Das Statistische Jahrbuch der Schweiz 2017 ist ein Wälzer. Es ist über 2,5 Kilogramm schwer und enthält Hunderte von Statistiken. Zum Beispiel zu den Logiernächten von ausländischen Touristen auf Campingplätzen oder dem Konsum von Haschisch der 15- bis 39-Jährigen. Bei der Lektüre entsteht der Eindruck, in der Schweiz würde jede Schraube dokumentiert.
Doch das Bild stimmt nicht. Das Bundesamt für Statistik hat zum Beispiel keine Ahnung, wie viele Feuerwaffen in der Schweiz gehortet werden. Schusswaffen sind für Politiker und Polizei offensichtlich harmloser als Haschisch.
Der Bundesrat schätzte Ende 2013 die Zahl der in der Schweiz gelagerten Waffen auf 1,8 Millionen – exklusive die 200 000 Armeewaffen. Das bedeutet: Rein rechnerisch ist fast jeder vierte Haushalt bewaffnet – mit tödlichen Folgen. Laut den aktuellsten Zahlen des Bundesamts für Statistik nahmen sich allein 2014 187 Personen mit einer Schusswaffe das Leben. Und: Jedes Jahr gibt es in der Schweiz durchschnittlich 40 Tötungsdelikte mit Schusswaffen.
Wer eine Waffe möchte, benötigt einen Waffenerwerbsschein. Dem Gesuch muss man einen Strafregisterauszug beilegen und den Grund für den Erwerb angeben, zum Beispiel «Sammelzwecke». Haben die kantonalen Behörden das Gesuch bewilligt, füllt man den «schriftlichen Vertrag für die Übertragung einer Waffe» aus. Dort sind unter anderem Waffennummer und Hersteller anzugeben.
Nationales Register ist äusserst lückenhaft
Die Registrierung der Waffen war bis letztes Jahr ausschliesslich Sache der Kantone. Deshalb verlor die Polizei bei der Suche nach Besitzern bestimmter Waffen wertvolle Zeit. Auch heute noch hat jede Kantonspolizei ihr eigenes Register. Seit einem Jahr gibt es neu das Internet-Waffenregister OAWR. Hier tragen die Kantone die Personalien der Waffenerwerber ein. Wie schnell, hänge vom Kanton ab, sagt Ulrich Vogler, Ressortleiter Betrieb des OAWR. Die Dauer sei «in der Tat unterschiedlich».
Wie unvollständig das nationale Waffenregister ist, zeigte sich am 19. Dezember 2016. Ein Attentäter erschoss in Berlin einen Lastwagenfahrer und fuhr mit dessen LKW in eine Menschenmenge. Bei der Tatwaffe handelte es sich um eine Pistole, die Anfang der 1990er-Jahre in die Schweiz importiert worden war. Was danach mit der Pistole passiert ist, lässt sich nicht rekonstruieren. Grund: Waffen, die vor dem Dezember 2008 verkauft wurden, sind im neuen Register nicht registriert.
Das ist nicht die einzige Schwachstelle. Auch Armeewaffen sind im Register nicht enthalten. Nach einem Jahr sind total erst 855 000 Waffen verzeichnet. Zudem: Gefährliche Messer oder Elektroschockgeräte kommen im OAWR nicht vor, in den kantonalen Registern hingegen schon.
Waffenkäufe steigen steil an
Die Schweizer decken sich mit Waffen ein wie noch nie. Das ergab eine Umfrage von saldo bei sechs grossen Kantonen. Allein im Aargau stieg die Zahl der beantragten Waffenerwerbsscheine in den letzten fünf Jahren von 2732 auf 5117 (siehe Grafik im PDF). Wie viele Gesuche abgelehnt wurden, gibt der Aargau nicht bekannt. Als einziger der angefragten Kantone informierte Basel-Stadt offen über die abgelehnten Gesuche: 27 von 539. Das sind gerade mal 5 Prozent. 2015 wurden 14 der 484 Gesuche nicht bewilligt – 2,9 Prozent.