«Die Betreuerinnen sprachen nur Englisch»
Zu Hause betreut werden – das ist eine Alternative zum Pflegeheim. Viele private Firmen bieten Pflege und Betreuung an. Doch niemand kontrolliert die Qualität.
Inhalt
Gesundheitstipp 12/2011
04.12.2011
Letzte Aktualisierung:
06.12.2011
Andreas Gossweiler
Die 84-jährige Susy Buser aus Basel leidet an Parkinson. Zudem ist sie dement. Ihre Tochter Barbara Buser sagt: «Wir wollten, dass sie so lange wie möglich zu Hause leben kann.» Deshalb engagierte Barbara Buser eine Betreuerin bei der Firma Home Instead. «Nach kurzer Zeit wechselte Home Instead die Betreuerin aus», erinnert sich Barbara Buser. «Es hiess, sie habe nicht zu meiner Mutter gepasst.» Mit der zweiten Betreuerin war Barbara Bus...
Die 84-jährige Susy Buser aus Basel leidet an Parkinson. Zudem ist sie dement. Ihre Tochter Barbara Buser sagt: «Wir wollten, dass sie so lange wie möglich zu Hause leben kann.» Deshalb engagierte Barbara Buser eine Betreuerin bei der Firma Home Instead. «Nach kurzer Zeit wechselte Home Instead die Betreuerin aus», erinnert sich Barbara Buser. «Es hiess, sie habe nicht zu meiner Mutter gepasst.» Mit der zweiten Betreuerin war Barbara Buser zufrieden.
So wie Barbara Buser geht es vielen in der Schweiz. Eltern oder andere Angehörige werden immer älter und damit auch irgendwann zu Pflegefällen. In diesen Markt haben sich in den letzten Jahren immer mehr private Firmen gedrängt und bieten Betreuung und Pflege für Senioren an. Doch Recherchen des Gesundheitstipp zeigen: In der Branche herrscht Wildwuchs. Andrea Hornstein, Geschäftsleiterin der Spitex St. Gallen Ost, kritisiert: «Niemand kontrolliert vor Ort die Qualität der Betreuung und Pflege.»
Viele Anbieter rekrutieren Personal im Ausland. Eine Umfrage des Gesundheitstipp bei Anbietern zeigt: Die Betreuerinnen sind nicht immer genügend ausgebildet. Bei den Firmen Hausbetreuungsdienst, Home Instead, McCare und Seniorhilfe verfügen nicht alle Mitarbeiterinnen über die Ausbildung als Pflegehelferin SRK. Zum Vergleich: Die Spitex Olten verlangt diese Ausbildung auch für Mitarbeiterinnen, die keine medizinische Pflege, sondern nur Betreuungsarbeit verrichten.
Sprachprobleme erschweren Betreuung
Auch die Sprachkenntnisse seien ungenügend, weil das Personal oft aus Osteuropa komme, sagt Andrea Hornstein: «Manche Betreuerinnen können kaum Deutsch.» Die 66-jährige Marianne Neuner (Name geändert) kann das bestätigen. Sie hat zwei Frauen aus Polen engagiert, die sich in der Betreuung abwechseln. «Das ist aber keine dauerhafte Lösung. Die Frauen sprechen nur Englisch», beklagt sich Marianne Neuner. «Sie können auch nicht Auto fahren.» Lieber hätte sie eine Deutsch sprechende Betreuerin, die sie mit dem Auto zu Zahnarztbesuchen fahren kann. Andrea Hornstein beobachtete bei Spitex-Einsätzen sogar gefährliche Situationen. «Bei einem Hausbesuch sah ich, dass eine Betreuerin aus der Slowakei Angst bekam vor einem an Demenz erkrankten Patienten. Sie schloss sich in ein Zimmer ein und weinte.» Weil die Frau kaum Deutsch sprach, habe der Patient nicht verstanden, was die Betreuerin ihm sagen wollte. Deshalb sei er aggressiv geworden.
Viele Firmen bieten die Betreuung rund um die Uhr an, sieben Tage pro Woche. Doch der ehemalige Zürcher Stadtarzt Albert Wettstein stellt die 24-Stunden-Betreuung grundsätzlich in Frage: «Sie ist für die meisten dementen Patienten nicht nötig.» Als Stadtarzt habe er schwer demente Menschen gesehen, die mit drei Spitex-Stunden pro Tag gut betreut gewesen seien. Die Betreuung rund um die Uhr könne den Patienten sogar schaden: «Damit nimmt man ihnen alle Verantwortung weg. Zur Demenz kommt dann noch eine angelernte Hilflosigkeit.» Wettstein betont, es gebe nicht nur die Wahl zwischen dem Pflegeheim und der Betreuung zu Hause: «Die teilstationäre Betreuung in einem Tagesheim ist für viele Demente eine gute Lösung.»
«Ausbildung genügt für Begleitung im Alltag»
Zur Kritik, das Personal sei ungenügend ausgebildet, sagt McCare: «Die meisten osteuropäischen Betreuerinnen haben in ihrer Heimat einen Pflegekurs belegt, der in etwa dem SRK-Kurs entspricht.» Andere seien ausgebildete Krankenschwestern, Ärzte oder Masseure. Seniorhilfe, Home Instead und Hausbetreuungsdienst sagen, es sei nicht nötig, für Alltagsbegleitung oder Haushaltarbeit Mitarbeiterinnen mit SRK-Ausbildung einzusetzen. Seniorhilfe entgegnet zu Albert Wettsteins Kritik an der 24-Stunden-Betreuung: «Das wird nur angefordert, wenn jemand wirklich hilflos ist, weil er beispielsweise an Demenz im fortgeschrittenen Stadium leidet.» McCare sagt, der 24-Stunden-Service sei nötig, weil es auch ausserhalb der Besuchszeiten der Spitex zu einem Vorfall kommen könne.
TIPPS: Betreuungsangebote für Senioren: Darauf müssen Sie achten
- Erkundigen Sie sich bei der Pro Senectute oder der Alzheimervereinigung nach seriösen Betreuungsfirmen.
- Fragen Sie, ob das Personal die Ausbildung als Pflegehelfer/in SRK absolviert hat.
- Verlangen Sie Referenzen.
- Die Betreuungsfirma muss einen detaillierten Wochenplan erstellen.
- Fragen Sie Ihre Krankenkasse, ob sie die Betreuung zu Hause finanziert.
Buchtipp:
Weitere nützliche Infos zu Pflege- und Hilfsangeboten für ältere Menschen finden Sie im Gesundheitstipp-Ratgeber «Besser leben im Alter», (1. Auflage, 123 Seiten). Zu bestellen auf www.gesundheitstipp.ch.