Kläger vor dem Kreisgericht Rheintal in Altstätten SG ist ein spanischer Manager. Er trat im August 2017 in Finnland eine Stelle an als Personalleiter einer internationalen Holzfirma. Der Arbeitsvertrag sah nach finnischem Recht eine Kündigungsfrist von 12 Monaten für den Arbeitgeber vor, für den Angestellten von 6 Monaten.
Anfang Oktober 2017 wechselte der Manager in die Schweiz zu einer Tochtergesellschaft des finnischen Konzerns. Er erhielt einen neuen Arbeitsvertrag nach Schweizer Recht. Die langen Kündigungsfristen blieben unverändert.
Ende Oktober erhielt der Spanier die Kündigung. Seine Anwältin präzisiert: «Er musste am gleichen Tag Laptop, Mobiltelefon und die Schlüssel abgeben und die Firmenwohnung verlassen. Der Arbeitgeber übergab ihm ein Ticket für einen Flug nach Spanien für den folgenden Tag.» Dem Mann sei nicht einmal die Gelegenheit zur Übergabe von Dossiers an einen Mitarbeiter oder einen Nachfolger gegeben worden. Und auch von seinen Kollegen habe er sich nicht verabschieden können. Das sei nichts anderes als eine fristlose Entlassung, sagt die Anwältin.
Ein Grund dafür sei aber nicht ersichtlich. Der Arbeitgeber sei mit den Leistungen des Klägers immer zufrieden gewesen. Der Spanier fordert von seinem ehemaligen Arbeitgeber knapp 170 000 Franken. Das entspricht dem Lohn während der ordentlichen Kündigungsfrist von 12 Monaten. Wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung verlangt er zusätzlich eine Entschädigung von 30 000 Franken.
Die Firma täuscht sich in der Dauer der Kündigungsfrist
Der Anwalt der beklagten Firma macht geltend, sie habe irrtümlich angenommen, der Manager sei noch in der Probezeit und die sofortige Entlassung sei deshalb möglich. Das sei ein Fehler gewesen. In Tat und Wahrheit habe die Firma ordentlich kündigen wollen, sich aber in der Dauer der Kündigungsfrist getäuscht. Das hätte der Mitarbeiter merken müssen und seine Arbeit wieder anbieten sollen. Das sei aber nicht geschehen, deshalb habe er keinen Anspruch auf Lohnzahlung.
Die Anwältin des Spaniers beurteilt die Argumente des Anwalts der Firma als an den Haaren herbeigezogen. Entweder hat das Unternehmen einen wichtigen Grund gehabt, den Arbeitsvertrag fristlos zu kündigen, oder es hätte ordentlich kündigen müssen. Dabei sei aber die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von 12 Monaten einzuhalten.
Der Gerichtspräsident hatte beim Vortrag der Anwältin genickt und dann den Anwalt der Beklagten darauf hingewiesen, dass im Schweizer Arbeitsvertrag keine Probezeit festgehalten worden sei. Die ordentliche Kündigungsfrist betrage deshalb wie im finnischen Vertrag 12 Monate. Damit signalisiert er dem Anwalt der beklagten Firma, dass er deren Erfolgschancen gering einschätzt. Doch dieser hat dafür kein Gehör. Einen Vergleich lehnt er ab.
Wochen später verschickt das Gericht das schriftliche Urteil. Der Arbeitgeber wird darin verpflichtet, dem Ex-Mitarbeiter knapp 170 000 Franken zu bezahlen. Die zusätzlich geforderten 30 000 Franken Entschädigung für die fristlose Entlassung seien aber nicht geschuldet. Grund: Es habe sich nicht um eine fristlose Kündigung gehandelt, die Firma habe sich nur in der Dauer der Kündigungsfrist getäuscht. Die Gerichtskosten betragen 18 600 Franken. Davon muss der ehemalige Angestellte 5100 Franken bezahlen, die Holzfirma 13 500 Franken. Zudem schuldet sie dem Manager eine Prozessentschädigung von 11 800 Franken.
Bei willkürlicher Entlassung sofort protestieren
Bei Gerichtsverfahren um fristlose Entlassungen ist oft umstritten, ob überhaupt eine fristlose Kündigung ausgesprochen wurde – oder ob sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigten. Deshalb gilt: Wer gegen seinen Willen fristlos entlassen wurde, sollte sofort dagegen schriftlich und eingeschrieben protestieren. Gleichzeitig sollte er klarstellen, dass er seine Arbeitskraft weiterhin bis zum Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist zur Verfügung stellt.
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