Klimatickets bei Swiss und Lufthansa: Am falschen Ort gespart
Neuerdings bieten Swiss und Lufthansa Klimatickets an, um die Umweltbelastung eines Fluges zu kompensieren. Doch das ist ein billiger Ablasshandel.
Inhalt
saldo 17/2008
18.10.2008
Letzte Aktualisierung:
21.10.2008
Andreas Schildknecht
Flugverkehr erwärmt das Klima. Laut dem Weltklimarat beträgt der Anteil der weltweiten Luftfahrt an den klimatischen Veränderungen zwei bis acht Prozent. Der Weltklimarat trägt regelmässig die aktuellen Forschungsergebnisse zum Klima zusammen.
Wer nicht auf seinen Flug verzichten und trotzdem ein gutes Gewissen haben will, kann seit einigen Jahren die Emissionen mit einem separat gekauften Klimaticket kompensieren.
Dieser Ablasshandel erfäh...
Flugverkehr erwärmt das Klima. Laut dem Weltklimarat beträgt der Anteil der weltweiten Luftfahrt an den klimatischen Veränderungen zwei bis acht Prozent. Der Weltklimarat trägt regelmässig die aktuellen Forschungsergebnisse zum Klima zusammen.
Wer nicht auf seinen Flug verzichten und trotzdem ein gutes Gewissen haben will, kann seit einigen Jahren die Emissionen mit einem separat gekauften Klimaticket kompensieren.
Dieser Ablasshandel erfährt laufend mehr Zuspruch. Flugpassagiere kauften 2007 im Vergleich zum Vorjahr vier- bis sechsmal mehr Klimatickets. Dies geht aus den Jahresberichten des Schweizer Klimaticket-Anbieters Myclimate und der deutschen Atmosfair hervor. Bei Atmosfair kompensierten die Spender die CO2-Emissionen von 40000 Flügen mit insgesamt 2,1 Millionen Franken. Bei Myclimate betrug der Kompensationsertrag 3,5 Millionen Franken.
Von der Spende bis zur Kompensation dauert es zwei Jahre
Dieses Geld investieren die Organisationen in Klimaschutzprojekte. Myclimate finanziert beispielsweise ein Biomasse-Projekt in Indien. Dabei wird in einem Kraftwerk aus landwirtschaftlichen Reststoffen Strom erzeugt. Atmosfair finanziert unter anderem in Nigeria energieeffiziente Kocher, für deren Betrieb 80 Prozent weniger Holz nötig ist. Der vom WWF entwickelte «Gold Standard» sowie unabhängige von der Uno akkreditierte Prüfer garantieren die Effizienz der Projekte. Laut Myclimate und Atmosfair liegen mindestens zwei Jahre zwischen Spendeneingang und nachgewiesener CO2-Kompensation.
Swiss und Lufthansa bieten neuerdings die Kompensation beim Ticketkauf auch an. Sie integrierten den CO2-Rechner von Myclimate in ihre Homepage. Doch: Wer sein Klimaticket direkt über die Plattform der Fluggesellschaft bucht, kompensiert viel weniger Treibhausgas als bei Myclimate. Das ergibt eine Stichprobe von saldo. Für den Retourflug eines Erwachsenen in der Economy-Klasse von Zürich nach New York berechnet der Swiss-Lufthansa-Rechner eine CO2-Menge von 1238 Kilogramm. Das Kompensieren dieser Menge Kohlendioxid kostet bei Swiss und Lufthansa 40 Franken.
Auf der Myclimate-Seite hingegen kostet das Klimaticket für den identischen Flug 112 Franken. Dafür werden 2876 Kilogramm CO2 kompensiert. Noch grösser der Unterschied bei Atmosfair: Dort kommt der Emissionsrechner für denselben Flug gar auf 4100 Kilogramm CO2. Diese Menge kompensiert der deutsche Anbieter für umgerechnet Fr. 156.75.
Swiss und Lufthansa: Keine Rede von klimaneutralen Flügen
Der Grund für die Differenzen: Gemäss Kathrin Dellantonio, Mediensprecherin von Myclimate, berechnen die Fluggesellschaften nur die Kompensation des ausgestossenen Kohlendioxides. Klimaneutral werden die Flüge damit nicht. Denn Flugzeuge erzeugen weitere klimaschädigende Stoffe wie Stickoxide und Feinstaubpartikel.
Die Forscher sind jedoch uneins, wie gross die Schäden dieser Verbindungen sind. Swiss-Mediensprecherin Andrea Kreuzer bestätigt, dass der Swiss-Lufthansa-Rechner lediglich eine reine CO2-Kompensation berechnet. Es sei klar, dass Flugzeuge andere Gase ausstossen, ihre Wirkung auf das Klima sei jedoch wenig erforscht.
Verhalten ändern, statt mit Klimaticket Gewissen beruhigen
Der Weltklimarat schätzt die Klimawirkung von Flügen auf 2,3 bis 5 Mal höher als das ausgestossene CO2. Myclimate verwendet bei seinem Rechner den Faktor 2, Atmosfair den Faktor 2,7. Die deutsche Gesellschaft hat eine Zusammenarbeit mit Airlines abgelehnt, weil die kompensierten Mengen nicht der Realität entsprächen. «Weniger fliegen erfordert eine Bewusstseinsänderung und dafür müssen die Passagiere die Wahrheit über die Klimabelastung des Fliegens erfahren», schreibt Atmosfair im Jahresbericht.
Myclimate hat seine Tätigkeit ausgeweitet. Seit März letzten Jahres kann man dort auch Klimatickets für Auto- und Haushaltsemissionen kaufen oder gar über Fleurop Deutschland einen klimaneutralen Blumenstrauss verschicken. Dazu sagt Christian Som vom WWF Schweiz: «CO2-Kompensation darf nur das letzte Mittel sein. Zuerst sollte man sein Verhalten ändern oder technische Verbesserungen prüfen, bevor man mit einem Klimaticket sein Gewissen beruhigt.»
So reisen Sie umweltbewusst
Vor der Abreise:
- Vor der Abreise sämtliche Elektrogeräte zu Hause ausstecken, den Kühlschrank ausschalten, im Winter die Heizung zurückstellen.
- Das richtige Transportmittel wählen: Bus und Bahn sind besser als Flugzeug oder Auto.
In den Ferien:
- Die Klimaanlage im Hotelzimmer bei Abwesenheit ausschalten.
- Wer auf täglich frische Hand- und Badetücher verzichten kann, soll dies dem Hotelpersonal melden.
- Wassersparen hilft der einheimischen Bevölkerung und der Landwirtschaft.
- Selbst beim Sport kann man einen Beitrag zum Umweltschutz leisten, indem man auf den Tennismatch bei Flutlicht und das Golfspiel in Trockengebieten verzichtet.