Gute Tropfen müssen nicht teuer sein
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saldo 20/2000
06.12.2000
Wer sich einen sehr guten Schaumwein leisten will, braucht dafür nicht viel Geld auszugeben. Der saldo-Test zeigt, dass beste Champagner schon unter 20 Franken erhältlich sind.
Zwar gibt es tausend Argumente, um mit einem Glas Schampus anzustossen, aber vor Feiertagen und dem Jahreswechsel steigen die Schaumweinumsätze regelmässig. Dann sind die Konsumenten gerne bereit, mehr Geld für edle Tropfen auszugeben. Das muss nicht sein, denn ein hoher Preis garantiert noch keinen gu...
Wer sich einen sehr guten Schaumwein leisten will, braucht dafür nicht viel Geld auszugeben. Der saldo-Test zeigt, dass beste Champagner schon unter 20 Franken erhältlich sind.
Zwar gibt es tausend Argumente, um mit einem Glas Schampus anzustossen, aber vor Feiertagen und dem Jahreswechsel steigen die Schaumweinumsätze regelmässig. Dann sind die Konsumenten gerne bereit, mehr Geld für edle Tropfen auszugeben. Das muss nicht sein, denn ein hoher Preis garantiert noch keinen guten Wein. Im Gegenteil: Auch günstige Champagner sind oft von hervorragender Qualität.
saldo hat bei Grossverteilern und im Weinfachhandel Schaumweine eingekauft und sie von einer Expertenjury degustieren lassen. Zudem wurden die 16 Flaschen Champagner, Prosecco, Sekt und Cava im Labor auf ihren Gehalt an Schwefeldioxid überprüft. Dieser Stoff, der als Konservierungsmittel eingesetzt wird, kann für Kopfweh und Übelkeit sorgen.
Zur Degustation lud saldo acht Weinexperten an einen neutralen Ort: in den stilvollen Weinkeller Pecavi der Hotelfachschule Belvoirpark in Zürich. In der Jury vertreten waren: Jörg Bühler, Gastronom, Erich Grasdorf, Publizist, Stephan Herter, Weinkundelehrer Hotelfachschule Belvoirpark, Dieter Mittler, Journalist, Ernst Meier, Journalist und Werber, Chandra Kurt, Weinjournalistin, Eugen Rieser, Weinjournalist und Thomas Vaterlaus, Chefredaktor "Vinum" Schweiz.
Jury degustierte die Schaumweine im Blindtest
Die Qualität der Schaumweine beurteilten die Experten anhand von vier Kritieren: Erscheinungsbild, Geruch, Geschmack und allgemeine Qualität. Die Jury degustierte die Weine in einem Blindtest, ohne zu wissen, welches Produkt gerade verkostet wurde. Zu vergeben waren maximal 20 Punkte pro Schaumwein. Ein Resultat, das praktisch nie erreicht wird. Denn die Höchstnote auf der international gebräuchlichen Weinbeurteilungsskala steht nur für aussergewöhnliche und grossartige Weine.
Die Noten der meisten Schaumweine im saldo-Test dürfen sich sehen lassen. Acht Getränke wurden an der Degustation als "sehr gut" bewertet, sechsmal wurde die Note gut verteilt und nur gerade zwei Produkte passierten den Test mit dem Urteil mangelhaft.
Als Testsieger mit 16,2 Punkten geht der Champagner Mumm Cordon Rouge (Fr. 29.80) aus der Degustation hervor. Tester Ernst Meier über den Champion: "Mumm Cordon Rouge ist ein typischer Vertreter der Champagne: sehr vinös und elegant. Das Preis-LeistungsVerhältnis finde ich angemessen."
Zweiter Platz für den Prosecco di Conegliano
Überraschend ist der zweite Platz: Just das günstigste Produkt im Test, der Prosecco di Conegliano (bei Coop für Fr. 7.90 zu haben), rangiert mit 16 Punkten dicht hinter dem Testsieger. Auch wenn der Prosecco di Conegliano geschmacklich besticht - er hat einen Schönheitsfehler: Sein Gehalt an Schwefeldioxid ist mit 140 Milligramm pro Kilo verhältnismässig hoch. Zwar liegt der Wert unter der gesetzlich erlaubten Menge, unbedenklich ist er dennoch nicht. Die World Health Organisation (WHO) setzt den ADI-Wert (acceptable daily intake) für Schwefeldioxid bei 0,7 Milligramm pro Kilo Körpergewicht fest. Laut WHO sollte demnach ein 70 Kilo schwerer Mensch, der seine Gesundheit nicht gefährden will, nicht mehr als 49 Milligramm Schwefeldioxid pro Tag zu sich nehmen.
