An diesem Vormittag liegt Fleur ganz still unter dem Küchentisch im Bauernhaus im bernischen Utzenstorf. Seine Schnauze hat der Grosspudel auf den Füssen der Halterin Daniela Wüthrich parkiert. Die Ruhe täuscht: Fleurs Hundenase schläft nie. Sie ist besonders fein trainiert. Fleur ist ein Warnhund für Diabeteskranke. Seine Aufgabe: warnen, wenn der Blutzucker von Frauchen zu stark absackt. Denn das ist im schlimmsten Fall tödlich. Wüthrich: «Fleur kann riechen, wenn sich mein Blutzucker verändert, weil meine Ausdünstung anders wird.» Dann bellt Fleur. Reagiert Wüthrich nicht, holt er sogar das Messgerät.
Seit einigen Jahren gibt es solche Assistenzhunde für Diabetiker. Sandra Lindenmann leitet die einzige Schweizer Ausbildungsstätte in Gunzwil LU. 28 ausgebildete Hunde seien seit 2011 in der Schweiz im Einsatz, dieses Jahr kämen weitere 15 dazu, sagt sie. Ein wichtiges Trainingsmittel für die Hunde ist ein T-Shirt, das der künftige Hundebesitzer während einer Unterzuckerung auf die Brust gelegt hat.
Die meisten Hunde gehen zu Familien, in denen Kinder an Diabetes erkrankt sind. Lindenmann: «Eltern haben oft grosse Angst vor einer Unterzuckerung des Kindes in der Nacht.» Dank Warnhund müssten sie nicht mehr ständig aufstehen.
Ein ausgebildeter Hund kostet 30 000 Franken
Doch die Warnhunde sind umstritten. Udo Meinhardt vom Pädiatrisch-Endokrinologischen Zentrum Zürich zweifelt, dass sie zuverlässig sind: «Es gibt noch keine Studien darüber.» Auch eine Kontrolle über die Ausbildung der Hunde sowie klare Kriterien über ihren Einsatz fehlten, kritisiert Meinhardt. Kommt hinzu: Ein ausgebildeter Hund kostet bei Lindenmann 30 000 Franken. Wer seinen Hund selbst ausbildet, zahlt fürs gut eineinhalbjährige Training immer noch 5500 Franken. Die Krankenkassen übernehmen keine Kosten.
Sinnvoll könnten solche Hunde allenfalls für ältere Patienten sein, die nicht daran denken, den Blutzucker zu messen, sagt Meinhardt. Auch Ulrich Keller, Facharzt für Endokrinologie und Diabetologie in Basel, sieht einen einzigen sinnvollen Einsatz: bei Diabetespatienten, die häufig in Unterzuckerung geraten. Allerdings gebe es für sie jetzt ein Gerät, das den Blutzucker überwache und bei einer Unterzuckerung einen Vibrationsalarm auslöse.
Sandra Lindenmann räumt ein, dass es die Hunde nicht unbedingt brauche. «Sie können aber eine zusätzliche Unterstützung sein.» Natürlich könne es vorkommen, dass der Hund bei Schmerzen oder Krankheiten auch einmal nicht anzeige. Lindenmann verweist auf Studien, die den Nutzen der Hunde beweisen würden. Betroffenen mit wenig Geld käme man entgegen.
Daniela Wüthrich ist überzeugt, dass sie sich auf Fleur verlassen kann, oft warne der Hund sogar sehr früh. Er belle auch, wenn der Zuckerwert rasant über den Normalbereich ansteigt. So misst Wüthrich inzwischen etwa 15-mal täglich ihren Blutzucker – statt wie zuvor 4-mal. «Es kommt mir manchmal vor, als ob sich Fleur die Normalwerte gemerkt hätte und jetzt jede starke Abweichung meldet.»
Tipps: So vermeiden Patienten eine Unterzuckerung
- Messen Sie regelmässig Ihren Blutzucker.
- Nehmen Sie für den Notfall immer einen Traubenzucker mit.
- Essen Sie 5-mal am Tag, dafür weniger.
- Nehmen Sie wenig Zucker (gilt auch für Honig und Früchte).
- Essen Sie dafür vermehrt Kartoffeln, Nudeln oder Brot.
- Essen Sie viel Ballaststoffe, sie finden sich in Gemüse und Vollkornprodukten.
- Trinken Sie wenig Alkohol, er senkt den Blutzuckerspiegel.