Erfolgreich gegen Kündigung wegen angeblicher Renovation
Seit Jahrzehnten lebt er in der 4½-Zimmer-Wohnung, da flattert einem Luzerner Mieter die Kündigung ins Haus. Eine Renovierung sei der Grund, sagt der neue Hauseigentümer. Der Mieter wehrt sich – mit Erfolg.
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saldo 12/2013
22.06.2013
Thomas Müller
Da stehen sie nun den drei Richtern am Bezirksgericht Luzern gegenüber: Der neue Vermieter, ein hemdsärmliger Handwerker, der zupacken kann, hat das leicht heruntergewirtschaftete Mehrfamilienhaus gekauft und will es renovieren. Jahrzehntelang war am Wohnblock aus den Sechzigerjahren nichts erneuert worden. Die meisten Arbeiten will er selbst ausführen.
Auf der anderen Seite steht der langjährige Mieter, ein alleinerziehender Vater, der in beschei...
Da stehen sie nun den drei Richtern am Bezirksgericht Luzern gegenüber: Der neue Vermieter, ein hemdsärmliger Handwerker, der zupacken kann, hat das leicht heruntergewirtschaftete Mehrfamilienhaus gekauft und will es renovieren. Jahrzehntelang war am Wohnblock aus den Sechzigerjahren nichts erneuert worden. Die meisten Arbeiten will er selbst ausführen.
Auf der anderen Seite steht der langjährige Mieter, ein alleinerziehender Vater, der in bescheidenen Verhältnissen lebt. Seit 37 Jahren wohnt er im Haus. Seine 4½-Zimmer-Wohnung, mit 78 Quadratmetern nicht übergross, kostet pro Monat 950 Franken Miete, inklusive Nebenkosten.
Kaum hatte der Handwerker das Gebäude gekauft, kündigte er dem Mieter. Grund: «Umbau und Sanierung der Wohnung.» Bloss: Der Mieter hatte seine Wohnung vor gut vier Jahren auf eigene Kosten und in Absprache mit der früheren Verwaltung für 25 000 Franken professionell renovieren lassen und zum Beispiel die 40-jährige Küche ersetzt.
Er entschloss sich, die Kündigung anzufechten. Sie sei missbräuchlich. «Die Kündigung ist ein Vorwand, um mich aus der Liegenschaft zu drängen», macht er vor dem Bezirksgericht geltend. Der Vermieter könne nachher die bereits sanierte Wohnung ohne Aufwand zu einem wesentlich höheren Mietzins weitervermieten. Die Kündigung bedeute für ihn eine grosse Härte, nicht zuletzt, weil er seine betagte Mutter pflegen müsse, die im selben Haus wohnt und die Kündigung ebenfalls angefochten hat.
Nur die anderen Mieter erhielten einen neuen Mietvertrag angeboten
Der neue Vermieter wollte den alleinerziehenden Vater offensichtlich loswerden. Denn er bot ihm für die Zeit nach der angeblichen Sanierung keinen neuen Mietvertrag an. Andere Mieter konnten – mit entsprechendem Aufpreis – gar ihre künftige Wunschwohnung angeben. Diese Ungleichbehandlung hatte schon bei der Schlichtungsbehörde für Stirnrunzeln gesorgt, worauf der Vermieter eiligst ein Ersatzangebot im Haus nachschob, das mit 1360 Franken Monatszins aber fast 50 Prozent teurer gewesen wäre.
Eine Ersatzwohnung sei nicht nötig, erklärt der Mieter. Selbst wenn ein Verbleib in der Wohnung eine Zeitlang unmöglich wäre, könnte er mit seinem Sohn während der Bauarbeiten zur Mutter ziehen. Ihre Wohnung sei erst in einer späteren Etappe an der Reihe. Er sei nicht bereit, einen so hohen Mietaufschlag zu akzeptieren, «sonst waren ja die 25 000 Franken für die Katz, die ich für die Renovation der Wohnung auslegte».
Der neue Vermieter denkt nicht daran, einzulenken. Er übt scharfe Kritik an der Renovation durch den Mieter. «Ich habe noch nie etwas dermassen Hässliches gesehen wie dieses Bad.» Und «der Bogen beim Durchgang muss weg, da schlägt man ja den Kopf an». Als Eigentümer dürfe er das entscheiden, den Mieter gehe das nichts an. Überhaupt werde seine Gutmütigkeit ausgenutzt, habe er doch alles getan, um möglichst vielen Hausbewohnern einen neuen Mietvertrag anzubieten. «Ich hätte wohl besser die Liegenschaft komplett leergekündigt, dann könnte ich für eine 4½-Zimmerwohnung locker 1500 Franken pro Monat verlangen», brummelt er.
Die Sturheit zahlt sich für den Vermieter nicht aus. In seinem Urteil stellt sich das Bezirksgericht vor den Mieter und seine Mutter. Es gebe zwar bei einer Sanierung ein Recht zu kündigen, falls ein Mietverhältnis die Arbeiten verzögere oder erschwere. Doch das sei – durch den möglichen Umzug zur Mutter – hier nicht der Fall. Der Vermieter habe keine sachlichen Gründe genannt, weshalb er ausgerechnet diesen beiden Mietern keinen neuen Vertrag angeboten habe. Das Gesetz verpflichte einen Vermieter zwar nicht zur Gleichbehandlung. Doch die ungleiche Behandlung könne ein Indiz für einen vorgeschobenen Grund sein.
Gericht bezeichnet die Kündigungen als nichtig
Und so kommt das Gericht zum Schluss, dass die beiden Kündigungen nicht wegen möglicher Behinderungen der Sanierungsarbeiten oder Mehrkosten ausgesprochen wurden. «Vielmehr dürfte der Hauptgrund in der Erzielung eines höheren Mietzinses liegen», heisst es im Urteil.
Die Kündigungen verstossen laut Gericht «gegen Treu und Glauben» und sind damit nichtig. Der Vermieter muss 4000 Franken Gerichtskosten bezahlen und die Anwaltskosten des Mieters von 10 800 Franken übernehmen. Dazu kommen seine eigenen Anwaltskosten.
Prozessieren: Nur die Schlichtungsbehörde ist gratis
In mietrechtlichen Streitigkeiten müssen sich die Parteien zuerst an die Schlichtungsbehörde wenden, bevor sie den Fall einem Mietgericht vorlegen können. Vorteil: Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle ist kostenlos. Wer unsicher ist, ob er Chancen auf Erfolg hat, kann so die Streitsache ohne finanzielles Risiko rechtlich beurteilen lassen. Die Mehrheit der Fälle endet vor der Schlichtungsbehörde mit einem Vergleich. Scheitert die Schlichtung, kann die Klage ans Mietgericht weitergezogen werden. Das kann je nach der Höhe des Streitwertes teuer werden. Die klagende Partei muss dem Gericht einen Vorschuss bezahlen, damit die Sache behandelt wird.