Auf den Beginn der Sommerferien sinken in der EU die Preisobergrenzen für die Nutzung von Handys im Ausland nochmals. Darauf einigten sich das EU-Parlament, die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten. Die EU hat bereits im letzten Jahr tiefere Preise verordnet, nachdem die Telekomkonzerne diese nicht von sich aus gesenkt hatten (saldo 10/11). Neu gelten folgende Ansätze:

  • Handykunden einer EU-Telekomfirma müssen künftig für einen Anruf im europäischen Ausland maximal 35 Rappen pro Minute zahlen. Zum Vergleich:  Sunrise-Kunden kostet die Minute im Standardtarif Fr. 1.70. Swisscom-Kunden zahlen 80 Rappen, Orange-Kunden für die erste Minute Fr. 1.20 und für jede weitere Minute 40 Rappen.
  • Einen Anruf im Ausland entgegenzunehmen, kostet EU-Nutzer künftig 10 Rappen pro Minute. Kunden von Orange und Swisscom zahlen dafür im Standardtarif 40  Rappen pro Minute, Sunrise verlangt 80 Rappen.
  • Für Kurzmitteilungen gilt künftig für Handynutzer in der EU die Obergrenze von 11 Rappen. Bei Sunrise kostet ein SMS im Normaltarif 50 Rappen, bei Orange 35 Rappen und bei Swisscom 40 Rappen.
  • Beim Datenroaming ­dürfen Telekomfirmen in der EU künftig maximal 85 Rappen pro Megabyte abkassieren. Bei Swisscom kostet das Surfen im Internet zum Standardtarif umgerechnet Fr. 1.40 pro Mega­byte, bei Orange umgerechnet 2 Franken.


Im Juni des letzten Jahres hatten die Leser von saldo,  «K-Tipp» und «Bon à Savoir» innert eines Monats 56 000 Unterschriften gesammelt. Mit der Petition verlangten sie von der zuständigen Bundesrätin Doris Leuthard, die Roaming-gebühren auf EU-Niveau zu senken. Der Bundesrat hatte aber kein Gehör dafür, Preisobergrenzen festzulegen. 

Die Haltung des Bundesrates ist nicht uneigennützig: Die Schweizer Mobilfunkunternehmen machen pro Jahr dank der überrissenen Rechnungen für das Roaming mindestens 330 Millionen Franken Gewinn («K-Tipp» 12/11). Die Gewinne des grössten Mobilfunkkonzerns, der Swisscom, gehen zu einem guten Teil in die Bundeskasse.


Bundesrat selbst bestätigt überhöhte Auslandtarife

Selbst der Bundesrat bestreitet nicht, dass die Schweizer fürs mobile Telefonieren im Ausland viel mehr zahlen als EU-Bürger. In seinem neuen Bericht «Evaluation zum Fernmeldemarkt» räumt er ein, dass Schweizer Handy­nutzer im Jahr 2011 für Anrufe im Durchschnitt mehr als das Doppelte bezahlen mussten als die Kunden in den 29 EU- und EWR-Staaten. Für eingehende Anrufe zahlten sie 150 Prozent und pro SMS 165 Prozent mehr. Und: Prepaid-Handy-Nutzer kostete das Daten­roaming im Ausland 363 Prozent mehr. Laut dem Bundesrat würden Schweizer Handynutzer überdies «benachteiligt», da die inländischen Anbieter Anrufe im Minutentakt statt genau nach Sekunden abrechnen. Dennoch lehnt der Bundesrat die Einführung von Preisobergrenzen ab.

Sunrise und Orange machen auf Anfrage von saldo keine Angaben zu allfälligen Preissenkungen. Nur die Swisscom kündigt vage eine Preisreduktion bis zum Sommer an.

So liegt es am Parlament, tiefere Gebühren zu verordnen: SP-Nationalrätin Ursula Wyss reichte im Anschluss an die Petition einen Vorstoss im Parlament ein. Der Nationalrat stimmte ihm letzten September mit 181 zu 5 Stimmen zu.

Seither liegt das Geschäft beim Ständerat. Er hat es auf die lange Bank geschoben. Das lohnt sich für die Telekomkonzerne. Auf www.saldo.ch lässt sich jederzeit der Gewinn ablesen, den sie dank der überhöhten Preise machen. Seit der Überweisung an den Ständerat sind es bis zum Redaktionsschluss dieser Nummer bereits wieder 178,9 Millionen Franken.