Herbalife kann krank machen
Die Nahrungsmittel von Herbalife sollen das Wohlbefinden steigern. Doch mehrere Herbalife-Kunden landeten mit einer Gelbsucht im Spital. Jetzt werden die Behörden endlich aktiv.
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saldo 16/2005
12.10.2005
Letzte Aktualisierung:
24.05.2008
Silvia Baumgartner
Kein Appetit, wiederholtes Erbrechen und Bauchkrämpfe - mit diesen Symptomen fand sich eine 63-jährige Frau in einem Schweizer Spital wieder. Die Ärzte diagnostizierten Gelbsucht, ausgelöst durch Medikamente. Unverzüglich setzten sie die Medikamente ab. Die Frau erholte sich und konnte entlassen werden. Nach drei Monaten verschlechterte sich ihr Zustand wieder. Sie habe keine Medikamente mehr genommen, versicherte sie, sondern nur rein pflanzliche Produkte des US-Unte...
Kein Appetit, wiederholtes Erbrechen und Bauchkrämpfe - mit diesen Symptomen fand sich eine 63-jährige Frau in einem Schweizer Spital wieder. Die Ärzte diagnostizierten Gelbsucht, ausgelöst durch Medikamente. Unverzüglich setzten sie die Medikamente ab. Die Frau erholte sich und konnte entlassen werden. Nach drei Monaten verschlechterte sich ihr Zustand wieder. Sie habe keine Medikamente mehr genommen, versicherte sie, sondern nur rein pflanzliche Produkte des US-Unternehmens Herbalife zur Gewichtskontrolle. Die hatte sie auch schon vor der Spitaleinlieferung eingenommen.
Über diese Krankengeschichte berichtete die Fachzeitschrift «Swiss Medical Forum». Sie ist jedoch kein Einzelfall.
«Seit 1998 insgesamt 12 Fälle von toxischer Hepatitis»
In der Schweiz greifen rund 80 000 Kunden zu Herbalife- Produkten. Nach deren Konsum landeten allerdings einige mit Gelbsucht im Spital. Ein Schweizer Arzt berichtete am 73. Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Innere Medizin von einer ähnlichen Geschichte einer 52-jährigen Frau.
Andrée Meier-Abt, Pflanzenexpertin vom Toxikologischen Zentrum, hat Kenntnis von drei solchen Erkrankungen in den letzten fünf Jahren. Das Erstaunliche: Auch beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind derartige Fälle aktenkundig. Elisabeth Nellen-Regli, Leiterin der Sektion Lebensmittel: «Seit 1998 sind uns insgesamt 12 Fälle von toxischer Hepatitis bekannt. Die Patienten erkrankten, nachdem sie den Mahlzeiten-Shake und eventuell Begleitprodukte von Herbalife zu sich genommen hatten.» Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen, denn es gibt keine ärztliche Meldepflicht bei derartigen Erkrankungen.
Möglichkeit einer allergischen Reaktion
Den Verdacht auf eine unerwünschte Wirkung ihrer Produkte weisen die Herbalife-Verantwortlichen weit von sich. Managing Director Patrick Hofmann: «Der Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und Herbalife-Produkten ist eine unbewiesene Behauptung.» Doch auch die Heilmittelkontrollstelle Swissmedic kommt zum Schluss, dass in sechs dem BAG gemeldeten Fällen ein Zusammenhang mit Herbalife-Produkten wahrscheinlich ist. Bei den anderen sechs sei ein Zusammenhang zumindest möglich.
Warum hat das BAG noch nicht eingegriffen? Elisabeth Nellen-Regli macht geltend, dass ihre Behörde immer erst nach Monaten von den Vorfällen erfahre: «Dann ist es zu spät, um auf die eingenommenen Produkte zurückzugreifen.» Die von Herbalife deklarierten Inhaltsstoffe hält die Expertin an sich für unproblematisch. Möglich sei allerdings, dass sie eine allergische Reaktion auslösten. Diese verursache dann die Gelbsucht.
Kantonschemiker für Abklärungen aufs Parkett gerufen
Immerhin wird das BAG nun aktiv. Auf die saldo-Anfrage hin informierte die Behörde Niklaus Jäggi, Kantonschemiker des Kantons Basel-Land. Er muss Abklärungen treffen und gegebenenfalls handeln: «Das kann eine einfache Änderung der Beschriftung sein, aber auch eine Verkaufssperre und ein Rückruf sind möglich», sagt er. Die Herbalife-Verantwortlichen signalisieren Kooperationsbereitschaft. Patrick Hofmann: «Wir bieten den Behörden unsere wissenschaftliche Expertise an, um so rasch wie möglich eine vollständige Beurteilung zu unterstützen.»
BAG: Täglich bis zu zehn Anfragen von Konsumenten
Egal, was die Untersuchungen ergeben - viele Konsumenten misstrauen jetzt schon den Herbalife-Produkten. BAG-Expertin Nellen bekam nach eigenen Angaben in Sachen Herbalife bis zu zehn Anrufe pro Tag: Konsumenten fragten, ob der Genuss von Herbalife-Produkten unbedenklich sei. Deshalb veröffentlichte das BAG auf seiner Homepage eine Meldung über die Firma. Zugleich gab die Behörde für allfällige Fragen eine Telefonnummer an - allerdings die offizielle Herbalife-Berater-Hotline in Deutschland.