Für ihr Haus in Basel nahmen Erika und Franz Moser (Namen geändert) im Juni 2009 bei der Credit Suisse eine Hypothek über 600 000 Franken auf. Beim Kredit handelt es sich um eine Liborhypothek. Dabei setzt sich der Zinssatz aus dem Referenzzinssatz Libor (London Interbank Offered Rate) und einer Gewinnmarge der Bank zusammen.
Das Ehepaar Moser vereinbarte mit der Credit Suisse als Basis für die Zinsberechnung den 1-Monats-Libor plus eine Marge von 0,55 Prozent. Der Vertrag läuft über zehn Jahre, also bis zum 30. Juni 2019.
Im August 2011 sank der 1-Monats-Libor erstmals knapp unter den Nullpunkt. Die Credit Suisse reagierte prompt. Auf den monatlichen Zinssatzanzeigen stand ab dem Folgemonat in einer Fussnote: «Im Fall eines negativen Liborsatzes wird ein Liborsatz von 0,000 % für die Berechnung verwendet.»
Zurzeit beträgt der 1-Monats-Libor minus 0,77 Prozent. Das heisst: Gemäss Vertrag müsste das Ehepaar Moser für die Hypothek keinen Zins mehr bezahlen, sondern würde von der Credit Suisse eine Gutschrift von 0,22 Prozent erhalten. Das sind 110 Franken pro Monat. Tatsächlich belastet die Bank den Mosers aber die Marge von 0,55 Prozent auf Basis eines Libors von null Prozent.
Franz Moser ärgert sich darüber, dass die Credit Suisse ohne eine Vertragsänderung oder offizielle Mitteilung von null Prozent ausgeht. Zu Recht: Thomas Koller, Rechtsprofessor an der Universität Bern, sagt klar: «Ein Vertrag kann während seiner Laufzeit nicht durch eine Partei einseitig abgeändert werden.» Es sei denn, die Umstände hätten sich grundlegend und dauerhaft geändert. Diese Voraussetzung erachtet er hier «nicht als erfüllt». Das bedeutet, dass die Bank für die ganze Dauer von zehn Jahren an die vereinbarte Zinsregelung gebunden ist.
Auch die Bank muss ihren Teil des Zinsrisikos tragen
Laut Koller enthält eine Geldmarkthypothek für den Kunden «ein recht spekulatives Element». Auch sei sie «mit erheblichen Risiken verbunden». Nicht von ungefähr finde sich im Rahmenvertrag der Hinweis, der Kreditnehmer sei über die Zinsrisiken informiert worden. Deshalb ist es nach Kollers Dafürhalten «nur sachgerecht», wenn auch die Bank Risiken zu tragen hat. «Das spricht dafür, dass die Bank damit leben muss, dass der Referenzzinssatz negativ werden kann.»
Heute haben die Schweizer Banken alle neuen Libor-Hypothekarverträge so formuliert, dass der massgebliche Liborsatz stets mindestens null Prozent beträgt. Die Zürcher Kantonalbank, die Credit Suisse und das VZ-Hypothekenzentrum führten diese Regelung im Spätsommer 2011 ein. Raiffeisen, Migros-Bank und UBS folgten 2012, die Postfinance Ende 2014.
Nur ein Institut verhielt sich korrekt und zahlte den Vorteil aus
Da Geldmarkthypotheken je nach Bank eine Laufzeit von drei bis fünf oder mehr Jahren haben, dürfte eine stattliche Anzahl Verträge ohne festgelegte Zinsuntergrenze noch in Kraft sein. Laut saldo-Recherchen gab einzig die Migros-Bank bei Altverträgen den negativen Liborsatz an die Kunden weiter. Das führte gemäss der Bank dazu, dass bei einer «verschwindend kleinen Anzahl» von Verträgen die Kreditnehmer für ihre Hypothek bezahlt wurden. Da die Migros-Bank LiborGeldmarkthypotheken nur auf drei Jahre abschliesst, sind inzwischen alle Altverträge ausgelaufen.
Alle anderen Banken rechneten auch bei Altverträgen mit einem Libor von mindestens null Prozent. Eine Vertragsänderung nahmen sie nicht vor. In der Regel begnügten sie sich damit, die Kunden in der Zinssatzanzeige auf die neue Zinsuntergrenze hinzuweisen. Damit sei die bestehende Vertragslücke gefüllt worden, findet Postfinance. Kunden hätten ja auf diese Information reagieren können, wenn sie nicht einverstanden gewesen wären.
UBS sieht Untergrenze von null Prozent als Selbstverständlichkeit
Was sagen Banken dazu, dass sie laut Koller bei bestehenden Verträgen negative Liborsätze weitergeben müssen? Credit Suisse entgegnet, es gehöre zum Kreditgeschäft, dass der Kunde für die Hypothek etwas bezahle. Bestehende Kreditverträge seien in diesem Sinne «zu verstehen und auszulegen». Für die UBS ist es auch ohne ausdrückliche Bestimmung «eine Selbstverständlichkeit», dass der Liborsatz für die Zinsberechnung nie kleiner als null sein kann.
Diese Frage entscheiden im Streitfall die Gerichte. In Österreich liegt ein erstes Urteil vor. Die Raiffeisenbank am Bodensee führte bei bestehenden Verträgen per Mitteilung null Prozent als Untergrenze ein. Das Landesgericht Feldkirch hiess eine Klage des Vereins für Konsumenteninformation gegen diese Praxis gut. Die Bank zieht das Urteil weiter.