Rund ein Fünftel des in der Schweiz konsumierten Fleischs stammt aus dem Ausland. Das zeigen Zahlen der Branchenorganisation Proviande. Bei Coop und Lidl liegt der Importanteil genau beim Durchschnitt von 20 Prozent, die ­Migros bezieht nur 13 Prozent des verkauften Fleisches aus dem Ausland. Alle Grossverteiler tun sich schwer mit der Kennzeichnung ihrer Importware: Konsumenten finden auf den Verpackungen kaum Angaben zur Tierhaltung.

Feedlot-Tiere bekommen Kraftfutter statt Gras und Heu

Dabei gibt es nicht nur in der Schweiz grosse Unterschiede in der Tierhaltung. Das gilt auch fürs Ausland. Beispiel: Rindfleisch. Die SRF-Sendung «Kassensturz» kritisierte Anfang 2019 eine bestimmte Art der Rinder­haltung in Südamerika. Im Fokus standen sogenannte Feedlots. Das sind riesige Viehgehege, meist unter freiem Himmel. Mäster halten dort oft Zehntausende von Tieren ohne Weide­zugang. Die Rinder stehen, laufen und liegen vorwiegend auf Erde und Sand, teilweise im Matsch. Sie erhalten meist nur Kraftfutter aus Soja und Sorghumhirse anstelle von Gras und Heu. So sollen sie in rund 120 Tagen 140 Kilogramm Gewicht zulegen. Tierschützer kritisieren die Fütterung als nicht artgerecht. Sie führe laut «Kassensturz» häufig zu Abs­zessen und zu Klauen­entzün­dungen.

Coop, Aldi und Lidl versichern, ­keine Feedlot-Mästung zu akzeptieren und bloss Rindfleisch aus Weidehaltung zu importieren. Herkunftsland sei Uruguay. Coop ­bezieht zudem kleinere Mengen aus Paraguay. Die Migros gibt an, ihr Rindfleisch aus Südamerika stamme «zum Grossteil aus Weidefütterung». Laut einem Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums leben in Uru­guay 85 Prozent der Rinder bis zur Schlachtung auf der Weide und fressen Gras. Nur 15 Prozent der Schlacht­rinder würden aus der Feedlot-Haltung stammen.

Die Grossverteiler erklären zudem, dass sie im Importfleisch keine Hormon- und Antibiotika-Rückstände dulden. Coop und Migros überprüfen die Ware nach eigenen Angaben mit Stichproben. Lidl und Aldi verlangen Zusagen der Lieferanten, dass sie auf hormonelle Wachstumsverstärker bei der Mast verzichten. Aldi deklariert auf der Verpackung von Importfleisch, dass es Antibiotika enthalten kann, weil diese in einigen Herkunftsländern erlaubt seien.

Tierhaltung in Uruguay ist oft besser als in der Schweiz

Für Eric Meili, der lange für das Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick AG arbeitete, ist klar: «Rindfleisch aus Uruguay ist hinsichtlich Tierhaltung und Fütterung meist besser als Schweizer Fleisch aus intensiver Stallhaltung, falls keine Wachstums­hormone eingesetzt werden.» Über 60 Prozent des Schweizer Rindfleischs stammt laut Zahlen des Bauern­verbands aus Tierhaltung, die nicht über die gesetzlichen Minimalforderungen hinausgeht. Laut Meili leben die Tiere in der Schweiz dann 12 Monate lang zusammengedrängt, ohne je ins Freie oder auf die Weide zu kommen. Zu fressen bekommen sie vor allem Kraftfutter oder Mais. 

Auch bei der Ökobilanz schneidet dieses Schweizer Fleisch schlechter ab als Weidefleisch aus Südamerika. Das hat Elmar Schlich, ehemaliger Professor an der Universität Giessen (D), herausgefunden. Nach seiner Analyse weist das Fleisch von Rindern aus Uruguay oder Argentinien, die das ganze Jahr über im Freien grasen, in der Regel eine bessere Ökobilanz auf als etwa Schweizer Standardfleisch. Denn das viele Kraftfutter für Rinder stammt ebenfalls aus Übersee. Der CO2-Ausstoss des Schiffstransports des Weidefleischs falle dem­gegenüber kaum ins Gewicht.

Die Grossverteiler verkaufen aber nicht nur Fleisch aus Grasländern wie Uruguay oder Irland. Lidl und Aldi importieren Geflügel aus Deutschland, die Migros Poulet aus Italien und Ungarn. Coop führt Poulet aus Slo­wenien ein. Lidl, Aldi und Coop erklären, dass sich ihre Geflügelproduzenten an Standards hielten, die dem Schweizer BTS-Tierwohlprogramm ent­sprächen. BTS steht für «besonders tiergerechte Stallhaltung». Es bedeutet, dass Geflügelproduzenten bis zu 16 Hühner pro Quadratmeter in einer Halle halten dürfen. 93 Prozent der Schweizer Hühner lebten laut Agrarbericht gemäss diesem Standard. Das heisst: Den BTS-Hühnern im Ausland geht es gemäss den Grossverteilern nicht schlechter als denen in der Schweiz. Experte Eric Meili wirft der Schweizer Fleischbranche vor, «die Konsumenten nicht offen über die harten Haltungsbedingungen ihrer Tiere zu informieren».

Meili fordert eine klare Deklara­tion von Import- und Inlandfleisch – inklusive Infos zu Haltung, Fütterung und Medikamenteneinsatz: «Die Konsumenten würden dann endlich zuverlässige Informationen bekommen.» 

Coop, Lidl und Aldi halten ihre Kennzeichnung für ausreichend. Anders die Migros: Sie hat mit «M-Check» ein Label für Importprodukte ein­geführt. Einfache Symbole und kurze Texte auf der Verpackung erklären, ob das geschlachtete Rind etwa aus einer Auslauf- oder einer Weide­haltung stammt oder das Huhn in einem Freilaufgehege aufwuchs. Die Migros prüft nach eigenen Angaben regelmässig, ob die Produzenten diese Vorgaben einhalten.