Bauernhaus gegen Geld, Land und ein Transportfahrzeug
Ein Vater hinterlässt seinen zwei Söhnen ein Bauernhaus und vier Parzellen Landwirtschaftsland. Die Brüder können sich über den Wert des Hauses nicht einigen. Das Bezirksgericht Dielsdorf überzeugt die Brüder zu einem Kompromiss.
Inhalt
saldo 10/2013
29.05.2013
Sandra Zrinski
Der Gerichtsvorsitzende des Bezirksgerichts Dielsdorf redet den Brüdern Sepp und Heiri Fuchs (Namen geändert) ins Gewissen: «Wenn Sie sich heute nicht einigen, lassen wir das Haus versteigern. Dann können Sie nicht mehr wählen, wer es bekommt.» Die beiden bilden eine Erbengemeinschaft und müssen die Teilung klären. Sonst entscheidet das Gericht. Beide lassen sich durch einen Anwalt vertreten.
Der verwitwete Vater der Brüder besass ein...
Der Gerichtsvorsitzende des Bezirksgerichts Dielsdorf redet den Brüdern Sepp und Heiri Fuchs (Namen geändert) ins Gewissen: «Wenn Sie sich heute nicht einigen, lassen wir das Haus versteigern. Dann können Sie nicht mehr wählen, wer es bekommt.» Die beiden bilden eine Erbengemeinschaft und müssen die Teilung klären. Sonst entscheidet das Gericht. Beide lassen sich durch einen Anwalt vertreten.
Der verwitwete Vater der Brüder besass einst eine Gärtnerei. Er starb 2009. Ein Testament existiert nicht. Seinen Söhnen hinterliess er ein renovationsbedürftiges Bauernhaus, vier Parzellen Landwirtschaftsland, Bargeld und zwei Transportfahrzeuge der Marke Rapid.
Heiri zog nach dem Tod des Vaters ins Bauernhaus ein, ohne seinen Bruder darüber zu informieren. Er will das Haus unbedingt behalten. «Heiri hat einfach die Schlösser ausgewechselt, sodass ich nicht mehr ins Haus konnte», klagt Sepp.
Die Brüder liessen das Haus zweimal schätzen. Ein Architekt bezifferte den Wert auf 1,27 Millionen Franken. Der Hauseigentümerverband kam auf 1,4 Millionen Franken. Das bedeutet: Will Heiri das Haus behalten, muss er seinem Bruder eine Ausgleichszahlung leisten. Denn Land, Bankguthaben und die beiden Transporter sind zusammen weniger wert als das Haus.
«Zwei Brüder, zwei Rapid. Jeder bekommt einen. Punkt.»
Doch welchen Wert hat das Haus tatsächlich? Der Anwalt von Sepp zählt die beiden Beträge zusammen und teilt die Summe durch zwei – macht 1,335 Millionen Franken. Heiris Anwalt beharrt auf der tieferen Schätzung und macht geltend, dass sein Klient für die Instandstellung des Kachelofens bereits 40 000 Franken bezahlt habe. Das Haus wäre sonst nicht beheizbar gewesen. Und für das Malen der Wände habe er Farbe für 10 000 Franken gekauft. Ob er den Bruder über diese Arbeiten und Kosten informiert habe, will der Gerichtsvorsitzende wissen. Heiris Antwort: «Nein.»
Sepp macht Gegenforderungen geltend: Er habe eine hohe Stromrechnung von 3000 Franken für seinen Bruder beglichen, und er komme für den Unterhalt des Grabes auf. Zudem könne Heiri nicht gratis im Haus wohnen. Eine Miete von monatlich 2000 Franken sei angemessen. Das sei auch rückwirkend zu bezahlen.
Beim Schlagabtausch kommen die beiden immer wieder auf die Transporter zu sprechen. Heiri will beide behalten. Der Vater habe ihm diese versprochen. Beweise hat er nicht. Deshalb ist zumindest diese Frage für den Gerichtsvorsitzenden schnell beantwortet: «Zwei Brüder, zwei Rapid. Damit ist klar: Jeder bekommt einen. Punkt.»
Nach einigem Hin und Her unterbreitet er den Brüdern einen Vorschlag: Heiri soll das Haus behalten und Sepp 240 000 Franken zahlen. Damit kämen beide nach Berechnung des Gerichts gleich gut weg. Basis für die Berechnung ist die tiefere Schätzung von 1,27 Millionen Franken. Der Gerichtspräsident schickt die Parteien aus dem Gerichtssaal, damit sie den Vorschlag mit ihren Anwälten besprechen können. Nach einer Viertelstunde sind alle wieder im Saal. Sepp und sein Anwalt beharren auf einer Ausgleichszahlung von 300 000 Franken. Das sei das Mindeste, was Sepp erwarten könne, sagt sein Anwalt.
Heiri lehnt ab. Der Gerichtspräsident schickt die Parteien erneut aus dem Saal, damit sie in Ruhe überlegen können. Das Hin und Her strapaziert die Geduld – vor allem diejenige der Anwälte. Schliesslich willigt Heiri ein, seinem Bruder 270 000 Franken zu zahlen. Doch dieser ist damit nicht einverstanden.
Gericht droht hohe Gebühren an – die Brüder lenken ein
Jetzt werden auch die drei Richter langsam unruhig. Der Gerichtsvorsitzende rechnet den Brüdern genau vor, dass sie bei einem Vergleich eine Gerichtsgebühr von 15 000 Franken zahlen müssten. Bei einem Urteil betrage die Gebühr bereits 45 000 Franken und auch die Anwaltskosten würden weiter steigen. «Sie werden uns und Ihre Anwälte bezahlen und vom Erbe Ihres Vaters bleibt immer weniger übrig. Wollen Sie das wirklich?»
Jetzt lenken Heiri und Sepp ein. Heiri erhält das Haus und überweist Sepp eine Ausgleichszahlung von 270 000 Franken. Dazu erhält Sepp das Land und das Bargeld. Die Gerichtskosten werden geteilt. Neu übernimmt Heiri den Grabunterhalt und jeder bekommt einen Rapid. Allerdings müsse ihm Sepp noch die Gebrauchsanweisung herausrücken, schiebt Heiri nach, denn diese habe er bisher nicht erhalten.
Prozessieren: Erbteilungsklage – eine teure Angelegenheit
Die Erben eines Nachlasses sind nur gemeinsam handlungsfähig, für alle Entscheide ist also das Einverständnis aller Erben notwendig. Beendet wird die Gemeinschaft durch einen Teilungsvertrag unter den Erben. Einigen sie sich untereinander nicht, kann jeder Erbe jederzeit beim Gericht auf Erbteilung klagen. Die Richter versuchen zuerst, eine gütliche Einigung zu erreichen.
Scheitert dies, verteilt das Gericht das Vermögen – notfalls durch den Verkauf von Gegenständen oder Liegenschaften. Erbschaftsklagen kommen die Erben teuer zu stehen. Die Gerichtskosten werden weitgehend nach der Höhe des Nachlasses bestimmt. Eine gütliche Einigung ist für die Erben somit günstiger.