Grippe-Impfung: Wett bewerb war ein Flop
Mit einem Wettbewerb wollte das Bundesamt für Gesundheit Pflegerinnen und Ärzte dazu motivieren, sich gegen die Grippe impfen zu lassen. Die Idee kam schlecht an.
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Gesundheitstipp 01/2013
23.01.2013
Andreas Gossweiler
Die Grippe-Impfung ist beim medizinischen Personal umstritten: In den letzten Jahren liess sich nur ein Fünftel der Pflegerinnen und Pfleger impfen. Um das zu ändern, hat das Bundesamt für Gesundheit im Dezember eine ungewöhnliche Idee lanciert: Mit einem Wettbewerb wollte es das medizinische Personal zum Impfen animieren.
Das Bundesamt schrieb alle Spitäler an und machte mit Inseraten auf den Wettbewerb aufmerksam. Mitmachen durften alle Teams, bei denen ...
Die Grippe-Impfung ist beim medizinischen Personal umstritten: In den letzten Jahren liess sich nur ein Fünftel der Pflegerinnen und Pfleger impfen. Um das zu ändern, hat das Bundesamt für Gesundheit im Dezember eine ungewöhnliche Idee lanciert: Mit einem Wettbewerb wollte es das medizinische Personal zum Impfen animieren.
Das Bundesamt schrieb alle Spitäler an und machte mit Inseraten auf den Wettbewerb aufmerksam. Mitmachen durften alle Teams, bei denen mehr als die Hälfte des Personals gegen Grippe geimpft waren. Den ersten hundert Teams, die am Wettbewerb teilnehmen würden, versprach das Bundesamt einen «reichhaltigen Znüni-Proviantkorb» oder einen Zustupf in die Kaffeekasse. Das Gewinnerteam, das per Los bestimmt werde, dürfe einen noch grosszügigeren Preis wählen: 2500 Franken fürs Weihnachtsessen, eine neue Kaffeemaschine oder einen Marronimann, der einen Nachmittag lange gratis Marroni brät.
Trotz der attraktiven Preise stiess der Wettbewerb auf wenig Begeisterung: Nur 17 Teams machten mit. Eine Umfrage des Gesundheitstipp zeigt: Fachleute halten wenig von der Idee (siehe Kasten). Die Zürcher Medizinethikerin Ruth Baumann-Hölzle kritisiert, das Bundesamt für Gesundheit versuche, die Impfung mittels Gruppendruck durchzusetzen, statt eine offene Debatte anzustossen: «Der Wettbewerb täuscht die Freiwilligkeit der Impfung vor, kann aber Einzelpersonen massiv unter Druck setzen.»
Skeptisch – wegen Nebenwirkungen
Seit Jahren steht die Grippe-Impfung in der Kritik des medizinischen Personals. Andrea Hornstein, Geschäftsleiterin der Spitex St. Gallen-Ost, zweifelt am Nutzen: «Auch eine geimpfte Person kann an Grippe erkranken. Sorgfältige Hygienemassnahmen sind wichtiger.» Tatsächlich zeigen Studien, dass die Impfung nur 50 bis 80 Prozent der Grippefälle verhindern kann (Gesundheitstipp 1/2011).
Die Nebenwirkungen tragen zur Skepsis des Personals bei. Kathrin Segattini, Leiterin Pflege und Betreuung des Alterswohnzentrums Ruswil LU, sagt: «Vier von fünf der geimpften Bewohner machen eine grippeähnliche Erkrankung durch.» Deshalb impfe das Altersheim die Bewohner gestaffelt – «damit sich der zusätzliche Arbeitsaufwand in Grenzen hält.» Auch ein Teil des Personals leide unter Nebenwirkungen der Impfung. Der Luzerner Arzt Peter Respondek sagt: «Die hohe Zahl der Impfverweigerer zeigt, dass sich das Personal gründlich mit den Vor- und Nachteilen der Grippe-Impfung auseinandersetzt.»
Roger Staub, Leiter Prävention und Promotion beim Bundesamt für Gesundheit, entgegnet: «Die Grippe-Impfung des Personals ist eine einfache und wirksame Massnahme, um die Patienten zu schützen.» Bei älteren Patienten, deren Immunsystem geschwächt ist, wirke die Impfung nicht optimal: «Während der Grippesaison sind solche Menschen in Spitälern und Heimen gefährdet, wenn das Personal und die Besucher keine Vorsichtsmassnahmen treffen.» Gruppendruck habe es schon vorher gegeben – «leider oft gegen die Impfung».
So schützen Sie sich vor einer Grippe:
- Waschen Sie sich die Hände regelmässig mit Seife.
- Schlafen Sie genug.
- Essen Sie viel Gemüse und Früchte.
- Bewegen Sie sich oft an der frischen Luft. Das härtet den Körper ab.
- Wenn Sie Grippesymptome spüren: Bleiben Sie zu Hause und gönnen Sie sich Bettruhe.
- Gehen Sie zum Arzt, wenn Sie unter Komplikationen leiden, zum Beispiel an hohem, anhaltendem Fieber, Nasen- nebenhöhlenentzündung oder Atemnot.
Das sagen Pflegefachleute zum Grippe-Impf-Wettbewerb
«Es nützt wenig, wenn sich das Personal gegen die Grippe impfen lässt, denn die Be- sucher stecken genauso oft die Bewohner an.»
Kathrin Segattini, Leiterin Pflege und Betreuung, Alterswohnzentrum Ruswil LU
«Die Impfung ist ein medizinischer Eingriff. Das Personal muss sich sorgfältig über die Vor- und Nachteile informieren. Ein Wettbewerb ist deshalb fehl am Platz.»
Andrea Hornstein, Geschäftsleiterin Spitex St.Gallen-Ost
«Die wissenschaftlichen Beweise für den Nutzen der Grippeimpfung sind eher
dürftig. Ich lehne den Wettbewerb deshalb ab.»
Erika Ziltener, Präsidentin des Dachverbands Schweizerischer Patientenstellen
«Der Wettbewerb erhöht das Bewusstsein für die Wichtigkeit des Impfens. Aber er kann dazu führen, dass sich jemand gegen seine Überzeugung impfen lässt.»
Bianca Schaffert-Witvliet, Pflegeexpertin, Spital Limmattal, Schlieren ZH