Ein sonniger Morgen Ende Februar. Pius Allemann, Regionalleiter Ostschweiz von Bio-Inspecta, trifft in Baltenswil ZH ein. Bio-Inspecta kontrolliert und zertifiziert im Auftrag von Biosuisse Bio-Betriebe (siehe Kasten). Heute steht ein angemeldeter Besuch des Bauernhofs von Adrian Achermann auf dem Programm.
18 Kühe, 5 Rinder und ein Muni stehen im Stall. Bauer Achermann produziert Bio-Milch und Natura Beef. Kontrolleur Allemann vergleicht die Zahl der Kühe mit den zur Verfügung stehenden Liegeboxen und der übrigen Stallfläche. Pro Kuh mit Kalb braucht es eine Stallfläche von mindestens 14,5 Quadratmetern. Wäre dem nicht so, würde es Sanktionspunkte absetzen (siehe Kasten). Geprüft werden auch die Sauberkeit und der Allgemeinzustand. «Das sind schöne Tiere», stellt Allemann fest.
Zur Kontrolle gehört ein Blick in die verschiedenen Journale, die der Bauer selbständig führt: Im Behandlungsjournal ist vermerkt, welche Medikamente Bauer oder Tierarzt verabreicht haben. Im Vordergrund stehen in der Bio-Landwirtschaft natürliche Heilmethoden, zum Beispiel mit homöopatischen Globuli.
Kommen trotzdem konventionelle Medikamente zum Einsatz, dürfen Milch und Fleisch erst nach einer Wartefrist wieder verwendet werden. Diese Frist ist doppelt so lang wie bei Produkten aus normaler Tierhaltung. Das Besamungsjournal zeigt, ob die Fortpflanzung – wie vorgeschrieben – ohne manipulierte Samen erfolgt ist. Die Tiere auf Achermanns Hof werden fast ausschliesslich vom eigenen Stier gedeckt. Und im Auslaufjournal ist vermerkt, ob die Kühe auch wirklich jeden Tag nach draussen konnten.
Muttersauhaltung: Ab dem 21. Tag dürfen die Ferkel nach draussen
Nun geht es in den Schweinestall, mit Überschuhen, Überkleid und Hut. «Das sind Zuchtsauen. Die stinken weniger als Mastsauen», erklärt Achermann. Dennoch riecht es penetrant nach Schweinemist. Der Landwirt hält in seinem Stall 19 Muttersäue, einen Eber, 70 kleine und 15 grössere Ferkel. Die Ferkel bleiben bis zu einem Gewicht von 20 bis 30 Kilogramm auf Achermanns Hof. Danach verkauft er sie an andere Bio-Bauern zum Mästen weiter.
Die Muttersäue sind mit ihren Ferkeln in separaten Buchten untergebracht. Für die Kleinen steht eine Box mit Wärmelampe bereit. Ab dem 21. Tag tummeln sich Muttersäue und Ferkel in einer grösseren, mit dem Aussenbereich verbundenen Bucht. Ein Teil des Bodens ist mit Stroh belegt, der Rest besteht zum Teil aus einem Betonrost, sogenanntem Spaltenboden.
Bio-Schweine haben kein Anrecht auf Weidegang
Wer glaubt, Bio-Schweine könnten sich auf der Wiese im Dreck suhlen, sieht sich getäuscht. Bei Bauer Achermann ist der Aussenbereich mit Mauern eingefasst, der Boden aus Beton. Damit die Bio-Normen trotzdem erfüllt sind, steht den Schweinen im Auslauf ein kleines Wühlareal zur Verfügung. Der Landwirt würde seine Schweine gern auf die Wiese lassen, aber es fehlt ihm an Weideflächen. Schweine weiden zu lassen, würde aber auch zu Problemen führen, sagt Achermann. Sie würden im Boden wühlen und sich womöglich mit Parasiten infizieren. Auch ohne Weide sind Achermanns Schweine sehr aktiv. Sie quieken munter und reagieren neugierig auf die Besucher.
Das Gehege der rund 90 Hühner ist in drei Bereiche unterteilt: Ein geschützter Stall, ein gedeckter Aussenraum mit einem Sandbad sowie ein Stück Wiese. Allemann kontrolliert den Zustand der Tiere, achtet auf die Sauberkeit der Einstreu und schaut, ob genügend Körner sowie Wasser vorhanden sind. Zu bemängeln hat er einzig, dass bei einigen Legenestern die Gumminoppen abgenutzt sind.
Im Bienenhäuschen ruhen die acht Bienenvölker. Sie befinden sich in der Winterstarre. Der Inspektor schaut nach, ob nur ökologische Entmilbungsmittel sowie biologischer Bienenwachs und Zucker herumstehen. Er kritisiert die Kennzeichnung des Honigs, den der Bauer im Hofladen verkauft: Auf der Etikette muss nicht nur Bio-Inspecta stehen, sondern auch der entsprechende Code «CH-Bio-006», der für das Unternehmen steht.
