«Die Behörden sind an der kurzen Leine»
Für Krebsmedikamente verlangen die Hersteller horrende Preise. Dieser Ansicht ist der Krebsforscher Franco Cavalli.
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saldo 09/2013
15.05.2013
Eric Breitinger
saldo: Eine Brustkrebspatientin ein Jahr lang mit dem Roche-Medikament Perjeta und zwei anderen Präparaten zu behandeln, kostet 140 000 Franken. Ein Einzelfall?
Franco Cavalli: Nein. Neue Krebsmedikamente sind heute 50 Mal teurer als vor 20 Jahren. Das ist unhaltbar.
Hersteller rechtfertigen die hohen Preise mit der lebensverlängernden Wirkung.
Krebsmittelpreise sind Monopolpreise. Dahinter steh...
saldo: Eine Brustkrebspatientin ein Jahr lang mit dem Roche-Medikament Perjeta und zwei anderen Präparaten zu behandeln, kostet 140 000 Franken. Ein Einzelfall?
Franco Cavalli: Nein. Neue Krebsmedikamente sind heute 50 Mal teurer als vor 20 Jahren. Das ist unhaltbar.
Hersteller rechtfertigen die hohen Preise mit der lebensverlängernden Wirkung.
Krebsmittelpreise sind Monopolpreise. Dahinter steht ein Geschäftsmodell, das selbst in reichen Ländern schwer erträglich ist. Die Pharmakonzerne haben bei uns Gewinnmargen von 20 bis 30 Prozent, keine andere Branche hat so hohe Gewinne.
Sind neue Medikamente nicht besser als alte, wie die Hersteller behaupten?
Oft ist dies nicht der Fall. Das Problem ist, dass Pharmahersteller aufgrund vorläufiger Resultate bei klinischen Tests bei den Behörden hohe Preise durchsetzen. Weitere Tests bestätigen aber oft die ersten positiven Ergebnisse nicht: Bei Yervoy, einem Mittel zur Behandlung von schwarzem Hautkrebs, sind sich die Experten nicht mal mehr sicher, ob es das Leben der Behandelten überhaupt verlängert. Bei Perjeta scheint die von Roche vorgelegte Studie darauf hinzuweisen, dass es eine lebensverlängernde Wirkung von im Schnitt drei Monaten hat. Es gibt aber noch keine Langzeitstudien.
Warum winken Behörden die hohen Preise durch?
In Grossbritannien prüfen die Behörden eingereichte Studien strenger. Daher müssen dort einige Präparate anders als in der Schweiz von den Kassen nicht bezahlt werden. Das Problem: Unsere Behörden sind an der kurzen Leine der Pharmabranche. Diese sagt: «Entweder ihr akzeptiert unsere Bedingungen, oder wir beliefern euch nicht.» Zudem üben Patientengruppen, die oft von der Industrie gesponsert sind, öffentlich Druck aus. Und die Pharmalobby verhindert Gesetze, die der Industrie wehtun.
Was lässt sich gegen hohe Preise tun?
Das Grundübel ist die Patentgesetzgebung, die es Herstellern erlaubt, ein patentgeschütztes Medikament jahrelang ohne Konkurrenz zu horrenden Preisen zu verkaufen. Wenn ein Hersteller ein wirklich neues Medikament auf den Markt bringt, soll er belohnt werden. Nicht aber für jedes neu patentierte Medikament, das den Patienten oft nicht mehr nützt als andere. Der Staat muss zudem klinische Tests häufiger selbst durchführen. Wenn er dies den Herstellern überlässt, können diese die Resultate beeinflussen.