Das Ferienhaus von saldo-Leserin Eva S. in Tschappina GR hat eine Elektroheizung. Bis 1990 förderte das örtliche Elektrizitätswerk EWZ solche Heizungen, um überschüssigen Atomstrom loszuwerden. Heute ist diese Heizung für die Hausbesitzerin vor allem ein finanzielles Ärgernis.
Wenn Eva S. die Elektroheizung einschaltet, berechnet das EWZ fast immer den Hochtarif. Die Kilowattstunde ist dann 57 Prozent teurer als im Niedertarif. Der gilt nur in der Nacht von 22 Uhr bis 6 Uhr, wenn wenig geheizt werden muss.
Willkürlicher Hochtarif: in St. Gallen bis 19 Uhr, in Luzern bis 22 Uhr
In Tschappina GR berechnet das Elektrizitätswerk den Hochtarif an 365 Tagen im Jahr. Das ist erstaunlich. Denn am Wochenende wird überall weniger Strom verbraucht als unter der Woche. Die geringere Nachfrage führt zu einem tieferen Marktwert des Wochenendstroms: Die Elektrizitätswerke können ihn viel günstiger einkaufen.
Doch nicht alle Elektrizitätswerke tragen dem Rechnung: In den Städten Bern und Luzern gilt der Hochtarif selbst am Sonntag, in der Stadt Zürich am Samstag bis 22 Uhr. Zum Vergleich: Die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke SAK berechnen in ihren 34 Gemeinden den Hochtarif nur an Werktagen bis 19 Uhr.
Folge: Der sonntägliche 24-Stunden-Betrieb eines Elektroöfelis mit 1 Kilowatt Leistung kostet in Tschappina stolze Fr. 6.34. Bei den St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerken SAK sind es mit Fr. 3.12 nur halb so viel.
Kommt dazu: Der teure Hochtarif ist heute nicht mehr gerechtfertigt. Dank Solarenergie gibt es am Tag mehr Strom. Das führt zu tieferen Preisen. In Deutschland erlaubt der Stromversorger RWE seinen Kunden deshalb, die Elektrospeicherheizungen am Mittag zum Niedertarif nachzuladen. Grund: Es gibt dann oft zu viel Strom.
Die Sonnenenergie führt auch in der Schweiz zu günstigeren Preisen: Bis zum Jahr 2012 konnten Stromhändler den Mittagsstrom noch teuer verkaufen. Heute gibt es diese Mittagsspitze nicht mehr. An einem sonnigen Tag ist der Börsenpreis für Strom um 16 Uhr teilweise sogar günstiger als der Nachtstrom. Teuer gehandelt wird die Energie nur noch zwischen 6 und 11 Uhr sowie zwischen 18 und 23 Uhr. Dies zeigen die Schweiz-Preise der europäischen Strombörse Epex Spot.
Energiestiftung fordert eine Überarbeitung der Hochtarifmodelle
Trotzdem berechnen Elektrizitätswerke den Hochtarif weiterhin während 12 bis 16 Stunden pro Tag. «Dank der Solarenergie ist der Tagstrom günstiger geworden. Die Stromversorger müssten ihre Hochtarifmodelle deshalb überarbeiten», sagt Felix Nipkow von der Schweizerischen Energiestiftung. So könnte der Hochtarif nur noch von 6 bis 11 Uhr und von 18 bis 23 Uhr gelten, wobei er im Sommer wegen der starken Sonne günstiger sein müsste.
Thomas Fischer vom Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen bestätigt zwar, dass sich Beschaffungspreise tagsüber und nachts «immer mehr angleichen». Dies habe man den Kunden in Form von Preissenkungen entsprechend weitergegeben. Doch insgesamt seien die Beschaffungspreise für Nachtstrom immer noch tiefer. Auch das EWL Luzern bestätigt gesunkene Beschaffungskosten für Tagesstrom. Trotzdem ist es gegen günstigere Tagestarife. Das könne zu einem Mehrverbrauch führen, den das Netz am Tag kaum bewältigen könne. Andere Werke argumentieren, der meiste Strom werde in ganzen Tagesblöcken gekauft, weshalb ein günstiger Nachmittagstarif nicht möglich sei. Das EWZ erklärt, es beziehe den Strom aus eigenen Werken. Deshalb seien die Kraftwerkkosten relevant, nicht die Börsenpreise.
Die Stromversorger sagen, die Hoch- und Niedertarife basierten nur auf jenen Kosten, welche gesetzlich anrechenbar seien. Allerdings gibt es weder im Gesetz noch in der Verordnung Bestimmungen zum Hoch- und Niedertarif. Die Strommarktaufsicht Elcom prüft die Tarife aufgrund der Jahreskosten.
Hochtarif am Sonntag: Angeblich aus Kundenfreundlichkeit
Selbst den sonntäglichen Hochtarif wollen die Versorger nicht abschaffen: In den Bündner Gemeinden herrsche am Sonntag oft eine grosse Nachfrage, begründet das EWZ. Die BKW sagt, der Hochtarif gelte am Wochenende auch deshalb, weil man die Kunden nicht verwirren wolle. Als ob sich Strombezüger nicht merken könnten, dass am Wochenende der Strom günstiger ist.