Mit der Farbe kommen auch Schadstoffe auf die Lippen
4 von 12 Lippenstiften schnitten im saldo-Test sehr gut ab. Sie enthalten keine heiklen Stoffe. Ein Stift aber fiel durch. Das Labor fand darin einen umstrittenen UV-Filter.
Inhalt
saldo 11/2008
10.06.2008
Beat Camenzind
«Diese Lippen will man(n) küssen!», heisst es bei Maybelline. «Kussecht», «langanhaltend», «pflegend» – solcherlei Versprechungen geben andere Hersteller von Lippenstiften zu ihren Produkten ab. Mit dem Stift malt sich die Konsumentin mitunter aber auch bedenkliche Substanzen auf die Lippen. Die parfümierte Mischung aus Wachsen, Ölen, Farbstoffen und Konservierungsmitteln kann es in sich haben.
saldo liess z...
«Diese Lippen will man(n) küssen!», heisst es bei Maybelline. «Kussecht», «langanhaltend», «pflegend» – solcherlei Versprechungen geben andere Hersteller von Lippenstiften zu ihren Produkten ab. Mit dem Stift malt sich die Konsumentin mitunter aber auch bedenkliche Substanzen auf die Lippen. Die parfümierte Mischung aus Wachsen, Ölen, Farbstoffen und Konservierungsmitteln kann es in sich haben.
saldo liess zwölf Lippenstifte vom Hamburger Labor Eurofins untersuchen. Neben Massenprodukten wurden auch ein Naturkosmetik-Lippenstift und zwei Marken der gehobeneren Preisklasse getestet.
Das Labor prüfte die Stifte auf Duftstoffe mit hohem Allergiepotenzial, Paraffine, UV-Filter und polyzyklische Moschusverbindungen (siehe «So wurde getestet» unten).
Das Gute vorweg: Gleich vier Stifte erhielten die Note «sehr gut» (Covergirl, Max Factor, Lavera, Estée Lauder), nur einer schnitt ungenügend ab (Maybelline). Gegen gesetzliche Auflagen verstösst keiner der Lippenstifte. Und: Keiner der zwölf Stifte ist mit Moschusverbindungen parfümiert. Diese eher herben Duftstoffe kommen bei Lippenstiften zwar selten zum Einsatz. In früheren Tests von deutschen Konsumentenzeitschriften tauchten aber regelmässig Lippenstifte mit diesen Moschusverbindungen auf.
L’Oréal-Stift enthält stark allergisierenden Duftstoff
Praktisch alle Lippenstifte sind aromatisiert. Das dient dazu, den Rohstoffgeruch zu überdecken. Es sei aber auch ein Entscheid des Marketings, um den Lippenstift entsprechend zu positionieren, schreibt ein Hersteller. Im Color Riche Creme Blush von L’Oréal fand das Labor einen stark allergisierenden Duftstoff. L’Oréal begründet das auf Anfrage mit der «Macht des Wohlgeruchs».
Viel schwerer wiegt aber die Verwendung von UV-Filtern in Lippenstiften. Substanzen wie OMC (Octylmethoxycinnamat) sind im Zusammenhang mit Sonnenschutzmitteln in Verruf geraten. Sie sollen etwa hormonaktiv oder allergisierend sein.
Warum der burgunderrote Maybelline-Lippenstift diesen UV-Filter enthalten muss, ist rätselhaft. Die meisten Hersteller verlassen sich bei dunklen Farben auf den physikalischen UV-Schutz der Farbpigmente. Laut L’Oréal richtet sich das Produkt an Konsumentinnen, die ihre Haut vor Alterungszeichen schützen möchten. Deshalb enthalte der Lippenstift einen UV-Filter mit Lichtschutzfaktor 15.
Paraffine: Abwertung für acht Lippenstifte
Der Maybelline-Stift, der von L’Oréal hergestellt wird, enthält neben dem UV-Filter aber auch Paraffine und erhält deshalb eine ungenügende Wertung. Paraffine sind mineralische Kohlenwasserstoffe und werden zumeist aus Erdöl hergestellt. Für diese gibt es in Kosmetika keinen Toleranzwert. Dafür aber bei Nüssen und anderem Hartschalenobst. Das wird zum Teil in paraffinbehandelten Jutesäcken transportiert. Die Nüsse dürfen nicht mehr als 0,001 Prozent dieser Kohlenwasserstoffe aufweisen.
Lippenstift wird zwar nicht wie Nüsse verspiesen, aber ebenfalls oral aufgenommen. Paraffine lagern sich im Fettgewebe ein und bilden die bedeutsamste Verschmutzung im Körper. Laut EU-Gesetzgebung gilt für Substanzen, die über 10 Prozent Kohlenwasserstoffe enthalten, eine Kennzeichnungspflicht, nicht aber für Kosmetika. saldo hat diese 10 Prozent als Grundlage genommen und acht Stifte abgewertet, die mehr als 10 Prozent Paraffine enthalten.
Die Hersteller verweisen dazu auf die geltenden Gesetze und die Sicherheit ihrer Produkte. Paraffin gewährleiste zudem die Stabilität und die Wärmebeständigkeit des Stiftes.
So wurde getestet
Das deutsche Labor Eurofins untersuchte die Lippenstifte auf folgende Substanzen:
- Allergene Duftstoffe: 26 Duftstoffe mit Allergiepotenzial müssen gemäss Gesetz ab einer gewissen Konzentration deklariert werden. 7 davon gelten als stark allergisierend.
- Polyzyklische Moschusverbindungen: Diese Verbindungen sind schwer abbaubar und reichern sich in Umwelt, Mensch und Tier an. So gelangen sie auch in die Muttermilch. Es gibt laut dem deutschen Umweltbundesamt Hinweise, dass Vertreter dieser Stoffgruppe erbgutverändernd wirken.
- Paraffine: Diese Erdölprodukte reichern sich in Fettgewebe und Organen an und werden kaum abgebaut. Einige Substanzen dieser Gruppe führten im Tierversuch zu zellulären Schäden und wurden in der Muttermilch nachgewiesen. Auch stellte man in Tierversuchen Entzündungen an den Herzklappen fest.
- UV-Filter: Einige der UV-Filter stehen unter Verdacht, auf das Hormonsystem zu wirken, andere können zu allergischen Reaktionen führen. Für das im Maybelline-Lippenstift gefundene Octylmethoxycinnamat (OMC) gilt laut Kosmetikverordnung eine Höchstkonzentration von 10 Prozent des Produkts.