Wer nicht will, dass Adresshändler, Wirtschaftsauskunfteien oder Inkassobüros persönliche Daten speichern und weitergeben, kann ein Auskunfts- und Löschungsbegehren stellen. Das Problem: Jedes Unternehmen, das Daten gespeichert haben könnte, muss einzeln angeschrieben werden (Musterbrief siehe www.saldo.ch).
Eine Einwilligung zur Speicherung von persönlichen Angaben brauchen die Datensammler nicht. Das Datenschutzgesetz schreibt ein ausdrückliches Einverständnis der betroffenen Person nur vor, wenn es sich um «besonders schützenswerte Personendaten» handelt. Dazu gehören weder die Adresse noch Angaben über das Einkommen oder das Zahlungsverhalten, sondern lediglich etwa Informationen zur Gesundheit, zur Religion, zur Rassenzugehörigkeit oder zu politischen Ansichten.
Schon die vielen schriftlichen Anfragen gehen ins Geld
saldo wollte wissen, wie die Datensammler auf Auskunfts- und Löschungsbegehren reagieren. Zwei Redaktorinnen schrieben deshalb 50 Adresshändler, Kreditauskunfteien und Inkassobüros mit Sitz in der Schweiz einen eingeschriebenen Brief. Sie wollten Auskunft darüber, welche Daten über sie gespeichert sind, woher die Daten stammen und an wen die Unternehmen die Daten weitergaben. Zudem beantragten sie die Löschung der Informationen über ihre Person.
Die Briefe verschickten sie wie in der Datenschutzverordnung vorgeschrieben mit einer Kopie eines Identitätsausweises. Ein teures Unterfangen: Ein eingeschriebener Brief kostet 6 Franken. Das macht bei 50 Adressaten pro Person 300 Franken.
Einen Teil der Adressen der angeschriebenen Firmen erhielt saldo vom eidgenössischen Beauftragten für Datenschutz Hanspeter Thür. Die restlichen Adressen stammen von Firmen, die im Internet entsprechende Dienstleistungen bewerben.
Ein Viertel der Unternehmen blieb die Auskunft schuldig
Ergebnis der Stichprobe: Die Auskünfte sind häufig unbefriedigend. 25 der angeschriebenen Unternehmen geben an, keine Daten gespeichert zu haben. 13 haben Adressen und weitere Angaben zur Person gespeichert (siehe Kasten), etwa private Telefonnummer, Geburtsdatum, Beruf, Namen von Mitbewohnern, Umzugstermine und Anzahl Kinder im Haushalt. 12 Unternehmen gaben keine Auskunft.
Informationen zu den gespeicherten Daten:
Auskunfteien wie die Orell Füssli Wirtschaftsinformationen besitzen neben Angaben zur Person auch Informationen zur Kreditwürdigkeit, ohne die Quelle dafür offenzulegen. Aus den zugesandten Unterlagen ist ersichtlich, dass Orell Füssli auch an weiteren Daten interessiert ist, zum Beispiel zu politischen Mandaten oder Firmenbeziehungen.
Herkunft der Informationen:
Woher die gespeicherten Daten stammen, bleibt oft unklar. Ausnahmen: Künzler Bachmann in St. Gallen beispielsweise gab als Quelle unter anderem die Bestellung eines Probemusters einer Babynahrung vor fünf Jahren an. Das Inkassounternehmen Intrum Justitia in Schwerzenbach ZH erhielt Daten vom Modehaus Schild. Zweite Quelle waren Umzugsmeldungen der Post. Adresshändler Schober in Bachenbülach ZH verweist auf «Versandhandel, Verlage, Gewinnspiele».
Zuverlässigkeit der Informationen:
Laut der Inkassofirma Factor AG in Zürich ist eine der saldo-Redaktorinnen Direktionsmitglied der Atupri Krankenkasse in Bern, die andere Mitglied eines Verwaltungsrates. Beides stimmt nicht. Quellen der Falschinformation sind laut Factor die Handelsregisterämter des Kantons Bern und Aargau. Nur: Es gibt häufig mehrere Schweizerinnen mit gleichen Vor- und Nachnamen. Das hat der Computer von Factor offenbar noch nicht gemerkt.
Reaktion auf Löschungsbegehren:
Künzler Bachmann bestätigt zwar die definitive Löschung, schreibt aber, dass das Sperren der Adresse sinnvoller ist. Grund: Falls eine Adresse gelöscht ist, wird sie wieder in die Datenbank aufgenommen, wenn sie von einem andern Adresshändler geliefert wird (siehe Interview). Die Post etwa bewirtschaftet alle Haushaltsadressen der Schweiz. Sie verkauft unter anderem monatliche Updates der Zügeladressen. Jedes Unternehmen, das Adressen verwaltet, kann sie auf diese Weise aktualisieren. Einige der 50 angeschriebenen Unternehmen bestätigten die Löschung nicht. Die Direktmarketingfirma MS Mail Service in St. Gallen schreibt, dass die einzigen gespeicherten Daten «reine Adressdaten» seien. Diese würden als «Eingabehilfe verwendet, wenn Personen in unserem Callcenter telefonisch Waren bestellen». Adresshändlerin Arvato AZ Direct bestätigt die «Sperrung», nicht aber die Löschung der Daten.
Nur mündliche Auskunft:
Die Inkassofirma Fairpay GmbH in Adliswil ZH reagierte auf die Auskunfts- und Löschungsbegehren postwendend mit einem Einschreibebrief. Darin ersucht sie «um dringliche telefonische Kontaktaufnahme». Ein Mitarbeiter gibt am Telefon an, keine Daten zu speichern.
Übrigens: Auskunftsbegehren bergen auch Risiken. Denn wer wie vorgeschrieben eine Kopie der Identitätskarte beilegt, beliefert die Adresshändler mit Daten, die sie wohl noch nicht kennen: dem Geburtsdatum, dem Heimatort, der Körpergrösse, dem Foto und der Unterschrift. Die Kreditvermittlerin Arena GmbH in Volketswil ZH, Bewirtschafterin des Vergleichsportals Kreditzentrum.ch gibt das auch gleich indirekt zu: Sie will keine persönlichen Daten erfasst haben – behält sich aber das Recht vor, «eine Kopie des Briefes für unsere Akten zu archivieren».
Adresshandel: Diese Unternehmen sind an Ihren Daten interessiert
Adresshändler wie Schober in Bachenbülach ZH und Direktmarketingfirmen wie MS Mail Service oder Künzler Bachmann, beide in St. Gallen, erhalten persönliche Daten beispielsweise durch Umfragen oder Wettbewerbe.
Kredit- und Wirtschaftsauskunfteien wie Moneyhouse in Rotkreuz oder Intrum Justitia in Schwerzenbach ZH sammeln Daten zum Zahlungsverhalten und zur Kreditwürdigkeit von Personen. Diese erhalten sie etwa von Telekomunternehmen wie Sunrise oder Cablecom, Versandhändlern oder Kreditkartenfirmen. So können sich Firmen vor Vertragsabschlüssen oder Bestellungen bei den Auskunfteien über den künftigen Kunden informieren.
Die Liste der von saldo angeschriebenen Firmen, die persönliche Daten speichern, finden Sie unter www.saldo.ch.