Für den Prosecco di Conegliano bedeutet dies: Wer eine halbe Flasche davon trinkt, hat bereits die Tagesdosis an Schwefeldioxid überschritten. Mögliche Folgen sind Kopfweh, Übelkeit und bei empfindlichen Personen Asthmaanfälle.
Laut Coop-Pressesprecher Karl Weisskopf hat der hohe Schwefeldioxidgehalt des Prosecco di Conegliano mit der Herstellungsmethode zu tun. Dieser Prosecco werde mittels Tankgärung hergestellt, die Zugabe von Schwefeldioxid sei nötig, damit der Wein chemisch stabil bleibe und vor Oxidation geschützt sei.
Weil Schwefeldioxid bei der Weinherstellung üblicherweise als Konservierungsmittel eingesetzt wird, fand das Labor den Stoff in allen Schaumweinen. Erfreulich: Der Grossteil der Schaumweine weist nur geringe Schwefeldioxidgehalte auf. Kritische Werte über 100 mg/kg wurden lediglich bei drei Produkten gemessen: Freixenet Carta Nevada, Prosecco Luna Nuova und Prosecco di Conegliano.
Die Preisunterschiede der getesteten Schaumweine sind beträchtlich: Das günstigste Produkt, der Prosecco di Conegliano, kostet bei Coop gerade mal 7.90 Franken, während Globus für die Flasche Taittinger-Champagner 42 Franken verlangt. Ein Blick auf die Degustationsnoten zeigt, dass ein hoher Preis allein noch keinen guten Wein ausmacht. Unter den acht "sehr guten" Schaumweinen finden sich ausser dem Prosecco di Conegliano zwei weitere, die weniger als 20 Franken kosten: Veuve Alice Margot (Fr. 17.90 bei Epa) und die Coop-Eigenmarke Charles Bertin (Fr. 19.80). Mit 15,7 Punkten rangiert Charles Bertin an vierter Stelle, deutlich vor namhaften und wesentlich teureren Produkten. Thomas Vaterlaus, Tester und Chefredaktor "Vinum" Schweiz: "Auch ich habe Charles Bertin höher bewertet als gewisse Markenchampagner. Dank seines sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnisses verdient er den Platz ganz vorne."
Schlusslicht: Schlechte Noten für den Krimsekt
Deutlich abgeschlagen auf dem letzten Platz landete der Krimsekt. Die Jury gestand ihm nur 12,2 Punkte zu - ein mangelhaftes Resultat. Tester Dieter Mittler hält mit der Kritik nicht zurück: "Dieses Getränk ist ein absoluter Graus. Wer das degustieren muss, sollte Schmerzensgeld erhalten." Urs Mühlemann, Betriebsleiter der Krimsekt-Importfirma S. Fassbind AG, will die mangelhafte Benotung nicht gelten lassen: "Das Bewertungsempfinden der Experten weicht immer von dem des Durchschnittskonsumenten ab. Aber schliesslich sind die Konsumenten ja unsere Kunden."
Mit 12,8 Punkten erreichte der Prosecco Luna Nuova La Pieve ebenfalls ein ungenügendes Resultat. Bruno Bonfanti vom Importeur Vini Bée SA ist erstaunt über die Note mangelhaft. Bei anderen Degustationen habe der Luna Nuova sehr gut abgeschnitten. Bonfanti kann sich das schlechte Ergebnis nur mit einem Lagerungsproblem des Prosecco erklären.
Der Schweizer Marktleader unter den Schaumweinen, der Freixenet Carta Nevada, stand in der Gunst der Jury nicht allzu hoch. Zwar erreichte er mit 14,1 Punkten knapp die Note gut, auf der Degustationsrangliste nimmt er aber nur einen Platz im hinteren Drittel ein. Auch die Kommentare der Tester sind nicht eben schmeichelhaft. Grund für den hohen Beliebtheitsgrad von Freixenet dürfte in erster Linie der niedrige Preis sein: Eine Flasche kostet weniger als 10 Franken.
Jeannette Büchel