China-Händel im Appenzellerland
Der Vorstoss eines Ostschweizer Textilunternehmens nach China endete im Fiasko. Der Partner vor Ort fühlt sich ausgetrickst. Er will vor Gericht die Auflösung der Tochterfirma in China rückgängig machen.
Inhalt
saldo 17/2010
25.10.2010
Letzte Aktualisierung:
26.10.2010
Thomas Müller
Es war in der Goldgräberstimmung Anfang der Neunzigerjahre, als die Ostschweizer Textilfirma aufbrach, um im Reich der Mitte Fuss zu fassen. Sie gründete eine Tochterfirma, die in China günstig fürs Schweizer Mutterhaus produzieren und mit Aufträgen von anderen Firmen gehörig Geld verdienen sollte.
Dazu taten sich die Ausserrhoder mit einem Partner vor Ort zusammen, einem Schweizer Geschäftsmann, der schon seit etlichen Jahren in Shanghai le...
Es war in der Goldgräberstimmung Anfang der Neunzigerjahre, als die Ostschweizer Textilfirma aufbrach, um im Reich der Mitte Fuss zu fassen. Sie gründete eine Tochterfirma, die in China günstig fürs Schweizer Mutterhaus produzieren und mit Aufträgen von anderen Firmen gehörig Geld verdienen sollte.
Dazu taten sich die Ausserrhoder mit einem Partner vor Ort zusammen, einem Schweizer Geschäftsmann, der schon seit etlichen Jahren in Shanghai lebte.
Er wurde auserkoren, die Expansion kräftig voranzutreiben. Man beteiligte ihn als Minderheitsaktionär mit einem Drittel an der Tochterfirma und ernannte ihn zu deren Verwaltungsratspräsidenten.
Das Mutterhaus war enttäuscht von seinem Partner in China
Nach ermutigenden Anfängen häuften sich aber die Rückschläge. Der chinesische Zweig mit seinen 300 Beschäftigten wollte und wollte nicht abheben, die vermeintliche Goldgrube entpuppte sich als Fass ohne Boden. Auch Berater vermochten nichts daran zu ändern.
Und so blies das Mutterhaus zum Rückzug, tief enttäuscht vom Partner in China. Dieser widersetzte sich der geplanten Liquidation der Firma, unterlag aber an der Generalversammlung, wo ihn die Ostschweizer mit Zweidrittelsmehrheit überstimmten.
Diesen Entscheid bekämpft er auf dem Rechtsweg. Seine Anfechtung behandelt die zweite Abteilung des Kantonsgerichts von Appenzell-Ausserrhoden, das im Ratssaal von Heiden tagt. Der Partner verlangt vom Gericht, dass es die Auflösung der Firma für ungültig erkläre, zumindest aber den eingesetzten Liquidator ersetze.
Dieser sei nämlich nicht unabhängig, er habe die China-Aktivitäten «zu einem Schleuderpreis» an die Ostschweizer verramscht und ihn als Minderheitsaktionär damit geschädigt. Der Kläger ist nicht zur Gerichtsverhandlung erschienen. Sein Anwalt beteuert, es habe keinen Grund für eine Auflösung der Gesellschaft gegeben.
Sein Mandant habe die Firma im Griff gehabt und in Übereinstimmung mit den Statuten und dem chinesischen Recht gehandelt: «Erst als ihn die Ostschweizer als Verwaltungsratspräsident abgesetzt hatten, wurde die finanzielle Lage instabil.»
Ein fragwürdiger, sprich: korrupter neuer Chef sei installiert worden. Denn er habe die Zulieferer ausgewechselt, trotz schlechterer Qualität zu höheren Preisen. Für die Nichtigerklärung des Beschlusses der Generalversammlung zur Auflösung der Tochtergesellschaft gibt es für den Kläger mehrere formelle Gründe.
Man habe ihm unter anderem Informationen vorenthalten, etwa einen Jahresbericht. Und entgegen zwingendem Recht habe der Liquidator sein Amt angetreten, ohne im Besitz auch nur einer Aktie gewesen zu sein.
Der Rechtsvertreter des Ostschweizer Textilunternehmens verlangt die Abweisung der Klage. Die Schliessung der Tochter in China sei die unausweichliche Folge der schlechten Ertragslage gewesen. Der Partner vor Ort habe «ein Riesendurcheinander» angerichtet.
So habe er den Generaldirektor eigenmächtig gefeuert, seine eigene Ehefrau zur Geschäftsführerin ernannt und wiederholt «eiskalt über den Kopf der Mutterfirma hinweg entschieden». Den Prozess bezeichnet der Anwalt der Textilfirma deshalb als Scheingefecht.
Die Klage ziele ins Leere, die gerügten formellen Fehler seien nicht ausschlaggebend gewesen für das Zustandekommen des massgeblichen Beschlusses.
Für das Gericht ist die Liquidation gut verständlich
So sieht es auch das Gericht, das die Klage abweist. Hauptgrund ist, dass die formellen Fragen keinen entscheidenden Einfluss auf die Abstimmung hatten. Die Gerichtspräsidentin geht davon aus, dass der Entscheid zur Auflösung «mit dem gleichen Stimmenverhältnis, nämlich zwei Dritteln zu einem Drittel gefallen wäre».
Die Liquidation sei auch nicht willkürlich erfolgt, weil die Tochterfirma tatsächlich überschuldet war, und Gründe gegen die Wahl des Liquidators seien ebenso wenig vorhanden gewesen. Fazit: Der Geschäftsmann muss eine Gerichtsgebühr von 12'000 Franken zahlen und die Gegenpartei für deren Anwaltskosten entschädigen. Dazu kommen die Kosten des eigenen Anwalts.
Prozessieren: Beschlüsse der Generalversammlung anfechten
Jeder Aktionär kann innert zwei Monaten nach der Generalversammlung (GV) Beschlüsse via Gericht anfechten. Begründet werden kann die Klage nur damit, die Beschlüsse hätten gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen.
Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Unterlagen nicht allen Aktionären zugestellt, der Jahresbericht des Verwaltungsrates ohne Prüfungsbericht der Revisionsstelle angenommen oder einem Aktionär an der GV das Recht zu einer Frage entzogen wurde.
Heisst das Gericht eine Anfechtungsklage gut, wird der Beschluss der Generalversammlung rückwirkend aufgehoben. Da die eingeklagte Gesellschaft in einem Prozess einen hohen Streitwert geltend machen kann, sind solche Klagen für Kleinaktionäre riskant. Im Fall eines Prozessverlustes drohen ihnen hohe Kosten.