“Versicherte haben keine Lobby”
Der Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus fordert individuellere Prämien für alle Lenker - ohne Berücksichtigung des Passes.
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saldo 4/2007
07.03.2007
saldo: Was haben Sie dagegen, dass der Pass bei den Haftpflichtprämien eine Rolle spielt?
Georg Kreis: Das ist diskriminierend, gesellschaftspolitisch gefährlich und in vielen Einzelfällen rechtswidrig. Menschen werden einzig aufgrund ihres Passes mitverantwortlich gemacht für das unverantwortliche Fahrverhalten einer kleinen Minderheit von Menschen, die denselben Pass haben. Die Prämienunterschiede sind teils auch nach Jahrzehnten unfallfreien Fahrens noch erheblich. Die Betroffenen...
saldo: Was haben Sie dagegen, dass der Pass bei den Haftpflichtprämien eine Rolle spielt?
Georg Kreis: Das ist diskriminierend, gesellschaftspolitisch gefährlich und in vielen Einzelfällen rechtswidrig. Menschen werden einzig aufgrund ihres Passes mitverantwortlich gemacht für das unverantwortliche Fahrverhalten einer kleinen Minderheit von Menschen, die denselben Pass haben. Die Prämienunterschiede sind teils auch nach Jahrzehnten unfallfreien Fahrens noch erheblich. Die Betroffenen haben keine Möglichkeit, auf eine Versicherung auszuweichen, welche die Nationalität nicht als Kriterium hat. In einem Gutachten hat der Freiburger Jurist Bernhard Waldmann jüngst festgehalten, dass Versicherungen bei lange andauernden Prämienunterschieden widerrechtlich handeln.
Die Versicherer berufen sich auf Statistiken, wonach etwa Versicherte aus dem Balkan mehr Schäden verursachen. Höhere Prämien seien eine «risikogerechte Tarifierung».
Risikogerecht ist ein Tarif, der sich am Verhalten des einzelnen Lenkers orientiert, nicht an dessen Pass. Zur Berechnung gibt es sinnvolle Faktoren wie die Fahrerfahrung der Person oder die Umgebung, in der sie fährt. Kombiniert mit einem Bonus-Malus-System, ist diese Tarifierung risikogerechter als die jetzige. Kriterien wie Nationalität, allenfalls auch Geschlecht, kann ein Mensch hingegen nicht oder nur schwer beeinflussen. Sie haben auch mit dem individuellen Fahrverhalten nichts zu tun.
Versicherungen sollten sie daher nicht zur Gruppenbildung und Tarifgestaltung heranziehen. Alles, was die Versicherungen tun müssen, ist, ein auf das individuelle Fahrverhalten gerichtetes Tarifsystem einzuführen. Verursacht jemand einen Unfall, steigt die Prämie. Bleibt jemand unfallfrei, sinkt sie.
Laut Europäischem Versicherungsverband verzichten Versicherer in der EU auf das Kriterium Nationalität. Warum gibt es in der Schweiz so wenig Widerstand gegen Prämien nach Pass?
Versicherte haben keine Lobby. Der Mehrheit der Politiker sind offenbar die Nachteile dieses Systems nicht klar. Dazu sind die Grund- und Menschenrechte leider wenig populär.
Ihre Kommission hat sich im Sommer mit dem Versicherungsverband getroffen. Wie gesprächsbereit sind die Versicherungen?
Von Anfang an schienen sie eher daran interessiert zu sein, uns zu besänftigen. Beim Treffen legten sie Berechnungen vor, sie signalisierten aber in keiner Weise Bereitschaft, ein gerechteres Risikoberechnungssystem zu prüfen.
eb