Die Stimmung vor dem Gerichtssaal des Bezirksgerichts Bremgarten AG ist angespannt. Die Klägerin ist aufgewühlt, tuschelt nervös mit ihrem Anwalt und schaut immer wieder zum Beklagten hinüber. Dieser wirkt gelassen. Er ist von Beruf Anwalt und hat die Frau bei ihrer Scheidung vertreten. Die ehemalige Klientin fordert von ihm insgesamt 37 086 Franken.
Fünf Bezirksrichter hören sich die Argumente der Parteien an. Der Anwalt der Klägerin erklärt, seine Klientin habe sich vom Beklagten zunächst in einem Eheschutzverfahren vertreten lassen, bei dem das Getrenntleben geregelt wurde. Dafür sei zwischen dem Anwalt und der Klientin ein Honoraransatz von 350 Franken pro Stunde vereinbart worden. Insgesamt bezahlte sie ihm für das Verfahren 11 835 Franken. Sie sei mit der Zusammenarbeit zufrieden gewesen und habe deshalb den Anwalt anschliessend auch für das Scheidungsverfahren engagiert.
Geld des Ex-Manns nicht an die Frau weitergeleitet
Dabei habe es allerdings von Anfang an Schwierigkeiten gegeben. «Es lief von Anfang an zögerlich, obwohl meine Klientin ausdrücklich eine schnelle Scheidung wollte», bemängelt der Anwalt der Frau. Ausserdem sei nicht klar gewesen, wie der Beklagte in diesem Verfahren abrechnete. Die Scheidungswillige habe ihren damaligen Anwalt daher wiederholt gebeten, ihr eine detaillierte Zwischenabrechnung zukommen zu lassen, wie er das im ersten Verfahren getan habe. «Doch der Beklagte weigerte sich.»
Für das Scheidungsverfahren hatte die Frau 17 000 Franken als Vorschuss an ihren Rechtsvertreter überwiesen. «Für dieses Verfahren wären aber höchstens 7000 Franken angemessen gewesen», sagt ihr heutiger Anwalt. Das Scheidungsverfahren sei weniger aufwendig gewesen als das Eheschutzverfahren. Zudem habe der Beklagte vom Ex-Mann seiner Klientin 27 086 Franken erhalten, die er aber zu Unrecht nicht an die Frau weitergab. Dabei handelte es sich um eine güterrechtliche Ausgleichszahlung sowie um Unterhaltsbeiträge. «Alles in allem schuldet der Beklagte meiner Mandantin also 37 086 Franken.»
Offen ist, ob man sich auf eine Honorarpauschale einigte
Ihr ehemaliger Rechtsvertreter sieht die Sache anders: Er beklagt sich zuerst, er sei schon über 20 Jahre als Anwalt tätig – zum ersten Mal müsse er sich nun selbst vor Gericht verantworten. Dies, obwohl seine Klientin mit seiner Arbeit zufrieden gewesen sei. Nur habe sie sich leider mit der Zahlung des Honorars schwergetan. «Ich teilte ihr deshalb in einem Brief mit, dass ich bis zum Abschluss des Verfahrens mit Honorarkosten von rund 34 000 Franken rechnen würde.» Dies unter der Annahme, dass die Scheidung rasch und einvernehmlich durchgeführt werden könne. «Ich bat die Klägerin zum Zeichen des Einverständnisses um die Retournierung des beiliegenden Briefdoppels.» Das habe die Klägerin getan und damit dem Pauschalhonorar zugestimmt. Nach dem dem raschen und erfolgreichen Abschluss des Scheidungsverfahrens habe er ihr die Abrechnung zugeschickt. Sie habe sich für die erfolgreiche Durchführung des Scheidungsverfahrens bedankt. «Erst viel später verlangte sie eine Abrechnung gemäss meinem Aufwand.» Aber er habe mit ihr ja ein Pauschalhonorar vereinbart.
Einen Monat später erhalten die Parteien das schriftliche Urteil. Das Bezirksgericht kam zum Schluss, die Klägerin habe keinem Pauschalhonorar zugestimmt. Deshalb hätte ihr Anwalt nach Aufwand abrechnen müssen. Gemäss seinen dem Gericht eingereichten Aufstellungen über den Stundenaufwand habe der Anwalt ingesamt 21 101 Franken zu viel erhalten. Diesen Betrag müsse er der Klägerin überweisen. Zudem muss er Gerichtskosten in der Höhe von 1475 Franken übernehmen und der Klägerin eine Prozessentschädigung von rund 1230 Franken zahlen.
Das Anwaltshonorar klar vereinbaren
Der Vertrag zwischen Anwalt und Klient ist ein sogenannter Auftrag. Gemäss Gesetz schuldet der Klient dafür ein Honorar. In der Regel bestimmt es sich nach dem Zeitaufwand und der Schwierigkeit des Falls. Ein reines Erfolgshonorar ist in der Schweiz unzulässig. Wird kein genauer Betrag vereinbart, ist laut Gesetz das «übliche Honorar» geschuldet – ein unklarer Begriff. Deshalb sollten Klienten mit ihrem Anwalt bei Auftragserteilung einen Stundenansatz vereinbaren und schriftlich bestätigen lassen. Es empfiehlt sich zudem, ein Kostendach zu verabreden – oder zumindest regelmässig Zwischenabrechnungen zu verlangen. So weiss man, welche Kosten aufgelaufen sind.
Die Stundenansätze der Anwälte sind sehr unterschiedlich: Je nach Rechtsgebiet, Streitsumme, Region und Schwierigkeit des Falls sind 200 bis 500 Franken pro Stunde üblich – in familienrechtlichen Sachen 200 bis 350 Franken. Sekretariatsarbeiten sind inbegriffen. Nur die Spesen kommen noch dazu.