Das Geschäft mit der Sehnsucht nach der Natur
Illustrierte wie «Landliebe», «Landleben» oder «Landlust» sind am Kiosk ein Renner. Die Blätter enthalten praktische Tipps – und versteckte Werbung.
Inhalt
saldo 06/2013
03.04.2013
Rolf Hürzeler
Ein paar Berner Seeländer sitzen in ihrem Arbeitsgwändli vor einem alten Ofenhaus, denn heute ist ihr Backtag. «Unser täglich Brot» lautet der Titel der Reportage. Der Text liest sich fast wie ein Roman von Jeremias Gotthelf: «Der Achtjährige wurde zur Geduld gemahnt. Bald, ja bald, sei es so weit …» – den Teig zu kneten.
Diese Brot-Reportage findet sich in der Illustrierten «Landliebe» aus dem Ringier-Verlag. Es...
Ein paar Berner Seeländer sitzen in ihrem Arbeitsgwändli vor einem alten Ofenhaus, denn heute ist ihr Backtag. «Unser täglich Brot» lautet der Titel der Reportage. Der Text liest sich fast wie ein Roman von Jeremias Gotthelf: «Der Achtjährige wurde zur Geduld gemahnt. Bald, ja bald, sei es so weit …» – den Teig zu kneten.
Diese Brot-Reportage findet sich in der Illustrierten «Landliebe» aus dem Ringier-Verlag. Es ist die einzige Schweizer Zeitschrift in der Wald-und-Wiesen-Sparte – und die erfolgreichste Neulancierung der letzten zwei Jahre. Das Heft erschien zuerst vier Mal jährlich, jetzt liegt alle zwei Monate eine neue Ausgabe vor. Die abonnierte Auflage ist nach Verlagsangaben bereits auf 90 000 Exemplare gewachsen. Auch wenn nicht gar so viele Hefte voll bezahlt sein sollten, der Erfolg ist trotzdem beachtlich.
Zivilisationsmüde und Nostalgiker kommen auf ihre Rechnung
In «Landliebe» finden die Leser viele praktische Tipps, etwa über die Aufzucht von Zitrusfrüchten, über den Kampf gegen Drahtwürmer im Garten oder das Häkeln. Dazu kommen Beiträge mit nützlichem Wissen, etwa über das Erkennen von Spuren der Wildtiere oder das Handwerk des Schmiedens. Zivilisationsermüdete, Wertkonservative, Nostalgiker und grünlich Angehauchte finden in der «Landliebe» ein Heft für ihre Bedürfnisse – ohne Prominenz und mit wenig Glamour.
«Landliebe» ist keine Schweizer Erfindung. Sondern ein Nachahmerprodukt, weil das Genre in Deutschland sehr erfolgreich war. Rund ein halbes Dutzend Hefte dieser Gattung gibt es inzwischen am Kiosk – von der «Landfee» über die «Landidee» bis zum «Landzauber». Die Titel klingen alle ganz ähnlich. Inhaltlich werden die Akzente nicht immer gleich gesetzt (siehe oben).
Werbetexte und redaktionelle Beiträge zum Teil ähnlich
Doch etwas haben alle diese Titel gemeinsam: Für die Leser ist es oft schwierig, redaktionellen Text, Gefälligkeitstext für Werbekunden und bezahlte Werbung voneinander zu unterscheiden. So findet man in der «Landliebe» eine sogenannte «Publireportage» über «Coop Naturaplan», die in der gleichen optischen Aufmachung wie der redaktionelle Text erscheint. Heikler noch ist eine zwölfseitige Reportage über das nostalgisch eingerichtete Wohnhaus einer Familie aus Zollikon ZH. Erst am Schluss des Textes erschliesst sich der Leserschaft, dass die Bewohnerin zufälligerweise selbst ein Einrichtungsgeschäft in Zürich führt. Dieses erscheint farblich ganz im Stil der rosa Blümchenmuster, die dem Zolliker Heim ein unverwechselbares Cachet verleihen. Damit nicht genug: Der Ehemann dieser Innendekorateurin ist praktischerweise Chef einer der führenden Werbeagenturen in Zürich. Was einem auf Anzeigen angewiesenen Heft nicht schaden kann. Treffend immerhin der Titel des Artikels: «La Vie en Rose!»
«Landliebe» ist mit der versteckten Werbung im Blatt nicht allein. Das Heft «Landleben» preist «alles» an, «was zum Landleben» gehört, zum Beispiel ein «Landhaus-Accessoire» in Form eines Herzens, mit Hühnern verziert, oder ein «Wandhaken im Shabby Landhaus-Stil» in der Form eines himmelblauen Herzens. Jedes Produkt ist im redaktionellen Teil mit Preisangabe und Bezugsquelle versehen.
Besonders beliebt sind Geschichten über Aussteiger
Ein Musterartikel, der sich in diesen Zeitschriften immer wieder findet, handelt vom erfolgreichen Aussteiger. In der «Landfee» findet der Leser etwa die Geschichte einer bestandenen Büroangestellten, die in ihrem Job glücklich ist, jedoch beseelt von der Sehnsucht nach dem Land. Also wagt sie den Ausstieg und führt nun als Selbständige einen Hofladen in der Nähe von Köln – mit frischem Gemüse, glücklichen Hühnern und einem tatkräftigen Mann.
Die Zeitschrift «Landleben» behandelt den Gegensatz zwischen Stadt und Land mit einer Gegenüberstellung in Form von zwei Fragebogen, die eine Bäuerin und eine Werberin beantworten: Wenig überraschend sind beide gleichermassen mit ihrem Leben zufrieden. Die eine setzt beim Einkaufen auf das «Bio»-Label und die andere auf einen Parkplatz. Da versteht die gesamte Leserschaft die Sehnsucht nach der ländlichen Idylle gut.
«Landliebe», Fr. 7.–
Die einzige Schweizer Publikation dieser Art. Viel Landromantik und Wissensbeiträge, zum Beispiel alles über das Schwingen oder «Mit Eisen und Herz» über das Schmieden. Rezepte, Bastelanleitungen, Wandertipps.
«Landlust», Fr. 7.50
Sehr viele Gartentipps, etwa zum «Frühling im Waldgarten», «Ein Teich entsteht» oder eine mehrseitige Reportage über den Pflanztopf. Wissensteil über die Mineralien oder das Funktionieren einer Sonnenuhr.
«Landleben», Fr. 10.50
Viel Lifestyle über schönes Wohnen
wie «Mut zur Veränderung», rustikale Einrichtungen («Gute alte Dinge zum Kaufen») sowie Rosenpflege im Garten. Umfangreicher Rezeptteil.
«Landzauber», Fr. 4.70
Ausgebauter Wissensteil mit Themen wie «Leidenschaft Storchenschnabel», bestäubende Insekten oder «Löwenzahn». Umfangreiche Bastelanleitungen.
«Landfee», Fr. 9.60
Sehr viel ländlicher Lifestyle in romantischen Farben wie «Der Frühling ist rosa» oder «Haus mit Herz». Bastel- und Geschenkideen sowie Anleitungen zu Dekorationen («Glück aus der Farbdose»).
«Landidee», Fr. 7.–
Viele Blumen-Dekorationsvorschläge wie «Elegante Blumenzierde» oder
«Zarte Perlen». Lange Rezeptgeschichten etwa aus «Omas Küche», «Edler Spargel» oder «Aus der Pfanne», viele mit naturnahen Produkten. Gartentipps.