Die zwei grössten Stromkonzerne der Schweiz – Alpiq und Axpo – haben schon bessere Zeiten erlebt: In den Jahren 2014 und 2015 schrieben sie zusammen einen Verlust von 3,45 Milliarden Franken. Letztes Jahr schaffte es Alpiq knapp wieder in die schwarzen Zahlen. Die Axpo dagegen vermeldete erneut ein Minus von 1,25 Milliarden Franken.
Hauptgrund für die unerfreulichen Zahlen: Strom ist in Europa sehr günstig geworden. Davon profitierten Stromlieferanten, die wenig oder gar keine Elektrizität erzeugen. Denn sie konnten Strom auf dem Markt günstig einkaufen und ihn in ihrem Monopolgebiet teuer an die gefangenen Kunden – in erster Linie Haushalte und Gewerbebetriebe – absetzen. Grossverbraucher können den Lieferanten und somit auch den Preis selbst wählen. Sie fahren deshalb viel günstiger als Haushalte.
Die grossen Elektrizitätskonzerne, die selber viel Strom produzieren und grösstenteils auf dem Markt verkaufen, gerieten in Schieflage. Ihr teuer erzeugter Strom – vorab aus Atom- und Gaskraftwerken – rentierte nicht mehr. Zudem befürchten sie, dass sich ihre Milliardeninvestitionen in neue Pumpspeicherwerke als gigantische Fehlinvestitionen entpuppen (K-Tipp 17/2015). Salopp gesagt: Die Strombarone hatten sich gründlich verkalkuliert.
In der Folge konzentrierten sie sich darauf, um Subventionen zu betteln – mit Erfolg: National- und Ständerat beschlossen, den Stromkonsumenten eine Zwangsabgabe pro verbrauchter Kilowattstunde aufzubürden. Sie spült den Konzernen jährlich 120 bis 180 Millionen Franken zugunsten der Wasserkraftwerke in die Kasse.
Dieser Geldsegen wurde vor wenigen Tagen in der Volksabstimmung zur Energiestrategie 2050 von den Stimmbürgern abgesegnet.
Teure erneuerbare Energie für Kleinkunden
Doch das Parlament plant bereits eine weitere Unterstützung der Wasserkraft auf dem Buckel der kleinen Stromverbraucher. Zur Debatte steht unter anderem eine Regelung, wonach den Privathaushalten und dem Gewerbe ausschliesslich Strom aus inländischen erneuerbaren Energien – also vorab aus Wasserkraft – geliefert werden soll. Nach Branchenschätzungen würde dies für die Kleinkunden zu jährlichen Mehrkosten von mindestens 280 Millionen Franken führen.
Die Strombranche rennt mit ihren Wünschen im Bundeshaus häufig offene Türen ein. Denn zahlreiche Parlamentsmitglieder sind eng mit der Branche verbandelt (siehe Kasten). Zudem: Eigentümer und Nutzniesser vieler Elektrizitätsunternehmen sind die Kantone – und die haben im Ständerat das Sagen.
Lange Periode mit hohen Gewinnen
Der Ruf nach Subventionen erscheint aber ziemlich unverschämt, wenn man die Finanzen der Stromwirtschaft näher anschaut. Die Zahlen sind in der Elektrizitätsstatistik des Bundes zu finden. Auf die von ihr erfassten Unternehmen entfallen rund 90 bis 95 Prozent der gesamtschweizerischen Stromproduktion.
Demnach erzielten die Elektrizitätsunternehmen von 1995 bis 2014 einen Reingewinn von insgesamt 30,11 Milliarden Franken (siehe Grafik, Zahlen ab 2015 liegen noch nicht vor). Das ergibt einen durchschnittlichen Reingewinn von gut 1,5 Milliarden Franken pro Jahr.
Im gleichen Zeitraum flossen rund 17,6 Milliarden Franken als Dividenden, Tantiemen und Gewinnablieferungen vorwiegend an Kantone und Gemeinden. Und die Reserven der Stromwirtschaft erreichten 2014 einen Stand von 22,56 Milliarden Franken.
Strombranche klagt weiter
Das legt den Schluss nahe: Die Strombranche hätte genügend Geld, um auch ein paar magere Jahre ohne Subventionen zu überstehen. Warum will sie den Kleinverbrauchern trotzdem schon wieder ins Portemonnaie greifen? Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) beklagt die Krise der Wasserkraft: «Die Strompreise liegen unter den Gestehungskosten, deshalb zehren die Kraftwerksbetreiber weiterhin von ihrer Substanz», sagt der VSE-Sprecher Sandro Pfammatter.
Dem hielt Felix Nipkow von der Schweizerischen Energie-Stiftung schon vor zwei Jahren entgegen: «Das Jammern der Stromkonzerne hat weniger mit der Wasserkraft, sondern viel mehr mit unrentablen AKW und Fehlinvestitionen in Pumpspeicherwerke zu tun.» Und zur Subventionsfrage sagte Nipkow: «Das Abstellen der alten AKW sowie eine Abgabe auf Dreckstrom aus Atom-, Gas- und Kohlekraftwerken würden der Wasserkraft am besten helfen.»
Stromlobby im Parlament
Rund 90 Prozent des Kapitals der Schweizer Elektrizitätsunternehmen gehören der öffentlichen Hand – ein grosser Teil den Kantonen. Deshalb hat die Strombranche im Ständerat oft leichtes Spiel. Und 11 der 46 Ständeratsmitglieder sind gar direkt mit der Branche verbandelt: Sie sitzen im Verwaltungsrat von Kraftwerken oder Stromversorgern. Im Nationalrat trifft das auf 17 der 200 Ratsmitglieder zu.
Daneben fliessen die Brancheninteressen über diverse Organisationen ins Parlament – etwa über die Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz. Allein ihr gehören 35 National- und 3 Ständeräte an.