Ab dem nächsten Jahr werden die SBB rund 5000 Züge zusätzlich durch den Gotthard fahren. Bis jetzt führte die BLS diesen Auftrag des deutschen Transportunternehmens DB Schneider aus.

Mit dem Wegfall verliert die Güterabteilung der BLS einen Viertel ihres Geschäftsvolumens. Deshalb muss sie 80 Stellen streichen. Die BLS verzichtete nach eigenen Aussagen darauf, den Auftrag aus Deutschland zu nicht kostendeckenden Preisen auszuführen. Die SBB müssen die Deutschen mit einem Dumpingangebot geködert haben. Denn die Ausgangslage ist für beide gleich: Die Preise, welche SBB und BLS für die Benützung des Trassees zahlen, ist gleich. Das gilt auch für die Löhne der Lokführer.

Pikant: Auftraggeber DB Schneider ist nicht nur der grösste Güterkunde der BLS, sondern auch mit einem Anteil von 45 Prozent am Aktienkapital der BLS Cargo, einer Tochter der BLS, beteiligt. Als Grossaktionär wechselt man nicht einfach so zum Konkurrenten. Da muss mehr dahinterstecken.

Die Güterverkehrssparte ist seit Jahren das grösste Sorgenkind der SBB. In den letzten zehn Jahren fuhr SBB Cargo total über eine halbe Milliarde Franken Verlust ein. Trotz mehrerer Manager- und Strategiewechsel musste der SBB-Personenverkehr Jahr für Jahr die Löcher von SBB Cargo stopfen. Deshalb stellt man sich auch im Umfeld der Güterbahnen Fragen über den Hintergrund des Dumping­angebots der SBB.

Insider haben eine Erklärung: DB Schneider ist der grosse Profiteur der Änderung. Er zahlt ab nächstem Jahr dank der SBB-Offerte weniger für den Transport seiner Wagen durch die Schweiz. DB Schneider ist die Güterabteilung der Deutschen Bahn – und das grösste Güterverkehrsunternehmen in Europa. Vor Jahren schon war von einer künftigen Beteiligung von DB Schneider bei SBB Cargo die Rede. Jetzt könnten die Deutschen zum Schnäppchenpreis einsteigen: Sie mindern den Wert von SBB Cargo, weil diese mit dem zu günstig offerierten Grossauftrag noch mehr Geld verliert. Gleichzeitig steigen sie bei BLS Cargo aus und schwächen den neuen Konkurrenten, indem sie ihm den Auftrag wegschnappen.


DB Schneider führt strategische Überlegungen an

Die angesprochenen Firmen  dementieren. SBB Cargo behauptet, der Auftrag werde profitabel sein. Bei BLS Cargo sagt man zerknirscht, der wegfallende Verkehr sei eh nicht profitabel gewesen. Und DB Schneider sagt, dass nicht der Preis, sondern strategische Überlegungen entscheidend gewesen seien.

Auch aus einem anderen Grund wäre ein Einstieg oder Kauf von SBB Cargo für die DB günstig: Im April hat der Bundesrat das revidierte Gütertransportgesetz in die Vernehmlassung geschickt. Wenn es nach dem Bundesrat geht, soll das Angebot des Schienenverkehrs «eigenwirtschaftlich» sein. Er will die SBB aber nicht mehr gesetzlich dazu verpflichten, Güter zu transportieren. Das Unternehmen kann künftig selbst entscheiden, welche Leistungen es anbietet oder welche Partnerschaften es eingeht. Damit wäre die Fahrt für DB Schneider in der Schweiz frei.


Schweizer Schienennetz: Das Geschäft mit der Trasseevergabe

Flugzeuge brauchen zum Starten und Landen ein Zeitfenster. Eisenbahnen, die das Schweizer Schienennetz nutzen wollen, müssen eine Durchfahrtgenehmigung haben. Dafür ist Trasse Schweiz zuständig. Das Unternehmen gehört SBB, BLS, Südostbahn und dem Verband öffentlicher Verkehr.

Das soll anders werden. Künftig soll laut Expertenbericht zur Zukunft der Schweizer Bahninfrastruktur der Bund die Schienentrassees in der Schweiz vergeben. Grund: Die aktuellen Besitzer von Trasse Schweiz sind jene Bahnen, denen die meisten Gleise gehören. Das verhindert in den Augen der EU den Wettbewerb und erhöht die Gefahr, dass sich diese Bahnen bei der Trasseevergabe bevorzugen.

Täglich rollen 9000 Züge durch die Schweiz. Allein die SBB verkauften 2010 über 163 Millionen Trasseekilometer an andere Bahnen. Nur schon der Basispreise für einen Trasseekilometer (ohne Energie, Wasser und Zusatzleistungen wie Rangieren) beträgt beim günstigsten Tarif 171 Millionen Franken – beim höchsten Tarif sind es 558 Millionen Franken.

Kein Wunder sagte SBB-Chef Andreas Meyer kürzlich, dass die SBB gerne das Netz von Privatbahnen wie jenes der BLS übernehmen würden. Dieses Bestreben steht im Gegensatz zu den Klagen der SBB, die Trasseepreise in der Schweiz seien zu tief. Ein Interesse an einem Defizitgeschäft ist eher unüblich.