Lotteriegelder: Wer hat, dem wird gegeben
Die Kantone Zürich und Aargau schwimmen im Geld, das sie von der Landeslotterie Swisslos für einen guten Zweck erhalten haben. Dennoch sind sie beim Ausgeben knausrig. Das zeigen aktuelle Beispiele.
Inhalt
saldo 04/2013
06.03.2013
Thomas Lattmann
Rund 327 Millionen Franken des Reingewinns hat die Landeslotterie Swisslos im Jahr 2011 an die Deutschschweizer Kantone ausbezahlt. Diese Millionen müssen laut Gesetz für gemeinnützige und wohltätige Zwecke eingesetzt werden. Viele Kantone horten die Swisslos-Gelder aber lieber, statt sie sinnvoll auszugeben. Ende 2011 sassen die Kantone auf insgesamt 843 Millionen Franken (saldo 19/12).
Rund 327 Millionen Franken des Reingewinns hat die Landeslotterie Swisslos im Jahr 2011 an die Deutschschweizer Kantone ausbezahlt. Diese Millionen müssen laut Gesetz für gemeinnützige und wohltätige Zwecke eingesetzt werden. Viele Kantone horten die Swisslos-Gelder aber lieber, statt sie sinnvoll auszugeben. Ende 2011 sassen die Kantone auf insgesamt 843 Millionen Franken (saldo 19/12).
Von Zürich abgelehntes Projekt erhielt in anderen Kantonen Unterstützung
Besonders viel Geld bunkern die Kantone Aargau und Zürich: 87 Millionen Franken waren es im Kanton Aargau, gar 422 Millionen Franken im Kanton Zürich. Kein Wunder, sind soch gerade diese Kantone bei der Geldvergabe sehr restriktiv. So unterstützt der Kanton Zürich – im Gegensatz etwa zum Kanton Schaffhausen – nur einmalige Projekte. Betriebsbeiträge «für wiederkehrende Tätigkeiten, Aktionen und Veranstaltungen» sind gemäss Fondsrichtlinien der Finanzdirektion des Kantons Zürich «nicht möglich».
Organisationen, die mit ihren Gesuchen um Lotteriegelder abgeblitzt sind, verstehen angesichts der vollen Kassen die Welt nicht mehr. Beispiel: Elvira Tobler (Name geändert) führt in der Stadt Zürich ein Büro für Kultur. Für eine Reihe mit klassischer Musik reichte sie beim Zürcher Lotteriefonds schon mehrmals Gesuche um Unterstützung ein. Bis anhin ohne Erfolg. 2009 lehnte die zuständige Fachstelle Kultur das Gesuch ab. Mit der Begründung, das Vorhaben entspreche «nicht ausreichend unseren Kriterien». Als Tobler wissen wollte, was damit gemeint sei, beschied ihr die Fachstelle: «Keine Zeit für Gespräche.»
Zwei Jahre später hiess es in der Absage: «Aufgrund der begrenzten Mittel, die für die Förderung im Bereich Musik zur Verfügung stehen, musste eine strenge Auswahl getroffen werden.» Gegen eine Gebühr von 200 Franken hätte Tobler eine begründete und rekursfähige Verfügung verlangen können. Darauf verzichtete sie verständlicherweise. In den Kantonen Basel-Stadt, Zug und Schaffhausen war sie mit Gesuchen um Lotteriefondsgelder erfolgreicher: «Dort erhielt ich immer Unterstützung und machte gute Erfahrungen.»
Die Zürcher Behörden geben zu, dass für die Kulturförderung aus Mitteln des Lotteriefonds bis 2016 jährlich maximal 8,5 Millionen Franken zur Verfügung stehen. Nur: Höhe, Aufteilung und Verwendungszweck habe das Kantonsparlament 2008 festgelegt: 5 Millionen Franken sind – entgegen den Fondsrichtlinien – als Betriebsbeiträge für etablierte Kulturinstitutionen wie das Opernhaus, das Theaterspektakel oder die Zürcher Filmstiftung reserviert. Für kleine und wenig bekannte Kulturprojekte stehen nur 3,5 Millionen Franken zur Verfügung.
Im Jahr 2011 erhielten laut Roger Keller, Sprecher des Finanzdepartements, total 219 Kulturorganisationen Geld. 250 gingen leer aus. Es sei nicht das Ziel des Lotteriefonds, möglichst viele Empfänger zu beglücken.
Auch Gesuche, die den Richtlinien entsprechen, werden abgelehnt
Bis Ende 2016 soll das riesige Vermögen des Zürcher Lotteriefonds auf 85 Millionen Franken (ohne Sportfonds) reduziert werden. Erreichen will das der Lotteriefonds vor allem, indem er sich gegenüber Grossgesuchen (über 500 000 Franken) spendabel zeigt. So werden – das Plazet des Kantonsparlaments vorausgesetzt, unter anderem die ohnehin schon stark subventionierten Winterthurer Kulturinstitutionen Musikkollegium, Kunstverein und Stadttheater insgesamt 10 Millionen Franken erhalten.
Das Nachsehen haben kleinere Projekte. Immerhin lässt der Kanton laut Keller überprüfen, ob der Betrag von 10 Millionen Franken, der dem Regierungsrat selber jährlich zur Verteilung an Projekte bis 500 000 Franken zur Verfügung steht, erhöht werden soll. In diesem Bereich gehen beim Lotteriefonds jährlich Gesuche in der Höhe von mindestens 15 Millionen Franken ein, die den Richtlinien entsprechen.
Negative Erfahrungen machte auch der gemeinnützige Verein Hilfe Eltern Kind. Er blitzte beim Aargauer Lotteriefonds mit seinem Unterstützungsgesuch ab. Der Verein bietet alleinerziehenden und finanzschwachen Eltern rasch und unbürokratisch Hilfe an. In erster Linie durch die Weitergabe von Babykleidern, Spielsachen oder Kindermöbeln, die zuvor gespendet wurden. Der Verein bat den Lotteriefonds im Sommer 2012 um Geld für den Kauf eines grösseren Transportfahrzeuges oder die Anmietung von Lagerräumlichkeiten. Antwort der zuständigen Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli: «Das Gesuch entspricht nicht den Kriterien der Lotterieverordnung.»
Geldabbau: Auch Aargau will künftig mehr Grossprojekte fördern
saldo fragte beim Finanzdepartement des Kantons Aargau nach den Gründen. Die spitzfindige Antwort: Kosten, die bei der Anschaffung eines Fahrzeuges oder durch die Anmietung von zusätzlichem Lagerraum entstehen, würden zum ordentlichen Betriebsaufwand eines Vereins gehören. Sie könnten gemäss Lotterieverordnung nicht vergütet werden.
Der Kanton Aargau verspricht, die Gelder künftig vermehrt auszugeben statt zu horten. Und den Fonds «auf die minimale strategische Reserve» zu senken. Davon sollen aber nicht etwa kleinere Projekte profitieren. Vielmehr will der Regierungsrat zusätzlich Grossprojekte unterstützen.
Forum
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