Ginkgotee: Illegaler Verkauf
Ginkgohaltiger Tee kann Allergien auslösen und Nervenzellen schädigen. Wie saldo-Recherchen zeigen, bieten viele Bio-Läden, Drogerien und Reformhäuser solche Tees an – ohne die nötigen Verkaufsbewilligungen.
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saldo 08/2009
26.04.2009
Letzte Aktualisierung:
28.04.2009
Die Baselbieterin Beatrice L. lernte für Prüfungen und wollte mit Hilfe der asiatischen Heilpflanze Ginkgo ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Schliesslich behaupten die Hersteller, dass Ginkgoprodukte die Konzentrations- und Gedächtnisleistung verbessern helfen, auch wenn sie dafür keine wissenschaftlichen Beweise haben (saldo 6/09). Doch bereits nach einer Tasse Ginkgo-Konzent...
Die Baselbieterin Beatrice L. lernte für Prüfungen und wollte mit Hilfe der asiatischen Heilpflanze Ginkgo ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Schliesslich behaupten die Hersteller, dass Ginkgoprodukte die Konzentrations- und Gedächtnisleistung verbessern helfen, auch wenn sie dafür keine wissenschaftlichen Beweise haben (saldo 6/09). Doch bereits nach einer Tasse Ginkgo-Konzentrationstee juckten Beatrice L. Arme und Beine.
Unzulässige Dosen: Neun Tees überschritten den Grenzwert
Das ist kein Einzelfall. Die in Ginkgoblättern enthaltenen Ginkgolsäuren können laut Experten Allergien auslösen, Erbgut und Nervenzellen schädigen. Dabei enthält ginkgol-haltiger Tee oft grosse Mengen der heiklen Säuren.
Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker hat Ende 2008 neun Ginkgotees untersucht und festgestellt, dass eine Tasse Ginkgo-Konzentrationstee 51 Tausendstel Milligramm Ginkgolsäuren enthielt – das 40-Fache der als unbedenklich geltenden Limite. Alle anderen Tees wiesen ebenfalls unzulässig hohe Dosen an Ginkgolsäuren auf. Die Teemischung Klarer Geist überschritt den Grenzwert gar um das 80-Fache.
Angesichts dieser Ergebnisse sprechen Apotheker Ginkgotees die «gesundheitliche Unbedenklichkeit» ab. Für Christian Wagner-Ahlfs, leitender Redaktor der Fachzeitschrift «Gute Pillen – Schlechte Pillen», sind sie «potenziell gesundheitsschädlich und eignen sich nicht für den täglichen Gebrauch».
Zu gefährlich in Lebensmitteln: In der Schweiz verboten
Dem widersprechen die Hersteller: «Wer grössere Mengen von Klarer-Geist-Tee trinkt, nimmt nicht übermässig viel Ginkgolsäuren zu sich», sagt Andreas Burmeister von der Golden Temple Natural Products in Hamburg. Die Säuren seien im Tee stark verdünnt. Eigene Tests hätten niedrigere Werte ergeben. Die Firma kritisiert das Testverfahren der Apotheker: Es sei unwissenschaftlich, Qualitätsnormen aus der Arzneimittelindustrie auf Lebensmittel anzuwenden.
Die österreichische Firma Sonnentor erhält gemäss eigener Angaben keine Meldungen über Unverträglichkeiten des Ginkgo-Konzentrationstees. Die Mischung entspreche nationalen Gesetzen und folge jahrhundertealten Erfahrungen. Anders als in Deutschland oder Österreich sind Ginkgoblätter in Lebensmitteln in der Schweiz verboten, erklärt das Bundesamt für Gesundheit: «Die unkontrollierte Einnahme von Ginkgo birgt ein nicht zu unterschätzendes gesundheitliches Risiko», sagt Sprecherin Sabina Helfer.
Theoretisch können Handelsfirmen eine Zulassung als «pflanzliches Arzneimittel» bei der Aufsichtsbehörde Swissmedic beantragen. Doch das ist aufwendig und teuer. Faktisch «gibt es keine zugelassenen ginkgohaltigen Teesorten in der Schweiz», sagt Swissmedic-Sprecher Johannes Gross. Nur Apotheker und Drogisten dürfen offene Ginkgoblätter verkaufen.
Zulassung: Die Hersteller geraten unter Druck
Wie saldo-Stichproben zeigen, bieten dennoch Reform-, Tee- und Bio-Läden, Drogerien und Online-Shops nicht zugelassene Ginkgo-Teeprodukte an. Für das Fehlen der Bewilligungen machen die Läden ihre Grosshändler verantwortlich: Sie müssten Zulassungen besorgen.
Eine saldo-Umfrage zeigt hier Wirkung. Den sofortigen Handelsstopp für ginkgohaltigen Tee kündigen die folgenden Unternehmen an: der Westschweizer Bio-Vertrieb Magnin Santé, der landesweit grösste Bio-Grosshändler Biopartner, die Zofinger Firma Paperlapapp und die Münstertaler Allegra Naturprodukte. Die Firmen erklären, die Bewilligungspflicht nicht gekannt zu haben. «Wir fordern unsere Kunden nun auf, diese Tees aus den Regalen zu nehmen», sagt Roland Zimmerli von Biopartner.
Die Romanshorner Voigt AG entdeckte nach eigenen Angaben zwei heikle Ginkgoprodukte im Sortiment. Der Pharma-Grosshändler nimmt sie aus dem Verkauf, «falls der Hersteller nicht über eine Zulassung verfügt». Auch Einzelhändler ziehen Konsequenzen: So kündigen die Betreiber des Feinkost-Shop.ch und des Wettinger Teelade an, Ginkgotee aus dem Sortiment zu verbannen.