Töffs: Motorenlärm bis zur Schmerzgrenze
Die Motorräder auf Schweizer Strassen sind lärmiger, als das Gesetz erlaubt. Schuld sind die Testverfahren und die Tricks der Töffhersteller.
Inhalt
saldo 06/2011
27.03.2011
Letzte Aktualisierung:
16.11.2018
Marc Mair-Noack
Für viele Motorradfahrer ist der Klang so wichtig wie die Geschwindigkeit. Ob das Dröhnen einer Harley-Davidson oder das Kreischen einer Kawasaki – wer mit dem Töff unterwegs ist, will das Sounderlebnis geniessen.
Sogenannte Sounddesigner suchen für die Töffhersteller nach einem besonderen, charakteristischen Ton der Maschinen – am Motor oder am Auspuff. Für Anwohner und Passanten ist dieser Motorenlärm Tortur pur.
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Für viele Motorradfahrer ist der Klang so wichtig wie die Geschwindigkeit. Ob das Dröhnen einer Harley-Davidson oder das Kreischen einer Kawasaki – wer mit dem Töff unterwegs ist, will das Sounderlebnis geniessen.
Sogenannte Sounddesigner suchen für die Töffhersteller nach einem besonderen, charakteristischen Ton der Maschinen – am Motor oder am Auspuff. Für Anwohner und Passanten ist dieser Motorenlärm Tortur pur.
Hersteller nützen Schwachstellen beim Prüfverfahren aus
Zwar legt das Gesetz den Lärmgrenzwert je nach Grösse der Motoren fest. Doch dies reicht offenbar nicht. Emanuel Schubiger, Chefexperte im Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, bestätigt: «Grenzwerte allein nützen nichts.
Denn oftmals tricksen die Hersteller sportlicher Fahrzeuge und die Zubehörindustrie das Gesetz aus.» Die Hersteller wissen, dass die Lautstärke des Motorrads nur bei einer bestimmten Drehzahl gemessen wird:
Der Töff beschleunigt ab 50 Kilometer pro Stunde und fährt einmal im zweiten und einmal im dritten Gang am Messgerät vorbei. Doch wie laut der Motor bei hohen Geschwindigkeiten und in anderen Gängen tönt, prüft niemand.
Diese Grauzone nützen die Hersteller aus und verleihen ihren Maschinen bei grösserer Beschleunigung oft einen deutlich lauteren Sound.
Experte Emanuel Schubiger weiss, wie das geht: «Die Lautstärke der Motorräder lässt sich oft elektronisch oder durch ein Klappensystem am Auspuff verstärken.» Für ihn besteht hier ein «gesetzlicher Handlungsbedarf».
Hersteller wie BMW oder Yamaha dementieren auf Nachfrage von saldo ein solches Vorgehen. Auch beim Strassenverkehrsamt Bern kennt man die Schwächen der heutigen gesetzlichen Regelung. So zum Beispiel bei einer Harley-Davidson.
Sie röhrte wegen eines neuen Auspuffs deutlich lauter als üblich. Die Tester des Strassenverkehrsamtes beanstandeten dies und verlangten, der Auspuff müsse abmontiert werden. Doch das Recht lag trotz zu hoher Lautstärke auf Seiten des Harley-Besitzers: Innerhalb der Messungen beim Prüfverfahren war das Motorrad normal laut.
Manche Töfffahrer umgehen ausserdem das Gesetz, indem sie für die Prüfung kurzfristig einen lauten Auspuff gegen ein normales Modell ersetzen. In Diskussionsforen im Internet erörtern Motorradfahrer, welche kantonalen Strassenverkehrsämter lascher kontrollieren als andere.
Selbst wenn die Töffs die Grenzwerte einhalten, können die Maschinen die Ohren schädigen: Die Lärmgrenzwerte für Motorräder sind höher als jene für Autos. In der Schweiz gelten laut dem Bundesamt für Strassen dieselben Richtlinien wie in der EU.
Sie besagen zum Beispiel, dass ein Motorrad über 175 Kubikzentimeter Hubraum 80 Dezibel laut sein darf. Bei einem Personenwagen liegt der Grenzwert dagegen bei 74 Dezibel. Zur Veranschaulichung: 10 Dezibel Unterschied entsprechen einer Verdoppelung der Lautstärke.
Bundesrat will an den bestehenden EU-Normen festhalten
Beim Bundesamt für Strassen erklärt man den Unterschied damit, dass sich der Motor beim Auto besser isolieren lässt als beim Töff. Die Mängel der Testverfahren für Motorräder kennt man jedoch: «Die Prüfungsmethoden gibt es schon länger, die Technologie der Motorräder hat sich aber inzwischen weiterentwickelt», sagte Astra-Sprecher Antonello Laveglia.
In einer Motion fordert die grüne Basler Nationalrätin Anita Lachenmeier-Thüring tiefere Grenzwerte für Lärm- und Abgasemissionen bei Motorrädern. Doch der Bundesrat empfiehlt die Ablehnung der Motion. Er will weiterhin an den EU-Richtlinien festhalten.