Unangepasst zu denken ist Voraussetzung für Kreativität: Es hilft, ungewohnte Antworten auf Fragen zu finden oder gar erst ungewohnte Fragen zu stellen. Unangepasstes Denken ist fast allen Menschen angeboren – sagt der österreichische Dokumentarfilmer Erwin Wagenhofer in seiner Dokumentation «Alphabet».

Eine im Film zitierte Studie zeigt: 98 Prozent der untersuchten Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren denken unangepasst. Im Teenageralter sind es noch 10 Prozent, bei Erwachsenen gerade mal 2 Prozent. Die Erklärung: Das Schulsystem fördert nicht selbständiges Denken, sondern Auswendiglernen. Gefragt sind Standardantworten statt unterschiedliche Meinungen. Begabungen werden nicht gefördert, sondern in Bahnen gelenkt und zurechtgestutzt. 

Kritik am wirtschaftlich orientierten Schulsystem

Erwin Wagenhofer, der bereits in anderen Dokumentarfilmen wie «We Feed the World» oder «Let’s Make Money» die Schattenseiten der Globalisierung aufzeigte, kritisiert eindrücklich das rein wirtschaftlich ausgelegte Schulsystem. «Die Verkürzung des Lebens auf die Ökonomie ist eine der schlimmsten Entwicklungen unserer Zeit», sagt im Film Thomas Sattelberger, ehemaliger Personalchef der deutschen Telekom.

Wagenhofer spricht mit Experten, Kritikern und Schülern. Letztere klagen über den steigenden Leistungsdruck und den Mangel an Zeit fürs Spielen und für andere ausserschulische Aktivitäten. Wagenhofers Film liefert kaum Antworten, was genau zu ändern ist. Aber er lädt immerhin zum Denken ein – zum selbständigen Denken.

«Alphabet.» Ein Film von Erwin Wagenhofer. Österreich 2013, 113 min. Moviemento 2014.