Berichterstattung im Sold der Schweizer Armee
Der Bundesrat will das Armeebudget von jährlich 4,4 Milliarden auf 4,7 Milliarden Franken erhöhen. Verteidigungsminister Ueli Maurer verkauft die Erhöhung als drastische Sparübung. Und fast alle Medien unterstützen ihn dabei.
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saldo 10/2013
29.05.2013
Rolf Hürzeler
Der schutzbedürftige Bürger kommt ab 2016 ins Zittern: «Wochenlang ohne Armeeschutz», schreibt die «Neue Luzerner Zeitung». Und weiter: «Die Schweizer Armee soll künftig nur noch 100 000 Mann umfassen.» Das sei mit einem «Abbau von Sicherheit» verbunden, wird Verteidigungsminister Ueli Maurer zitiert. Denn der heutige Truppenbestand beläuft sich mit 180 000 Armeeangehörigen auf fast das Doppelte. Die «Freiburger Na...
Der schutzbedürftige Bürger kommt ab 2016 ins Zittern: «Wochenlang ohne Armeeschutz», schreibt die «Neue Luzerner Zeitung». Und weiter: «Die Schweizer Armee soll künftig nur noch 100 000 Mann umfassen.» Das sei mit einem «Abbau von Sicherheit» verbunden, wird Verteidigungsminister Ueli Maurer zitiert. Denn der heutige Truppenbestand beläuft sich mit 180 000 Armeeangehörigen auf fast das Doppelte. Die «Freiburger Nachrichten» titeln: «Die Schweizer Armee wird radikal abgespeckt.» Der «Walliser Bote» hält fest: «Auch die Armee muss sparen.» Der «Blick am Abend» schreibt: «Radikaler Sparplan für die Schweizer Armee.» Angesichts der effektiven Zahlen mit einer vorgesehenen Budgeterhöhung von 300 Millionen Franken muss man eine Irreführung der Leserschaft konstatieren.
Nur der «Blick» hebt sich mit einem ziemlich schrägen Kommentar aus dem Bundeshaus vom Mainstream ab: Die Armee soll sich doch, bitte sehr, die Post als Vorbild nehmen. Denn diese baue mit Erfolg ihren Service public etwa bei den Schaltern ab: «Ob Post oder Armee: Die Zeiten, in denen wir uns alles leisten können, sind längst vorbei.» Stellt sich einzig die Frage, was die Konsumenten mehr schmerzt: Eine fehlende Poststelle oder ein kürzerer WK? Und die Post macht bekanntlich hohe Gewinne (saldo 7/13), die Armee ist nur ein Kostenfaktor.
Löblich: Die «Südostschweiz» rechnet nach
Immerhin können die Bündner Leser eine andere Sicht der Dinge lesen: «Die Zahlen sprechen gegen das Lamento der Armee», schreibt die «Südostschweiz». Und weiter: «Von einem Kahlschlag kann keine Rede sein.» Das Blatt rechnet vor, dass die Armee im vergangenen Jahr 4,4 Milliarden Franken gekostet hatte: «Ein Betrag, den man auch 2003 schon erreicht hatte. Dazwischen waren die Militärausgaben mal höher, mal geringer.»
Das Blatt zeigt weiter, dass die Ausgaben pro Soldat seit 1990 gestiegen sind. Jedoch heisst es über diesen Zeitraum auch: «Der Anteil der Landesverteidigung an den Gesamtausgaben ist von 15 auf 7 Prozent geschrumpft.» Nicht etwa, weil die Militärausgaben zurückgegangen wären, sondern weil die übrigen Ausgaben zugenommen haben. In einem anderen Artikel hält die «Südostschweiz» unerschrocken fest, was von der angeblichen Abbaustrategie zu halten ist: «Verteidigungsminister Maurer lanciert Kampf um mehr Geld.» Mit der gütigen Mithilfe der meisten Medien.
NZZ nimmt die angebliche Sparpolitik in Schutz
Die NZZ hat – offenbar mit Unterstützung des Verteidigungsdepartements VBS – Maurers Kampagne lanciert. Zumindest hatte sie als einziges Blatt Einsicht in einen «61-seitigen Bericht, der sich zurzeit in der verwaltungsinternen Ämterkonsultation befindet». Das Blatt zitiert daraus, dass mit einem «jährlichen Kostenrahmen von 4,7 Milliarden Franken grosse Einschnitte unausweichlich» seien. Die NZZ schreibt zwar nur von Umbau und nicht von einem Abbau, doch von der geplanten Erhöhung des Budgets ist keine Rede. Die NZZ lobte in der Folge auch Maurers Politik und nahm den Bundesrat gegen Kritik von links und rechts in Schutz.
Der «Tages-Anzeiger» titelt zwar «Armee der Zukunft: Kleiner, flexibler, teurer». Doch erst im fünften Abschnitt wird auf die Budget-erhöhung um 300 Millionen Franken hingewiesen. Zuvor wird dem Leser ebenfalls Maurers Abbau erklärt. In einem anderen Artikel ist ihm der «Tages-Anzeiger» doch noch auf den Leim gekrochen: «Die Armee steht vor einem grösseren Um- und Abbau.»
Auch die SRG-Medien merkten nichts. Allen voran das Schweizer Fernsehen: Die «Tagesschau» zeigte am 13. Mai treuherzig TV-Bilder einer grossen VBS-Propagandaveranstaltung im aargauischen Mägenwil, wo Genietruppen einen Brückenübergang bauten. Und Ueli Maurer durfte für sein Anliegen mit der Drohung werben: «In Zukunft ist die Armee während einigen Wochen im Jahr nicht vorhanden.» Am späteren Abend des gleichen Tages zeigte «10 vor 10» zum Teil die gleichen Bilder und bot Ueli Maurer ebenfalls eine Plattform: «Ich sehe mich gezwungen, der Armee einen Sparkurs zu verpassen.» Und niemand sagte dem Fernsehpublikum, dass die Armee in Zukunft teurer wird.
Das «Echo der Zeit» von Radio SRF stellte Maurers Mägenwil-Übung zwar tatsächlich als Propaganda dar, stellt aber nicht etwa die Sparabsicht in Frage. Im Gegenteil: «Sparen will der Verteidigungsminister, indem er die Dienstzeit verkürzen will.» Laut dem «Echo» hofft Maurer insgeheim auf bürgerliche Parlamentarier, die eine Erhöhung der jährlichen Militärausgaben auf gar 5 Milliarden Franken anstreben. Der Nationalrat hat bereits in diesem Sinn entschieden, fehlt nur noch der Ständerat. Aber das «Echo» ruft in Erinnerung, dass der Ständerat nicht zwingend militärfreundlich ist, denn er lehnte einen Kaufentscheid für den Kampfjet Gripen zumindest vorläufig bereits ab.
Klare Strategie: Jammern, um mehr Geld zu erhalten
Die Absicht hinter der PR-Strategie des Militärs ist klar: Die Medien sollen den Eindruck erwecken, beim Militär werde gespart. Damit es den Parlamentariern nach all dem Gejammer leichter fällt, noch mehr Geld als bisher für die Armee auszugeben. In diesem Zusammenhang erinnert man sich an die Aussagen von Maurer über die Einsatzfähigkeit der Luftwaffe zu Beginn des Jahres anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos. Das VBS klagte, dass die Luftüberwachung nur zu Bürozeiten gewährleistet sei. Die schlecht informierten Steuerzahler sollen so wohl dazu motiviert werden, den darbenden Militärs wenigstens ein neues Flugzeug zu schenken, sollte es dereinst eine Volksabstimmung über den neuen Kampfjet geben.