Cannelloni-Produktion: Vom Fleisch und Pastateig zum Fertigprodukt
saldo hat in der Nestlé-Fabrik in Rorschach beobachtet, wie Tiefkühl-Cannelloni produziert werden.
Inhalt
saldo 04/2013
06.03.2013
Thomas Lattmann
Um 3 Uhr morgens fängt der Arbeitstag von Roland Germann an. Der ausgebildete Metzgermeister ist Leiter der Fleischabteilung in der Nestlé-Fabrik in Rorschach SG. Heute, am 28. Februar, werden Tiefkühl-Cannelloni der Marke Findus hergestellt.
Im Auftauraum der Fabrik liegen Paletten mit je 600 Kilogramm Rindfleisch. Germann überprüft Lieferschein und Etiketten. Zudem nimmt er ein paar faustgrosse Stücke Fleisch in die Hand und schaut, ob sie die gew...
Um 3 Uhr morgens fängt der Arbeitstag von Roland Germann an. Der ausgebildete Metzgermeister ist Leiter der Fleischabteilung in der Nestlé-Fabrik in Rorschach SG. Heute, am 28. Februar, werden Tiefkühl-Cannelloni der Marke Findus hergestellt.
Im Auftauraum der Fabrik liegen Paletten mit je 600 Kilogramm Rindfleisch. Germann überprüft Lieferschein und Etiketten. Zudem nimmt er ein paar faustgrosse Stücke Fleisch in die Hand und schaut, ob sie die gewünschte Qualität aufweisen. Würde er es merken, wenn sich unter dem Rind auch Pferdefleisch befinden würde? «Wahrscheinlich nicht», sagt der Metzger. Grund: Sowohl Pferde- als auch Rindfleisch kann mal heller oder dunkler sein, mal mehr Fettanteil haben oder weniger. Von Auge ist das kaum unterscheidbar. Trotzdem ist Germann überzeugt, dass er nur Schweizer Rindfleisch vor sich hat. «Dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen.»
Lieferantin des Fleisches ist die Handelsfirma Carnoglob AG in Basel. Germann kann laut Begleitpapieren das Fleisch bis zu den geschlachteten Tieren und deren Halter zurückverfolgen. Das Fleisch, das er heute verwendet, stammt aus dem Schlachthof Lucarna Macana AG in Hinwil ZH und trägt die Chargennummer 0035322. Unter dieser Nummer wurden am 3. Dezember 2012 in Hinwil 35 Kühe geschlachtet. Zu jeder Kuh findet Germann auf einer Liste detaillierte Angaben. So weiss er, dass sich unter den Schlachttieren die am 2. September 2009 geborene Kuh Atlanta befand.
Fleisch wird vor Ort gehackt und angebraten
Nestlé Schweiz wirbt zurzeit in Anzeigen damit, dass die Tiefkühlprodukte der Marke Findus «100 Prozent Schweizer Rindfleisch» enthalten. Laut Andreas Ross, Leiter Qualitätsmanagement in Rorschach, hat Nestlé in ihren Labors in Vevey VD bei allen Rindfleischprodukten DNA-Tests hinsichtlich Pferdefleisch durchgeführt. Alle Lieferungen waren in Ordnung.
In der Fabrik schüttet jetzt Roland Germann Rinderstücke unter anderem von der Brust und von der Schulter in den Fleischwolf. Das so erhaltene Hackfleisch wird kurz gebraten und anschliessend auf Kühlschranktemperatur gekühlt. Damit wird die Gefahr von Bakterienbefall minimiert. Dann füllen die Metzger das Fleisch in Behälter von 70 Kilogramm Fassungsvermögen ab. Bis zur Weiterverarbeitung verbleiben die Behälter in einem Kühlraum bei 3 bis 6 Grad.
In der Hauptproduktionshalle sieht es aus wie in einer Grossküche. Mehrere Mitarbeiter bereiten in drei riesigen Kochtöpfen die Bolognese-Füllung für die Cannelloni al forno zu. Pelati, Tomatenpüree, fein gehackte Rüebli, Zwiebeln, Sellerie, Gewürze und natürlich das vorbereitete Hackfleisch ergeben den Sugo. Das Umrühren und die Temperatureinstellung in den Töpfen erfolgen automatisiert.
Bis zur Freigabe für den Verkauf vergehen drei Tage
Ein Geschoss weiter oben mischt eine Maschine Mehl, Eier, Wasser und Salz zu einem Teig, knetet diesen und walzt ihn flach. An einem anderen Ort in der Halle stellen Angestellte mit Schweizer Vollrahm eine Béchamel-Sauce her. Rund hundert Personen beschäftigt die Tiefkühlfabrik, in der seit 1886 Lebensmittel produziert werden – früher unter dem Namen Roco.
Am Schluss laufen alle Produktionsstränge zusammen. Der ausgewalzte Teig läuft über ein Förderband und ein Messer schneidet ihn der Länge nach in vier Bahnen. Anschliessend wird der Teig maschinell gerollt und eine andere Maschine füllt die Bolognese-Sauce ein. Sofort werden die Teigrollen auf die korrekte Länge zugeschnitten. Nun folgt wieder Handarbeit: Zwei Frauen greifen sich jeweils sechs Cannelloni und legen sie in eine Aluschale. Das schafft bis jetzt noch kein Roboter, zumal in der Tiefkühlfabrik jeden Tag andere Produkte hergestellt werden.
Der Rest ist Maschinenarbeit: Auf die Cannelloni kommen noch Béchamel-Sauce und Reibkäse von Emmi. Bei minus 34 Grad werden die Cannelloni während anderthalb Stunden tiefgefroren. Zum Abschluss werden die Aluschalen – völlig automatisch – in Kartons verpackt, mit einem Ablaufdatum versehen (Haltbarkeit tiefgekühlt: 21 Monate) und auf Paletten à 1280 Packungen gestapelt.
Eigentlich wären die Cannelloni al forno jetzt für den Verkauf bereit. Doch bevor sie bei den neun regionalen Findus-Verteilzentren landen, folgt eine Geschmacksprüfung: Die Führungscrew der Fabrik degustiert jeden Tag um 8.30 Uhr – quasi zum Frühstück – stichprobenmässig die Charge des Vortags. Nebst der Geschmackskontrolle finden noch Labortests statt.
Erst drei Tage nach der Herstellung gibt Nestlé die Tiefkühl-Cannelloni zum Verkauf frei.