Power-Riegel, Energy-Drinks: Teuer und überflüssig
Fitnesspräparate sollen die sportliche Leistungsfähigkeit erhöhen. Doch es profitieren nur die Hersteller der teuren Produkte: Freizeitsportler brauchen keine Spezialnahrung.
Inhalt
saldo 17/2006
25.10.2006
Claudine Gaibrois
Sie heissen Original Performance Energy, Amino Force oder Power Burner und versprechen wahlweise mehr Leistungsfähigkeit, mehr Muskeln oder sogar Unterstützung bei der Fettverbrennung. Verkauft werden die Eiweissdrinks und Energieriegel mittlerweile in jedem Fitnesscenter und Sportgeschäft - und sogar bei den Grossverteilern.
Die zunehmende Verbreitung dieser Produkte steht in krassem Gegensatz zu ihrer Notwendigkeit: «Für jemanden, der dreimal pro Woche eine bis eineinhalb S...
Sie heissen Original Performance Energy, Amino Force oder Power Burner und versprechen wahlweise mehr Leistungsfähigkeit, mehr Muskeln oder sogar Unterstützung bei der Fettverbrennung. Verkauft werden die Eiweissdrinks und Energieriegel mittlerweile in jedem Fitnesscenter und Sportgeschäft - und sogar bei den Grossverteilern.
Die zunehmende Verbreitung dieser Produkte steht in krassem Gegensatz zu ihrer Notwendigkeit: «Für jemanden, der dreimal pro Woche eine bis eineinhalb Stunden Sport treibt, reicht es völlig aus, wenn er genügend Wasser trinkt», sagt Beatrice Conrad, diplomierte Ernährungsberaterin und Expertin für Sporternährung. «Der Energiebedarf ist bei Menschen, die sich dreimal in der Woche sportlich betätigen, nicht viel höher als bei Menschen, die keinen Sport treiben», erklärt der Sporternährungsspezialist Olaf Hülsmann vom Institut für Lebensmittelschaft der Uni Hannover. Anders sieht es bei Leistungssportlern aus, die mehrere Stunden pro Tag trainieren.
Power-Riegel: Die meisten enthalten viel zu viel Fett
Es kann sogar kontraproduktiv sein, wenn man sich beim Strampeln im Fitnessstudio einen Power-Riegel reinschiebt, betont Beatrice Conrad: «Viele betreiben Sport, um ihr Gewicht zu halten. Diese Anstrengungen werden durch den Konsum zuckerhaltiger Getränke und fetter Stängel wieder zunichtegemacht.»
Gerade der hohe Fettgehalt vieler Riegel ist auch Olaf Hülsmann ein Dorn im Auge. Mehr als 11 Gramm Fett pro 100 Gramm sollte in einem solchen Stängel nicht drin sein, sagt er. Viele der angebotenen Produkte enthalten aber deutlich mehr vom ungesunden Stoff. So stecken etwa im Riegel Carnitin Bar Energy von Sponser 21 Gramm pro 100 Gramm oder im Active Energy von Inkospor 16,3 Gramm Fett pro 100 Gramm. Das ist etwa so viel, wie in 100 Gramm Gipfeli drin ist.
Mehr Leistung: Die Versprechungen der Hersteller
Teilweise werden bei den Käufern sogar falsche Hoffnungen geweckt. Beispiel: Die Substanz L-Carnitin, die mittlerweile in jedem zweiten Fitnessriegel oder Energiedrink steckt. Ein wahres Wundermittel, wenn man den Versprechungen der Hersteller glaubt: «Ermöglicht die optimale Verbrennung von Fett in den Muskelzellen», heisst es etwa auf den Actilife-L-Carnitin-Tabletten der Migros. «Sorgt für mehr Energie», preist Isostar sein L-Carnitine pure an.
Anpreisung als Schlankheitsmittel verboten
Beides sind leere Versprechungen: «Es ist sehr unwahrscheinlich, dass derart tief dosierte Produkte die körperliche Leistungsfähigkeit oder den Abbau von Körperfett direkt beeinflussen», sagt Christof Mannhart, Ernährungswissenschafter an der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen BE. L-Carnitin spiele zwar eine wichtige Rolle bei der Verbrennung von Fetten. Die Substanz werde bei gesunden Personen aber in ausreichender Menge vom Körper selbst hergestellt. Zudem enthalte die Fitnessnahrung meist nur geringe Mengen L-Carnitin.
