Medikamenten-Preis: Deutsche Kassen bieten Boehringer die Stirn
Böhringer Ingelheim hat in Deutschland ihr Medikament Trajenta wieder vom Markt genommen. Die Krankenkassen akzeptierten den hohen Preis nicht. In der Schweiz hatten die Behörden nichts einzuwenden.
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Gesundheitstipp 07/2012
24.06.2012
Letzte Aktualisierung:
25.06.2012
Tobias Frey
Die Verhandlungen waren zäh: Rund ein Jahr lang stritten die deutschen Krankenkassen und das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim um den Preis des Diabetes-Medikaments Trajenta. Es gehört zur Gruppe der Gliptine, die das Ausschütten von Insulin fördern.
Boehringer hat schliesslich klein beigegeben: Der Konzern brach die Verhandlungen ab und nahm das Medikament in Deutschland vom Markt. Wie sehr die Preisvorstellungen auseinanderklafften, kommt erst j...
Die Verhandlungen waren zäh: Rund ein Jahr lang stritten die deutschen Krankenkassen und das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim um den Preis des Diabetes-Medikaments Trajenta. Es gehört zur Gruppe der Gliptine, die das Ausschütten von Insulin fördern.
Boehringer hat schliesslich klein beigegeben: Der Konzern brach die Verhandlungen ab und nahm das Medikament in Deutschland vom Markt. Wie sehr die Preisvorstellungen auseinanderklafften, kommt erst jetzt heraus: Böhringer verlangte für die Tagesdosis rund Fr. 1.50. Die Kassen wollten aber höchstens 20 Rappen zahlen – so viel kostet eine vergleichbare Therapie mit bewährten Medikamenten wie Metformin oder Sulfonylharnstoffen.
«Kein Beleg für einen Zusatznutzen»
Für die deutschen Krankenkassen gibt es keinen Grund für einen höheren Preis: Böhringer konnte nicht belegen, dass ihr Medikament gegenüber den älteren Medikamenten einen Zusatznutzen bringt. In diesem Fall dürfen Kassen die Kosten der bewährten Therapien heranziehen. So will es ein deutsches Gesetz, das erst seit zwei Jahren gilt. Die Kassen konnten sich auf ein Gutachten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen stützen. Es kam bei Trajenta zum vernichtenden Schluss: «Es gibt keinen Beleg für einen Zusatznutzen.» Böhringer ihrerseits hatte nur Studien eingereicht, die Trajenta mit einem anderen Gliptin-Medikament verglichen – von dem der Nutzen für Patienten aber ebenfalls nicht klar ist.
Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber des deutschen «Arznei-Telegramms», begrüsst den Entscheid des Herstellers, Trajenta vom Markt zu nehmen. Jetzt könnten es Ärzte nicht mehr Patienten anstelle von «bewährten Produkten» verschreiben. Sein Fazit: «Für Patienten ist das von Vorteil.»
In der Schweiz nur Vergleich mit Placebo
Anders in der Schweiz: Seit Ende März ist Trajenta hier zugelassen – zu dem von Böhringer geforderten Preis. Im Gegensatz zu Deutschland haben die Kassen in der Schweiz zum Preis nichts zu sagen. Das Bundesamt für Gesundheit entscheidet alleine.
Kommt dazu: Gemäss Packungsbeilage musste Boehringer der Zulassungsbehörde Swissmedic nur gerade zeigen, dass Trajenta besser wirkt als ein Scheinmedikament, ein Placebo. In einer weiteren Studie verglich die Firma die Wirkung von Trajenta bloss in Kombination mit andern Medikamenten.
Swissmedic bestätigt das gegenüber dem Gesundheitstipp. Zum Erteilen einer Zulassung könne der Beleg gegenüber Placebo ausreichend sein. Welche Studien man durchführe, hänge auch von «ethischen Gesichtspunkten» ab. Daniel Dauwalder vom Bundesamt für Gesundheit sagt, dass die Kassen Trajenta nur eingeschränkt bezahlen müssten, in Kombination mit anderen Diabetesmitteln. Alle Hersteller müssten dazu aufzeigen, dass ihr Medikament wirksam sei wie andere Mitteln «ähnlicher Wirkungsweise». Vergleiche man
Trajenta zudem mit anderen Gliptinen, sei es «das günstigste Präparat». In der Tat sind die Medikamente Januvia und Galvus teurer.
Böhringer Ingelheim sagt, das Medikament sei «gründlich erprobt». Das Dossier für die Schweizer Behörden entspreche dem für die EU.
Merkblatt «Diabetes-Medikamente»:
Zum Herunterladen unter www.gesundheitstipp.ch.