Auf der SBB-Homepage sieht man ­nur glückliche Menschen: Der Schalterbeamte strahlt beim Aushändigen der Billette, der Elektromonteur grinst beim Check der Steuerungsanlage und der Zugbegleiter hält ein Schwätzchen mit der hübschen Dame in der 1. Klasse.

Die Einzigen, die das Bild trüben, sind die Kunden. Die SBB zeigen sie in einem neuen TV-Spot als miesepetrige, unsympathische und leicht dümmliche Zeitgenossen. Hauptaussage: Die «Pünktlichkeitsfanatiker», «Saubermänner» und «Früher-war-alles-besser-Finder» sollen den SBB ihre Meinung sagen.

Eigentlich darf es im SBB-Land der Glücklichen keine Unzufriedenen geben. 2015 stieg der Wert in der all­jährlichen SBB-Kundenzufriedenheitsstudie auf 74,8 Punkte. Im Jahr zuvor lag der Wert bei 74,3 Punkten. Bei dieser Studie werden jährlich 20 000 telefonische Interviews durch ein Marktforschungsinstitut durchgeführt. 

Nun zeigt sich, dass die Kunden anonym weitaus kritischer sind mit den SBB. Auf der neuen Website Sbb-zufriedenheit.ch werden die Reisenden gefragt: «Wie zufrieden waren Sie heute mit den SBB?» Sie können dann einen bis fünf Sterne verteilen – etwa zu «Sauberkeit», «Preis», «Einfachheit» und «Pünktlichkeit». 

Kunden geben ein «knapp genügend»

Die veröffentlichten Daten bilden den Durchschnitt der letzten 24 Stunden ab. Die «gesamte Zufriedenheit» liegt seit Tagen bei drei von fünf Sternen. Das gleicht ­einem Wert von 60 Punkten (bei maximal 100 Punkten) und entspricht der Note 4. Knapp genügend.

Die Unterschiede zur Studie sind auch den SBB auf­gefallen. Eine Sprecherin rechtfertigt sich: Reisende würden nach einem negativen Erlebnis «unmittelbar und ohne Verzug» eine Bewertung abgeben. Es handle sich um «Impulse». 

Bei den Werbern kommt die Zufriedenheitskampagne der SBB schlecht an. Markus Gut von der Werbeagentur Young & Rubicam sagt zum TV-Spot: «Vom Cas­ting der Personen über die sterile Umgebung bis zu den fast schon beleidigenden Aussagen wirkt alles sehr gekünstelt und unsympathisch. Schade, dass die SBB ein solches Bild ihrer Kunden haben.» 

Frank Bodin, Präsident des Art Directors Club, findet es «im Ansatz gut», dass die SBB den Dialog suchen. Dass man aber auf der Zufriedenheits-Website keine inhaltliche Kritik und keine Ideen anbringen kann, sei «eine verpasste Chance. Nur Sternchen verteilen bringt etwas wenig.»