ist für die staatsnahen Betriebe zudem: In Liechtenstein können sie sich teilweise selbst überwachen. So wird das Geschäft der Swisscom Re durch den Treuhänder Bernhard Lampert betreut. Er sitzt laut Handelsregister zugleich im Verwaltungsrat der Swisscom Re und der liechtensteinischen Finanzmarktaufsicht. Und diese soll etwa verhindern, dass die Swisscom-Tochter als Versicherungsprämien getarnte Gewinne nach Liechtenstein verschiebt.