Knie-Arthrose: Bewegung ist die beste Therapie
Viele greifen bei Arthroseschmerzen im Knie zu schnell zu Schmerzmitteln. Dabei helfen andere Massnahmen oft besser.
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saldo 04/2013
06.03.2013
Andreas Grote
Plötzlich schmerzt das Knie häufiger. Zudem sind die Bewegungen nach dem Aufstehen steif – bei diesen Symptomen lautet die Diagnose häufig Arthrose (siehe Kasten). Traditionellerweise versucht man, die Schmerzen zu behandeln und die Beweglichkeit durch Physiotherapie zu verbessern.
Doch mittlerweile gelten andere Methoden als wirkungsvoller. Im Fokus der Fachleute steht die Bewegung.
Allerdings müssen Betroffene früh ...
Plötzlich schmerzt das Knie häufiger. Zudem sind die Bewegungen nach dem Aufstehen steif – bei diesen Symptomen lautet die Diagnose häufig Arthrose (siehe Kasten). Traditionellerweise versucht man, die Schmerzen zu behandeln und die Beweglichkeit durch Physiotherapie zu verbessern.
Doch mittlerweile gelten andere Methoden als wirkungsvoller. Im Fokus der Fachleute steht die Bewegung.
Allerdings müssen Betroffene früh genug damit anfangen. Das unterstrich vor kurzem erneut eine Studie im Fachblatt «British Medical Journal». Die Forscher hatten den Nutzen der unterschiedlichen Therapien analysiert. Fazit: Bewegung stärkt nicht nur die Muskulatur und stabilisiert das Gelenk. Auch der Verschleiss und damit das Voranschreiten der Arthrose verringern sich, die Schmerzen lassen nach, die Beweglichkeit nimmt zu.
Der Arzt Peter Jüni vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Uni Bern bestätigt: «Es ist wichtig, dass Patienten aktiv bleiben.» Gut geeignet sind Radfahren, Schwimmen und Spaziergänge. Viele Patienten vertragen selbst leichtes Joggen, vorausgesetzt, der Boden ist weich. Jüni: «Patienten spüren ihre persönlichen Grenzen selber, die ihnen der Schmerz steckt.» Für alle, die zu schwer sind, ist auch das Abnehmen eine wirkungsvolle Methode gegen den Arthroseschmerz. Denn Übergewicht belastet die Knorpel zusätzlich.
Bewegung und das Vermeiden von Übergewicht können auch vor Arthrose schützen. Dies bestätigen Untersuchungen des Radiologen Thomas Link von der Universität San Francisco (USA). Er beobachtete über 200 Leute, die unterschiedlich aktiv sind. Alle zwei Jahre untersuchte er anhand von MRT-Aufnahmen den Knorpel im Knie auf Veränderungen. Links Beobachtung: Wer sich moderat bewegt, nutzt seine Knorpel am wenigsten ab. Wer sich hingegen zu wenig bewegt, Übergewicht hatte oder sein Knie beim Sport zu stark abnützte, hatte ein höheres Arthroserisiko. Der Rheumaarzt Thomas Langenegger vom Kantonsspital Zug: «Eine gute Muskulatur und das Vermeiden von starkem Übergewicht schützt vor der Krankheit.»
Oft sind auch Fehlbelastungen der Grund für Arthrose. Thomas Hügle, Arthrose-Forschungsleiter an der Orthopädischen Klinik des Unispitals Basel: «Der korrekte Bewegungsablauf ist bei Knie-Arthrose sehr wichtig.» Versuche der Körper eine Fehlhaltung auszugleichen, entstehe ein zu starker Druck auf das Gelenk. Die Fehlhaltung kann wie bei X- oder O-Beinen angeboren sein oder nach einem Sportunfall entstehen. Für Physiotherapeutin Monika Conus vom Wirbelteam Biel reicht schon eine Warze am Fuss: «Dann beginnen Patienten zu hinken.» Einer Fehlstellung können Patienten abhelfen: mit Einlagen, Gehhilfen oder einer Operation. Fachleute wie Thomas Hügle raten, mit einer Operation nicht zu lange zuzuwarten.
Schmerzmittel bringen hingegen wenig, so Peter Jüni. Noch schlechter sind die Erfolgsaussichten mit Präparaten, die den Knorpel wieder aufbauen sollen. Eines dieser Mittel ist Chondroitin – es ist als Nahrungsergänzungsmittel und somit ohne Rezept erhältlich. Der Wirkstoff Glucosamin ist auch Bestandteil des Knorpelgewebes. Einen Nachweis, dass Glucosamin-Produkte wirken, gibt es bislang nicht.
«Hyaluronsäure hat nur einen minimalen Effekt auf den Knieknorpel»
Nicht viel anders sieht es bei der Hyaluronsäure aus. Der Arzt spritzt sie ins Kniegelenk. Sie soll den angegriffenen Knorpel im Gelenk schmieren, so die Beweglichkeit verbessern und Schmerzen verringern. Jünis Urteil nach Durchsicht der verfügbaren Studien: «Die Säure hat nur einen minimalen Effekt.»
Hugo Schurgast, wissenschaftlicher Leiter bei Burgerstein Vitamine, sagt dennoch, Chondroitinsulfat und Glucosaminsulfat würden Schmerzen lindern und die Beweglichkeit verbessern. Das behauptet auch das Unternehmen A. Vogel Bioforce von seinem Glucosaminpräparat und zitiert eine firmeneigene Studie.
Das IBSA Institut Biochimique in Bern verweist auf eine Studie, die eine Wirkung ihres Präparats Condrosulf belegen soll. Der Hauptautor der Studie erhielt von mehreren Pharmafirmen Beraterhonorare – das hat er beim Veröffentlichen der Studie auch deklariert.
Sanofi Aventis stellt das Hyaluronsäure-Präparat Synvisc her. Auch diese Firma beharrt darauf, dass ihr Medikament Arthroseschmerzen reduziert.
Für Präventionsmediziner Jüni ist klar: Gegen Arthrose helfen keine Wundermittel. Die meisten Patienten könnten die Krankheit mit Bewegung und vorübergehendem Einsatz von Schmerztabletten jedoch gut managen und ihr Voranschreiten verlangsamen. Und wenn alles nichts mehr bringe, könne immer noch eine Knieprothese vor der totalen Unbeweglichkeit schützen.
Knie-Arthrose: So entsteht die Krankheit
Die Ursache für eine Arthrose im Knie ist die abgenützte Knorpelschicht. Der Verschleiss ist vor allem altersbedingt. Zudem spielen Veranlagung, übermässiges Sporttreiben und Übergewicht eine Rolle. Auch Fehlstellungen der Beine oder Verletzungen, etwa ein Riss im Meniskus, nützen Knorpel schneller ab. Bei über 60-Jährigen ist jeder zehnte Mann und fast jede fünfte Frau betroffen. Arthrose gilt als chronische Krankheit.