Cholesterinsenker erhöht das Diabetes-Risiko
Ärzte verschreiben immer mehr Medikamente gegen zu hohes Cholesterin. Doch es gibt einen Grund, zurückhaltender zu sein: das Risiko für Diabetes.
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Gesundheitstipp 03/2012
10.03.2012
Letzte Aktualisierung:
13.03.2012
Sonja Marti, Redaktion Gesundheitstipp
Gesundheitlich ist alles in Ordnung», sagte der Arzt zu Margaritha Kummer aus Hinterkappelen BE. Nur das Cholesterin sei etwas hoch. Er werde ihr ein Medikament verschreiben, um das Cholesterin zu senken. Das schütze die Seniorin vor Herzinfarkt und Hirnschlag.
Seit ein paar Jahren verschreiben Ärzte in der Schweiz immer mehr Cholesterinsenker – sogenannte Statine. Innert fünf Jahren stieg die Zahl von rund 1,4 Millionen Packungen pro Jahr auf ...
Gesundheitlich ist alles in Ordnung», sagte der Arzt zu Margaritha Kummer aus Hinterkappelen BE. Nur das Cholesterin sei etwas hoch. Er werde ihr ein Medikament verschreiben, um das Cholesterin zu senken. Das schütze die Seniorin vor Herzinfarkt und Hirnschlag.
Seit ein paar Jahren verschreiben Ärzte in der Schweiz immer mehr Cholesterinsenker – sogenannte Statine. Innert fünf Jahren stieg die Zahl von rund 1,4 Millionen Packungen pro Jahr auf über 1,8 Millionen (siehe Grafik). Dabei mahnen Fachleute schon länger zu mehr Zurückhaltung. Arzt Felix Huber von der Medix-Praxis in Zürich: «Ärzte geben zu oft Statine ab.» Und das betreffe vor allem Patienten, die noch nie einen Herzinfarkt hatten. Doch ihnen bringen die Mittel meist wenig, so Huber.
Dazu kommt: Die Pillen können ernsthafte Nachteile haben. Das zeigt jetzt erneut eine US-Studie. Resultat: Wer Statine schluckt, erkrankt häufiger an Diabetes. Die Forscher werteten Daten von über 150 000 älteren Frauen aus.
Etzel Gysling, Arzt und Herausgeber der Zeitschrift «Pharmakritik», sagt, die neue Studie bestätige frühere Untersuchungen. Daran hatten auch Männer teilgenommen. Gysling: «Es ist allerdings noch unklar, wieso Statine das Diabetesrisiko erhöhen können.»
Statine können für Patienten noch weitere Nebenwirkungen haben – zum Beispiel Leberschäden und Muskelschmerzen. Im Vergleich dazu ist der Nutzen für viele Patienten bescheiden. Der deutsche Pharmakritiker Wolfgang Becker-Brüser sagt: «Ein erhöhter Cholesterinspiegel allein ist selten ein Grund, Statine zu verschreiben.» In solchen Fällen hilft oft schon ein gesünderer Lebensstil (siehe Tipps).
Sinnvoll sind Statine bei Patienten, die bereits einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hatten. Wolfgang Becker-Brüser: «Ihnen helfen die Medikamente, einen weiteren Infarkt zu verhindern.»
Ebenso nützlich seien sie, wenn Patienten gleich mehrere Risiken fürs Herz haben, wie hohes Alter, Übergewicht, Rauchen und Bluthochdruck. Ihnen empfiehlt Becker-Brüser Cholesterinsenker mit den Wirkstoffen Simvastatin (z. B. Zocor, Simcora) oder Pravastatin (z. B. Selipran, Mevalotin). Sein Fazit: «Man muss bei jedem Patienten abklären, ob für ihn der Nutzen des Cholesterinsenkers die Nachteile überwiegt.» Dabei gelte es, auch das möglicherweise erhöhte Risiko für Diabetes zu berücksichtigen.
Die Bernerin Margaritha Kummer hat sich gegen das Medikament entschieden: «Chemie kommt für mich nicht infrage.» Dafür übt sie jetzt regelmässig auf ihrem Pedal-Trainer und macht Turnübungen, um sich fit zu halten. Zudem hat sie Süssigkeiten wie Russenzopf aus dem Speiseplan verbannt. Sie isst weniger Fleisch, Butter und Käse, dafür viel Früchte, Gemüse und Birchermüesli. «Damit habe ich mein Cholesterin im Griff», sagt Margaritha Kummer.
Sortis-Hersteller Pfizer wollte nicht Stellung nehmen Merck Sharp & Dohme, Hersteller von Zocor schreibt: Die Vorteile der Statine würden überwiegen.