Entsprechend ist es in der Schweiz verboten, L-Carnitin als Schlankheitsmittel oder zur Reduktion der Fettmasse anzupreisen. Der Sportlernahrungshersteller Sponser hat dies bis vor kurzem gemacht. «Die Firma erweckt in der Produktbeschreibung ihrer L-Carnitin-Ampullen den Eindruck, ihr Produkt helfe bei der Gewichtsabnahme», sagt Beat Bettler, stellvertretender Kantonschemiker des Laboratoriums der Urkantone. «Wir haben daher Sponser aufgefordert, die Produktebeschreibung so anzupassen, dass sie gesetzeskonform ist.» Diese wurde unmittelbar nach der saldo-Intervention geändert.
Mineralstoffe und Vitamine: Oft sehr hohe Dosierung
Ins Reich der Mythen gehört auch, dass man mit Protein-Shakes automatisch mehr Muskeln bekommt, betont Olaf Hülsmann von der Uni Hannover: «Der Körper baut bei erhöhter Eiweisszufuhr nicht mehr Muskeln auf.» Ohnehin werde der Eiweissbedarf von Personen, die Muskeln aufbauen wollen, überschätzt, betont der Fachmann. Auch bei eifrigem Training sei dieser nur minimal grösser. Und weil bei intensivem Sport oft der Hunger steige, nähmen Personen, die von mehr Muskeln träumen, das wenige Zusatzeiweiss, das sie benötigen, sowieso über die Nahrung auf.
Auch die Vitamine und Mineralstoffe, die in Sportlernahrung in teilweise sehr hohen Dosierungen enthalten sind, tragen nichts zur Leistungssteigerung bei, betont die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung. Ohnehin ist von einer planlosen Vitamin- und Mineralstoffzufuhr abzuraten, sagt die Ernährungsberaterin Beatrice Conrad: «Die Einnahme solcher Präparate ist nur sinnvoll zur gezielten Bekämpfung eines durch eine Fachperson festgestellten Mangels.»
Dass Sportlernahrung für Freizeitsportler unnötig ist, geben die meisten Firmen auf Anfrage zu. «Tatsächlich ist es möglich, praktisch sämtliche Inhaltsstoffe unserer Produkte über die Grundnahrungsmittel abzudecken», sagt etwa Yvonne Forster von Sponser. Dies erfordere jedoch einen riesigen Aufwand. Ähnlich argumentiert Peter Dedial, Geschäftsführer der Sportvital-Herstellerin E. C. Robins. Ausserdem betont er, dass die Produkte nicht für Leute bestimmt seien, die einmal in der Woche Sport treiben. Für eine halbe Stunde Joggen brauche es keine Sportlernahrung, sagt auch Philippe Oertlé, Mediensprecher der Power-Bar-Inhaberin Nestlé. Und: «Die Produkte, die wir anbieten, können dazu beitragen, den Spass am Sport zu fördern.» Die Firma Inkospor war bis zum Redaktionsschluss zu keiner Stellungnahme bereit.
Laute Werbetrommel für Fitnesspräparate im Internet
Im Internet unterscheiden die Firmen allerdings häufig nicht so deutlich zwischen Freizeit- und Ausdauersportlern: «Ob im Studio, zu Hause, auf dem Bike oder im Büro - einen Active-Sportriegel sollten Sie immer in der Tasche haben», schreibt Inkospor. Sportvital preist diverse Stängel als «Snacks für zwischendurch an», und Sponser empfiehlt seine Energieprodukte auch für den «Fitnesssport».
Links zum Thema:
- www.sfsn.ethz.ch
- www.sge-ssn.ch -> Materialien für den Unterricht -> Merkblätter zur Ernährung Vol. 2 -> Download-Index
So ernähren sich Freizeitsportler richtig
- Am wichtigsten: Immer genug trinken. Durch das Schwitzen verliert man viel Flüssigkeit.
- Bei langer Belastung und hohem Flüssigkeitsverlust auf genügende Salzzufuhr achten.
- Reichlich Kohlenhydrate in Form von Brot, Reis, Teigwaren und Kartoffeln essen. Wenn man mit dem Sport abnehmen will, allerdings nicht kurz vor der sportlichen Betätigung.
- Viel Gemüse, Früchte und Salate essen. So stellt man eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen sicher.
- Bei sportlicher Betätigung über eine Stunde: Zwischendurch Traubenzucker, einen fettarmen Getreideriegel oder eine Banane essen.
Sportgetränke zum Selbermachen
- Ohne Aroma:
- l Wasser oder Tee, 30 g Zucker, 50 g Maltodextrin (in Drogerien erhältlich), 1,5 g Kochsalz.
- Mit Orangengeschmack: 7 dl Wasser oder Tee, 3 dl Orangensaft, 20 g Maltodextrin, 1,5 g Kochsalz.