Auf der Post will ich ein Paket abgeben. Am Automaten ziehe ich die Wartenummer 500. Eben ist Kunde 477 an der Reihe. Auf dem Monitor steht, dass ich mit zehn Minuten Wartezeit rechnen muss. Nach mir kommt Kunde Nummer 501. Er muss bereits 11 Minuten warten.

Ich schlendere im Schalterraum herum und versuche meine Ungeduld zu zügeln. Da erblicke ich den «Minispick». Das ist eine Gratis-Jugendzeitschrift. Auf der Titelseite steht: «Ein Engagement von: Die Post.»

Auf Seite 30 erklärt die Post den jungen Lesern, wie sie eine Sendung adressieren müssen: «Wenn du deiner Tante Martha aus Bern einen Brief schreiben möchtest, sollte die Adresse so aussehen: Frau Martha Stauffer, Rosenweg 26, 3007 Bern.» Vor dem Namen müsse unbedingt «Frau» stehen, erklärt die Post, denn: «Mit der Anrede sieht man, dass Tante Martha eine Frau ist.»

Erschrocken gucke ich auf mein Paket. Da steht nur «Karl Meister» drauf. Ich habe vergessen hinzuschreiben, dass Karl ein «Herr» ist. «Manchmal weiss man das vom Vornamen alleine nicht», erklärt mir die Post im «Minispick». Wer weiss das nicht, frage ich mich im Stillen. Die Tante Martha, Onkel Karl oder vielleicht der Briefträger? Wie viele Männer heissen Martha, und wie viele Frauen nennen sich Karl? Anscheinend viele. Und überhaupt, weshalb will die Post das wissen?

Aber wenn es der korrekten und pünktlichen Beförderung dient, will ich kein Spielverderber sein. Mir bleiben immer noch drei Minuten. So zücke ich meinen Kugelschreiber und notiere folgsam: «Herr Karl Meister». Wieder was gelernt.