Native Advertising, Content Marketing, Advertorial: Begriffe wie diese passen bestens zur PR-Sprache. Was ihre Bedeutung angeht, macht die Werbebranche zwar feine Unterschiede. Im Kern geht es aber stets ums Gleiche – um Werbung, die von der Leserschaft nicht als solche erkannt werden soll. Und das funktioniert am besten im redaktionellen Teil. Das Publikum von Zeitungen, Zeitschriften und Medien- Websites soll glauben, keine von Werbekunden bezahlten Texte vor sich zu haben, sondern unabhängig verfasste Inhalte der Redaktion. Zwei Beispiele.
«Blick.ch»
«Blick.ch», das Internetportal der «Blick»-Gruppe aus dem Hause Ringier, veröffentlichte kürzlich im portalüblichen Layout den Kurztext «Das müssen Sie über private Videoüberwachung wissen» (siehe Bilder im PDF). Beigefügt war das Logo «Blick-Tipps». Wer auf den Kurztext klickte, gelangte zum Beitrag – über dem klein geschrieben stand: «Dieser Artikel wurde verfasst vom Blick-Tipps-Team». Erst am Ende des Artikels stand, was es damit auf sich hat: «Das Blick-Tipps-Team schreibt über Produkte, die für unsere Leser interessant sein könnten. Die Blick-Gruppe erhält eine Umsatzbeteiligung, wenn verlinkte Produkte gekauft werden. Das Blick-Tipps-Team ist ein eigener Bereich innerhalb der Blick-Gruppe und unabhängig von Redaktion und Werbung.» Es erstaunt deshalb nicht, dass im Beitrag nicht weniger als fünf Links zu einem Kameraangebot von Geschenkidee.ch führten. Der Internetshop gehört auch zu Ringier.
«Tages-Anzeiger»
Am 19. Juni erschien im «Tages-Anzeiger» ein ganzseitiger Artikel mit der Überschrift «Unser Schlaf ist programmiert». Layout und Schrifttyp unterschieden sich nicht von redaktionellen Beiträgen. Nur der Begriff «Sponsored» oben an der Seite und das Logo des Möbelhauses Ikea am Ende des Texts wiesen auf den Werbecharakter hin. Ganz unten konnten aufmerksame Leser zudem folgenden Hinweis finden: «Diesen Beitrag hat Commercial Publishing Tamedia in Zusammenarbeit mit Ikea erstellt.»
Der gleiche Spruch stand fünf Tage später auch im «Magazin» unter dem doppelseitigen Artikel «Die Besten bleiben liegen». Abgesehen vom Begriff «Sponsored» am oberen Seitenrand und dem Ikea-Logo kam der Text gestalterisch wie ein «Magazin»-Artikel daher. Auch das «Magazin» wird von Tamedia herausgegeben.
Drei Monate später brachte das «Magazin» ein sechsseitiges Interview mit Ikea-Designchef Marcus Engman. Gibt es da einen Zusammenhang? Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer verneint. Der Entscheid zu diesem Interview sei «ein rein redaktioneller» gewesen. Marcus Engman sei ein gefragter Gesprächspartner und komme regelmässig in den Qualitätsmedien zu Wort.
Verhaltenskodex wird nicht eingehalten
Einzelfälle sind das nicht. Kaschierte Werbung gibts in Presse und Internet zuhauf. Und dies, obwohl der Verband Schweizer Medien und die Schweizer Chefredaktorenkonferenz bereits vor Jahren einen sogenannten Code of Conduct zum Umgang mit bezahlter Werbung unterzeichnet haben. Er verlangt unter anderem: «Für den Medienkonsumenten muss immer klar erkennbar sein, ob die Inhalte redaktionellen Ursprungs oder kommerziell als Werbefläche platziert und von Dritten bezahlt sind.» Insbesondere sei «auf eine klare Unterscheidbarkeit der Typografie zu achten».
Tönt gut, nur ist die Wirkung bescheiden. Angesichts sinkender Auflagen scheint in Medienhäusern vieles akzeptabel – Hauptsache, es bringt Geld. Tamedia-Sprecher Zimmer bestätigt, dass diese Werbeformen «stark an Bedeutung gewinnen».Wie viel sie heute an ihre Einnahmen beisteuern, verraten weder Tamedia noch die anderen vom K-Tipp kontaktierten Verlage. Dafür erklären sie unisono, die Unterscheidbarkeit von redaktionellem und bezahltem Inhalt gewährleisten zu wollen. Das ist aber oft nicht der Fall. Werbung im redaktionellen Gewand wird mit meist sehr klein geschriebenen Begriffen wie «Publireportage», «Advertorial» und «Paid Post» gekennzeichnet. Diese Wörter gehören weder zum deutschen noch englischen Wortschatz des Durchschnittslesers und verschleiern die Werbung eher, als sie zu deklarieren.
Wird die scharfe Trennung zwischen redaktionellem und bezahltem Inhalt aufgegeben, bleibt dies für die Medien aber nicht folgenlos: «Ihre Glaubwürdigkeit nimmt ab, das haben empirische Studien gezeigt», sagt Colin Porlezza, Medienforscher an der Universität Zürich. Mit anderen Worten: Die Medien verspielen ihr wichtigstes Kapital – die Glaubwürdigkeit.
Vorsicht bei diesen Begriffen
In Schweizer Medien ist kaschierte Werbung im redaktionellen Teil keine Seltenheit mehr. Sie tritt auf unter Begriffen wie:
- Advertorial
- Brand Report
- Branded Content
- Content Marketing
- Native Ad
- Native Advertising
- Paid Post
- Promo
- Publireportage
- Sponsored Content
- Verlagsbeilage