Den Abschluss der Betriebsbesichtigung bildet eine Inspektion der Felder und Wiesen. Rund 25 Hektar umfasst Adrian Achermanns Pachtbetrieb – eine Fläche so gross wie 35 Fussballfelder. Gemäss den Bio-Richtlinien sollten die Tiere möglichst Futter vom eigenen Hof fressen. Deshalb pflanzt Achermann Gras, Roggen, Mais, Erbsen und das Futtergetreide Triticale an.
Kontrolle von Quittungen, Lieferbelegen und Waren ist sehr zeitintensiv
Gegen die Hälfte der Inspektionszeit nimmt die Prüfung der Papiere in Anspruch. Stimmt die Ackerfläche mit der Menge des gelieferten Öko-Saatguts überein? Belegen die Quittungen, dass Achermann wirklich nur ökologische Pflanzenschutzmittel gekauft hat? Und stammt das Fremdfutter aus Bio-Quellen? Dann checkt Allemann, ob die zugekauften Tiere aus Bio-Zuchten kommen, und sichtet den letzten Salmonellentest der Hühner.
«Ich produziere aus Überzeugung nach Bio-Richtlinien»
Unzählige Formulare geht der Kontrolleur durch, macht Kreuzchen und Striche und fragt nach Dokumenten. Ein richtiger Papierkrieg. «Im ersten Jahr als Bio-Bauer hatte ich ein Riesenpuff», gesteht Achermann. «Inzwischen weiss ich, was ich alles sammeln muss.» In einem gut gefüllten Bundesordner bewahrt er alle Belege des vergangenen Jahres auf. «Ich produziere aus Überzeugung nach Bio-Richtlinien und nicht wegen dem Geld», sagt er. Früher betrieb er konventionelle Landwirtschaft. Ein Zurück könnte er sich nicht mehr vorstellen.
Nach rund vier Stunden ist die Inspektion vorbei. Gravierende Mängel fand Kontrolleur Allemann keine. Lediglich seinen Honig muss Bauer Achermann in Zukunft korrekt deklarieren.
Kontrollen: Zwei Bauernhöfe verloren das Bio-Label
Im Jahr 2010 arbeiteten in der Schweiz 5521 Betriebe nach den Richtlinien der Bio-Organisation Biosuisse mit dem Knospen-Label. Zusammen mit den 392 nach Bio-Verordnung des Bundes produzierenden Bauernhöfen sind das rund 11 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz. Darunter fallen auch andere Labels wie Coop-Naturaplan oder Migros-Bio.
Im Unterschied zur konventionellen und zur integrierten Landwirtschaft verzichtet der Bio-Bauer konsequent auf chemisch-synthetische Pestizide, leichtlösliche Mineraldünger sowie gentechnisch veränderte Organismen. Die Tierhaltung ist artgerecht und bezüglich Intensität limitiert.
Biosuisse lässt ihr Label von zwei unabhängigen Stellen kontrollieren und zertifizieren. Rund 80 Prozent aller Biosuisse-Höfe kontrolliert die Bio-Inspecta AG aus Frick AG mit rund 100 Angestellten. Den Rest die Berner Bio Test Agro AG mit gut 30 Mitarbeitern. Die Kosten der jährlichen Kontrolle und Zertifizierung von 600 bis 800 Franken haben die Bio-Bauern selbst zu berappen.
Bio-Inspecta überprüft die Bio-Bauernhöfe mindestens einmal pro Jahr, und zwar nach Voranmeldung. Begründung: Die Bauern sind zu Hause und die Dokumente vorbereitet. Laut Pius Allemann, Regionalleiter Ostschweiz, führt Bio-Inspecta aber auch knapp 250 unangemeldete Kontrollen durch – sei es als Nachkontrolle bei Verstössen oder im Rahmen einer Stichprobe.
In einem umfangreichen Reglement ist vermerkt, wie viele Sanktionspunkte bei einem Verstoss gegen die Bio-Richtlinien fällig werden. Hat ein Bauer – gemessen an der Stallgrösse – zu viele Kühe, kassiert er pro überzähliges Tier 10 Sanktionspunkte. Die Punkte dreier Jahre werden zusammengezählt. Ab 110 Sanktionspunkten verliert er das Bio-Label.
Im Jahr 2010 kontrollierte Bio-Inspecta 4844 Bauernbetriebe. Bei rund 900 Höfen stellten sie kleine Mängel fest. 120 Mal monierten die Kontrolleure Verstösse mit 10 und mehr Sanktionspunkten. Zwei Höfe verloren das Bio-Label.