Vogelgrippe, Fukushima, Aids, Krebs – laut Gerd Gigerenzer, Professor für Psychologie am Max-Planck-Institut Berlin, wissen wir kaum, wie gefährlich diese Risiken wirklich sind.
Ärzte führen Tests durch, verschreiben Medikamente und operieren öfter, als es nötig wäre. So entfernten Chirurgen bei Gebärmutteroperationen überflüssigerweise auch die Eierstöcke. Gigerenzer erklärt: Viele Ärzte haben Angst, ihre Patienten könnten sie verklagen, falls eine Behandlung nicht anschlägt. Auch Finanzberater können mit Risiken nicht angemessen umgehen, so der Autor. Laut Studien verstehen sie Aktienkurse zwar besser, können sie aber nicht besser voraussagen als Laien.
Für Gigerenzer sollte jeder Einzelne seine Risikokompetenz verbessern, statt sich auf das Urteil von Experten zu verlassen. Beispiel Schule: Kinder würden eine «Mathematik der Sicherheit» lernen – Geometrie und Trigonometrie – statt die der Ungewissheit: statistisches Denken. Kinder sollten auch lernen, Gefahren richtig einzuschätzen. So könnten sie manche Ängste als Panikmache oder Aberglauben erkennen. Warum sollten sie sich vor Spinnen fürchten, obwohl es in unseren Breiten keine giftigen Exemplare gibt? Warum hingegen bewerten sie Autounfälle nicht als reale Gefahr?
Gigerenzer macht ein komplexes Thema leicht zugänglich und gibt konkrete Tipps, etwa sich mehr auf das Bauchgefühl zu verlassen. Dieses beruhe auf Wissen und Erfahrung und sei deshalb oft vertrauenswürdig. Gigerenzer entwickelt seine Thesen schlüssig und dicht. Das verlangt nach einer aufmerksamen Lektüre.
Gerd Gigerenzer, «Risiko. Wie man die richtigen Entscheidungen trifft», Bertelsmann, ca. Fr. 30.–
Buchtipps
Zwang zur Selbstdarstellung
Eigenvermarktung ist wichtiger als Wissen oder Können, behauptet der deutsche Wirtschaftsjournalist Jens Bergmann. Beispiel: Der Autokonzern Mercedes erkaufte sich Tausende von Facebook-Freunden, die jede Statusmeldung des Unternehmens bejubeln. Für Bergmann sind die Folgen dieser Entwicklung fatal. Künftig würden nicht mehr die fähigsten Politiker gewählt oder die besten Mitarbeiter eingestellt, sondern die lautesten und auffälligsten. Der Autor rechnet mit dem Zwang zur Selbstdarstellung ab, provoziert aber gleichzeitig mit zugespitzten Thesen. Das ist polemisch und unterhaltsam.
Jens Bergmann, «Ich, ich, ich», Metrolit, ca. Fr. 27.–
Wege zum Atomausstieg
Der Fachjournalist Hanspeter Guggenbühl schreibt: Weil Strom, Wärme und Treibstoffe zu billig sind, verbrauchen Konsumenten zu viel davon. Müssten sie den Atomabfall oder den CO₂-Ausstoss mitberappen, wäre der Verbrauch tiefer. Guggenbühl sieht nur eine Lösung, um die Energiewende einzuleiten: Mehr Energie sparen. Erreichen liesse sich das durch Verbote, etwa von ineffizienten Heizungen, und durch Anreize wie eine Verteuerung durch Ökoabgaben. Energiepolitisch Interessierte dürften das Buch mit Gewinn lesen, auch wenn einiges umständlich formuliert ist.
Hanspeter Guggenbühl, «Die Energiewende», Rüegger, ca. Fr. 25.–
Kaffee fördert die Gesundheit
Im 18. Jahrhundert galt Kaffee als krankmachende Droge. Preussens König Friedrich II. erschwerte den Import per Luxussteuer. Heute zieht Pharmakologie-Professorin Karen Nieber Bilanz: Drei, vier Tassen pro Tag schaden nicht. Im Gegenteil. Kaffee erhöht die Aufmerksamkeit, stärkt die geistige Leistungsfähigkeit, reduziert Asthmaanfälle. Der langjährige Konsum reduziert das Risiko, an Parkinson oder an Depressionen zu erkranken. Ein mässiger Konsum führt nicht zu hohem Blutdruck. Die Autorin beleuchtet auch kulturelle und wirtschaftliche Aspekte des Siegeszugs der schwarzen Bohnen – sehr anregend.
Karen Nieber, «Schwarz und stark», Hirzel, ca. Fr. 28.50