Angefressene Ohren, eitrige Wunden, tote Tiere in Käfigen: Der Schweizer Kaninchenproduzent Delimpex sorgte vor rund zehn Jahren für negative Schlagzeilen. Grund: die alles andere als tiergerechte Haltung von Kaninchen in seinen ungarischen Zuchtbetrieben.
Inzwischen hat Delimpex die Tierhaltung in Ungarn den Schweizer Mindeststandards angepasst und wirbt im Internet: «Wir übernehmen die Verantwortung für das Wohl der Tiere. Im europäischen Vergleich leisten wir wichtige Pionierarbeit und sind in der Haltungsform führend.»
«Tiere werden nicht richtig betäubt»
Der Schweizer Tierschutz sieht dies anders: Im ungarischen Schlachthof von Delimpex in Lajosmizse kam es 2014 zu gravierenden Verstössen gegen das Tierwohl. Die Kaninchen wurden vor dem Schlachten unzureichend betäubt und zum Teil bei Bewusstsein aufgeschnitten und ausgeblutet. Eine Videoaufnahme, die dem K-Tipp vorliegt, zeigt Kaninchen, die nach dem Aufschneiden noch nach Luft schnappen.
Hansuli Huber, Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes, bestätigt auf Anfrage des K-Tipp: «Wir haben bei einer Kontrolle im Herbst 2014 festgestellt, dass fast ein Drittel der beobachteten Tiere nicht richtig betäubt war.»
Schuld daran seien mangelhafte Betäubungsgeräte. Die Kaninchen werden mit dem Kopf in eine Vorrichtung gedrückt, die ihnen einen Elektroschock verpasst. Das Problem: «Statt zwischen Auge und Ohr erfolgt der Stromfluss vorne an der Schnauze», sagt Huber. «Der Strom fliesst somit nicht direkt ins Hirn. Das führt häufig zu einer unzureichenden Betäubung und zu schlimmen Verbrennungen an der Schnauze.»
Die Firma Delimpex wollte auf mehrfache Nachfrage des K-Tipp nicht sagen, ob sie inzwischen bessere Geräte einsetzt. Man halte die Tierschutzvorschriften ein und sei verpflichtet, den Betäubungserfolg zu kontrollieren.
Migros und Denner bestreiten Probleme
Migros und Denner, die das Fleisch über Delimpex beziehen, bestreiten Probleme bei der Betäubung. Sie schreiben: «Wir lassen unseren Lieferanten Delimpex jährlich durch unabhängige Stellen kontrollieren. Die letzte Kontrolle im Jahr 2016 zeigte auf, dass die Betäubungsqualität ‹genügend› ist.» Allerdings: Weder Migros noch Denner wollten dem K-Tipp den Rapport über diese Kontrolle zeigen.
Laut Hansuli Huber vom Tierschutz ist das Problem weit verbreitet. «Diese falsch konzipierten Geräte werden nach wie vor in praktisch allen Kaninchen-Schlachthöfen in Europa verwendet.»
Deshalb habe der Schweizer Tierschutz Anfang Jahr ein Rundschreiben an Schweizer Detailhändler und Importeure verschickt. Darin fordert er ein Ende dieser Tierquälerei und ersucht die angeschriebenen Firmen, ihre Lieferanten im Ausland zu überprüfen.
Die Coop-Tochterfirma Bell sagt, die Qualität der Betäubung werde bei ihrem Lieferanten «per Augenreflex durch die Mitarbeiter kontrolliert und dokumentiert». Ähnlich argumentiert Lidl. Spar und TopCC nahmen nicht Stellung. Aldi schreibt auf Anfrage, man nehme das aufgeworfene Tierschutzproblem sehr ernst und sei in Abklärung mit dem Lieferanten.
Übrigens: Die beiden grössten Schweizer Kaninchenproduzenten betäuben die Tiere mittels einer speziell entwickelten Bolzenschussanlage. Gemäss Tierschutz ist diese Methode sicherer. Die Aargauer Kantonstierärztin Erika Wunderlin, die beide Betriebe kennt, bestätigt dies. Sie schränkt aber ein: «Der Erfolg einer Betäubung hängt massgeblich von der Person ab, die sie vornimmt und überprüfen muss.»
Schweizer Kaninchenfleisch verkaufen unter anderem Coop, Globus, Manor und Migros.