«Transparenz ist mit unserem Milizsystem nicht vereinbar»
Thomas Pletscher von Economiesuisse ist dagegen, dass die Finanzierung von Abstimmungs- und Wahlpropaganda öffentlich gemacht wird.
Inhalt
saldo 17/2011
23.10.2011
Letzte Aktualisierung:
25.10.2011
Rolf Hürzeler
saldo: Economiesuisse erhält viel Geld von Banken, Versicherungen und der Pharmabranche. Wie viel davon wurde dieses Jahr in Wahlen und Abstimmungen investiert?
Thomas Pletscher: Nichts. Für die Wahlen geben wir kein Geld aus, wir unterstützen weder Parteien noch Kandidaten. Nur bei Abstimmungen engagieren wir uns finanziell. Dieses Jahr fanden aber keine wirtschaftspolitisch relevanten Abstimmungen statt.
Warum sollen d...
saldo: Economiesuisse erhält viel Geld von Banken, Versicherungen und der Pharmabranche. Wie viel davon wurde dieses Jahr in Wahlen und Abstimmungen investiert?
Thomas Pletscher: Nichts. Für die Wahlen geben wir kein Geld aus, wir unterstützen weder Parteien noch Kandidaten. Nur bei Abstimmungen engagieren wir uns finanziell. Dieses Jahr fanden aber keine wirtschaftspolitisch relevanten Abstimmungen statt.
Warum sollen die Stimmbürger von diesem finanziellen Engagement nichts wissen dürfen?
Transparenz ist schnell verlangt, aber schwierig umzusetzen. Da müsste eine riesige Kontrollbürokratie aufgebaut werden.
Aber weshalb gibt Economiesuisse nicht wenigstens die eigenen Zahlen bekannt?
Wir geben jeweils Grössenordnungen bekannt. Aber wenn einer sein eigenes Vermögen in einen Wahlkampf steckt, ist das Privatsache.
Für die Stimmbürger wäre es wichtig zu wissen, wer die Plakate und Inserate finanziert – der Kandidat selbst oder eine hinter ihm stehende Lobby. Nochmals, was haben Sie gegen Transparenz?
Wir haben nichts gegen Transparenz, aber sie ist mit unserem Milizsystem nicht vereinbar. Die Leute möchten nicht, dass die Nachbarn wissen, wen man mit wie viel unterstützt. Ein Zwang zur Bekanntgabe würde dazu führen, dass die Spendebereitschaft zurückginge. Dann müsste der Staat einspringen. Wir wollen aber keine staatliche Parteienfinanzierung.
Weshalb sollten Spender anonym bleiben wollen? Es ist ja nichts Ehrenrühriges, sich für eine Vorlage zu engagieren.
Ein lokaler Gewerbler beispielsweise will vielleicht nicht öffentlich machen, dass er auch Linke unterstützt.
Die Ressourcen waren in diesem Wahlkampf einseitig verteilt. Die grossen bürgerlichen Parteien konnten viel mehr Geld investieren als die Linke und die kleinen Parteien.
Geld allein entscheidet keine Wahlen oder Abstimmungen. Viel wichtiger sind überzeugende Argumente, glaubwürdige Persönlichkeiten und genügend Engagement für eine Sache.
Warum investiert dann Economiesuisse viel Geld in Abstimmungen, wenn es eh nichts nützt?
Es nützt nicht nichts, aber Geld allein ist nicht entscheidend. Wir wollen die Anliegen der Wirtschaft in einer Abstimmungsdebatte sachlich einbringen. Damit die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sehen, welche Auswirkungen ein Entscheid auf die Wirtschaft hat. Wenn im redaktionellen Raum der Zeitungen die Folgen einer Vorlage für den Wirtschaftsstandort Schweiz nicht aufgezeigt werden oder nur einseitig informiert wird, müssen wir dies im Inserateraum ausgleichen.
Weshalb verlegt sich Economiesuisse darauf, indirekt Einfluss zu nehmen, indem sie bei Wahlen Kandidaten diskret fördert?
Das tun wir nicht. Wir führten lediglich eine öffentliche, für jedermann einsehbare Website mit unseren Positionen zu wirtschaftspolitischen Themen.
Das heisst im Interesse der Banken, Versicherungen und der Pharmaindustrie.
Nicht nur, wir repräsentieren über unsere Mitglieder 30 000 Unternehmen aus der ganzen Dienstleistungsbranche und der verarbeitenden Industrie.
Mindestens das Unternehmen, das saldo herausgibt, sieht sich von Economiesuisse nicht repräsentiert.
In einem Dachverband wie Economiesuisse kann nicht jede Einzelposition berücksichtigt werden. Aber beim Ziel, den Wirtschaftsstandort Schweiz zu stärken, herrscht Einigkeit.
Zur Person
Thomas Pletscher, 57, ist Mitglied der Geschäftsleitung des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse in Zürich.