Fast zwei Stunden pro Tag verbringen Schweizerinnen und Schweizer vor dem Fernseher. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Statistik.
Moderne TV-Geräte, die mit dem Internet verbunden sind, erfassen genau, welche Sendungen sich die Besitzer wie lang ansehen. Sie wissen deshalb, ob sich jemand beispielsweise für Sport, Wissenschaft oder Reality-TV interessiert.
Die Geräte benutzen dafür die automatische Inhaltserkennung (ACR) und machen in regelmässigen Abständen Aufnahmen des Bildschirms. Diese Daten senden die Geräte übers Internet an die Hersteller, die sie mit den ausgestrahlten Sendungen abgleichen. So entsteht ein detailliertes Bild der TV-Nutzung der Kunden.
Auch wer sich private Fotos anschaut, wird erfasst
Eine Studie von Forschern der Universitäten in Davis (USA), London und Madrid konnte den Vorgang bei Fernsehgeräten der Marktführer Samsung und LG im Detail nachweisen. Sie untersuchten, wie oft und in welchen Situationen die Geräte aktiv werden und Daten versenden. Dabei stellten sie fest, dass Bildschirmaufnahmen nicht nur beim Fernsehen aufgenommen werden, sondern auch, wenn der TV als Monitor verwendet wird – etwa beim Spielen auf Konsolen oder wenn jemand auf dem Bildschirm private Fotos von einem Computer ansieht.
Keine Daten wurden erhoben, wenn Filme via Apps wie etwa von Netflix oder Disney angeschaut wurden. Diese Firmen werten selbst aus, was die Benutzer ansehen – auch um gezielt Werbung anzeigen zu können («K-Tipp» 17/2024). Die Forscher belegten, dass das LG-Gerät alle 15 Sekunden ein Datenpaket an den Server des Herstellers sendete, bei Samsung jede Minute. Auch andere Hersteller, wie Philips, Panasonic und Sony zeichnen die Sehgewohnheiten mit der ACR-Technologie auf.
Die Daten werden für die Werbekunden ausgewertet. Wer etwa oft Kochsendungen verfolgt, sieht eher Werbung für Lebensmittel als jemand, der sich für Reisen interessiert.
Hersteller nutzen die Daten für «personalisierte Werbung»
Alle grösseren TV-Hersteller haben entweder eine eigene Abteilung für Werbung oder arbeiten mit spezialisierten Firmen zusammen. Dabei werden die Daten mit weiteren Informationen über die Haushalte angereichert.
Samsung etwa weiss, wenn im selben Netzwerk auch ein Samsung-Handy verwendet wird. Diese Daten kann Samsung verknüpfen und so noch genauere Angaben zu den persönlichen Vorlieben erhalten. Je mehr Geräte eines Herstellers mit derselben E-Mail-Adresse verwendet werden, desto einfacher ist die Verknüpfung.
Die Datenschutzerklärung von Samsung gibt Hinweise darauf, was der TV-Hersteller mit den Daten anstellt. Verwendet würden die Daten zum «Erstellen von Profilen für personalisierte Werbung», zum «Abgleichen mit Datenquellen Dritter», beispielsweise weiterer Werbenetzwerke, oder um «das Gerät mit weiteren Geräten zu verknüpfen». saldo stellte bei Samsung und LG je ein Datenauskunftsgesuch, um zu erfahren, welche persönlichen Daten über eine bestimmte Person gespeichert werden.
LG reagierte nicht auf das Gesuch. Samsung schickte zwar Informationen wie Namen und Adresse, Geburtstdatum, benutzte Geräte oder Apps auf dem Handy – aber Daten zur TV-Nutzung gibt die Firma nicht preis. Begründung: Da die Informationen zu den Inhalten «codiert erfasst» würden, seien sie «für das menschliche Auge nicht lesbar». Laut dem schweizerischen Datenschutzgesetz wäre der TV-Hersteller verpflichtet, die gespeicherten Daten auf Antrag offenzulegen. LG und Samsung operieren aber von Südkorea aus.
Das Geschäft mit den Zuschauerdaten ist für die Unternehmen attraktiv. Samsung und LG geben keine Umsatzzahlen zur Werbung bekannt. Etwas offener ist Samba-TV, die für TV-Hersteller wie Sony oder Philips Zuschaueranalysen vornimmt. Die Firma teilte bereits 2020 mit, man sei auf über 100 Millionen US-Dollar Umsatz weltweit gewachsen.
Die Datenweitergabe lässt sich stoppen
Was viele TV-Benutzer nicht wissen: Das Ausspionieren der Zuschauer ist in neuen Fernsehgeräten standardmässig aktiviert – aber sie lässt sich ausschalten. Die Aufzeichnungen der Studienautoren aus Davis, Madrid und London belegen: Wird die Erfassung untersagt, gehen tatsächlich fast keine Daten mehr an den Hersteller.
Schluss mit Spionieren
- Samsung: Einstellungen > Support > Nutzungsbedingungen > «Viewing Information Services» deaktivieren
- LG: Einstellungen > Allgemein > System > Zusätzliche Einstellungen > «Live Plus» deaktivieren
- Sony: Einstellungen > Systemeinstellungen > «interaktive TV-Einstellungen» oder «Samba Interactive TV» deaktivieren
- Panasonic: Menü > Netzwerk > «Samba Interactive TV» > Einstellungen > Datenschutzeinstellungen verwalten > «Samba Interactive TV» > «Personalisierte Anzeigen» und «Messung sowie Freigabe durch Dritte» abschalten
- Philips: Allgemeine Einstellungen - Samba TV > «Einstellungen deaktivieren»
Wenn der Pfad nicht funktioniert, kann man im Internet mit dem Begriff «ACR ausschalten» und dem Namen des TV-Geräts nach einer Anleitung suchen.
Auch die Telecomfirmen Swisscom, UPC und Sunrise analysieren die Sehgewohnheiten ihrer Abonnenten. Wer Daten löschen lassen will, kann dies mit diesem Musterbrief von saldo tun.